Hans Joachim von Reischach

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Hans Joachim Graf von Reischach (* 8. November 1908 in Stuttgart; † 4. Februar 1966 ebenda) war ein deutscher Journalist, Betreiber eines Nachrichtenbüros und Funktionär in nationalsozialistischen Organisationen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reischach wurde als Sohn des Hauptmanns Karl August Graf von Reischach geboren. Bereits 1923 trat er dem Bund Oberland bei und nahm einen Tag nach seinem 15. Geburtstag als Teil einer nach Freilassing marschierenden Kompanie am Hitlerputsch teil. Nach seinem Abitur in Breslau studierte Reischach Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft.

Als Mitglied der NSDAP und SA war Reischach Truppführer und Standartenadjutant, zudem wirkte er als Gauredner. 1929 übernahm er die Chefredaktion des NSDAP-eigenen Oberbergischen Boten, arbeitete ab Januar 1930 in gleicher Position bei dem ebenfalls der NSDAP zugehörigen Koblenzer Nationalblatt und kam 1931 als politischer Schriftleiter zum Kölner Westdeutschen Beobachter. In jenem Jahr wurde Reischach auch Kreisleiter des Stadt- und Landkreises Koblenz.

Seit dem 1. Dezember 1932 betrieb Reischach mit dem nach ihm benannten Zeitungsdienst Graf Reischach ein eigenes Nachrichtenbüro, das auf einen durch Robert Ley gegründeten Vorgänger zurückging.[1] Das Unternehmen unterhielt auch Auslandsvertretungen und einen Fernschreib- und Telefondienst. Zunächst belieferte es sechs Zeitungen im westdeutschen Gebiet, expandierte dann aber rasch. Der Dienst wurde 1937 durch den Reichsleiter für die Presse Max Amann übernommen und damit der NSDAP eingegliedert. Ab Juni 1933 hatte Reischach den Vorsitz des Berliner Verbands der Auswärtigen Presse inne.[2][3] Außerdem gehörte er dem „Kleinen Führerrat“ des Reichsverbands der deutschen Presse an.[4] Während des Zweiten Weltkriegs gehörte auch Reischach zu den Kriegsberichterstattern.[5]

Seit 1933 war Reischach Stabswalter in der Reichsorganisationsleitung der NSDAP, zudem bekleidete er die Position des Leiters des Propagandaamtes der Deutschen Arbeitsfront. Obwohl sich Propagandaminister Joseph Goebbels in seinen Tagebüchern sonst nicht über ihn äußerte, legt ein Eintrag nahe, dass Reischach zu seinen Vertrauten gehörte.[6] Sein Zeitungsdienst stellte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs den Betrieb ein.[7]

Nach dem Krieg wurde Reischach durch den früheren Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Werner Naumann, der sich um eine Erneuerung seiner Bekanntschaften mit prominenten Persönlichkeiten des NS-Regimes bemühte, kontaktiert.[8] Zum sich herauskristallisierenden Naumann-Kreis, der später die FDP zu unterwandern versuchte, gehörte er anschließend jedoch nicht.[9]

Zuletzt arbeitete Reischach als Presse- und Anzeigenleiter der Düsseldorfer Continental Elektroindustrie AG. Er war auch Mitglied von Komitees des Bundesverbands der Deutschen Industrie und Zentralverbands der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie.[10]

Reischach war verheiratet.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Fünfjähriges Bestehen des Zeitungsdienstes Graf Reischach“, Deutsche Presse, 1938 (Jg. 28), Ausgabe 2, S. 33.
    Werner Loesch: Wesen und Bedeutung der Korrespondenz in der Publizistik, Dissertation Dresden 1939, S. 59.
    Isabell Voigt: Korrespondenzbüros als Helfer der Presse. In: Jürgen Wilke (Hrsg.): Unter Druck gesetzt. Vier Kapitel deutscher Pressegeschichte. (= Medien in Geschichte und Gegenwart. 17). Böhlau, Wien/ Köln/ Weimar 2002, ISBN 3-412-10506-6, S. 122.
  2. Neuer Vorstand des Berliner Verbandes der Auswärtigen Presse. In: Zeitungs-Verlag. Band 34, Nr. 25, 24. Juni 1933, S. 405.
  3. Jürgen Wilke: Presseanweisungen im zwanzigsten Jahrhundert. Erster Weltkrieg, Drittes Reich, DDR. Böhlau, Wien/ Köln/ Weimar 2007, ISBN 978-3-412-10506-8, S. 121.
  4. Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Berlin (Hrsg.): Handbuch der deutschen Tagespresse. Armanen-Verlag, Leipzig 1944 (7. Aufl.), S. 395.
  5. Deutsche Zeitung in den Niederlanden: „Der Schicksalsspruch“, 25. Juni 1940, S. 5 und „Schwarze ‚Husaren‘ voraus!“, 21. Oktober 1940, S. 5 (Digitalisierter Bestand der Königlichen Bibliothek der Niederlande).
  6. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Teil II, Band 12, Saur, München 1995, ISBN 3-598-22308-0, S. 43–44 (Eintrag vom 2. April 1944: „Abends sind noch Dr. Naumann, Schwarz van Berk und Graf Reischach bei mir zu Besuch. Wir können bis in die tiefe Nacht eine Unmenge von Fragen des Krieges und der allgemeinen Politik besprechen. Es ist sehr nützlich, sich einmal bei einer solchen Gelegenheit alles vom Herzen herunterzureden, und zwar nicht nur für meine Leute, sondern auch für mich selbst.“).
  7. Der Dienst existierte bis 1945 (siehe Zeitungsdienst Graf Reischach newspaper clippings, 1933–1945. und Biografie von Rudolf Pörtner im Munzinger-Archiv). Die NSDAP als Eigentümer des Dienstes wurde noch im selben Jahr durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 einschließlich ihrer angeschlossenen Organisationen verboten.
  8. Beate Baldow: Episode oder Gefahr? Die Naumann-Affäre. Dissertation. Berlin 2012, S. 33. (PDF)
  9. Beate Baldow: Episode oder Gefahr? Die Naumann-Affäre. Dissertation Berlin 2012, „Weitere Kontakte“, S. 320ff (Reischach ist in dieser Liste auf Seite 323 aufgeführt). (PDF)
  10. Helmut von der Heiden, Stephen Taylor (Bearb.): Who's Who in the Common Market's Press and Advertising. A Biographical Dictionary containing about 4 000 Biographies of prominent people in Press and Advertising in Belgium, France, Germany (West), Italy, Luxembourg and the Netherlands. Intercontinental Book and Pub. Co., Montreal 1965, S. 404.