Heilandskirche (Berlin)

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Heilandskirche in Berlin-Moabit

Die Heilandskirche in Berlin-Moabit ist die Pfarrkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten. Die neugotische Kirche an der Thusnelda-Allee ist mit ihrem 87 Meter hohen Turm der Blickpunkt am Westrand des Kleinen Tiergartens. Das Areal wird im Norden von der Turmstraße und im Süden von der Straße Alt-Moabit begrenzt.

Die Kirchengemeinde gehört zum Kirchenkreis Berlin Stadtmitte (KKBS) der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).

Da sich die Johanniskirche, die erste Moabiter Kirche, für die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasch wachsende Bevölkerung als zu klein erwies, wurde 1892–1894 die Heilandskirche als Filiale erbaut. Dazu wurde ein Stück des Kleinen Tiergartens abgetrennt und für den Kirchenbau zur Verfügung gestellt.

Der Entwurf stammte vom Architekten Friedrich Schulze, die Ausführung lag bei Paul Kieschke. Die kreuzförmige Backstein-Hallenkirche weist kurze Querschiffe auf, wodurch sie als Zentralbau wirkt. Der schlanke Turm erhielt ein überhöhtes Spitzdach, dem an seiner Basis vier kleine Spitztürmchen beigegeben sind. Diese korrespondieren mit dem Dachreiter über der Vierung und den Zwickeltürmen in den Innenecken der Schiffe. Die Firma Bolle stiftete die drei Glocken, die bis heute erhalten sind. Die Kirche wurde am 20. Juni 1894 eingeweiht. Selbständig wurde die Gemeinde erst 1896. Sie erhielt 1905 ein Gemeinschaftshaus in der Putlitzstraße. 1905/06 wurde in der Ottostraße 17 das Pfarrerwohn- und Gemeindehaus errichtet.

Altar

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Kirche schwere Beschädigungen. Bei einem Luftangriff im November 1943 brannten Dachstuhl und Turmhelm ab. In der Folge lag die Kirche als Ruine brach. In den 1950er Jahren wurde sie unter Erich Ruhtz und Erich Glaß stark vereinfacht wieder aufgebaut. Das Dach wurde 1951 neu gedeckt. Dabei wurde der Dachreiter weggelassen und die vier Ecktürmchen verkleinert. Der zerstörte Chor erhielt nun – mit Ausnahme des Erdgeschosses – einen flachen Schluss, der spitze Turm wurde in alter Form wieder hergestellt. Im Innenraum wurde neugotischer Zierrat entfernt. Da die Gemeindegliederzahl abgenommen hatte, wurde auf die Emporen verzichtet. Die Wiedereinweihung erfolgte 1960. Das neue Altarbild wurde nach dem Entwurf Hans Gottfried von Stockhausens gefertigt und 1961 eingesetzt.

Da vor der 2004 erfolgten Fusion mit der benachbarten Reformationsgemeinde zur Kirchengemeinde Moabit West die Gemeindegliederzahl auf unter 5.000 gesunken war und nur ein Bruchteil der notwendigen Bauunterhaltungskosten zur Verfügung stand, entschloss sich die Gemeinde, das viel zu große Gemeindehaus aufzugeben und ihre Arbeit an der Thusnelda-Allee zu konzentrieren. Dafür wurde die Heilandskirche 2004 umgebaut und saniert. Sie erhielt verbesserte Elektrik, eine neue Fußbodenheizung und eine mobile Bestuhlung für eine multifunktionale Nutzung. Die Nebenräume auf der Westseite der Kirche wurden zu Gemeinderäumen mit einem kleinen Kirchenbüro sowie Mehrzweck- und Gruppenraum umgebaut. Das bereits bestehende Café Thusnelda wurde renoviert, womit im Eingangsbereich neue helle und offene Gemeinderäume zusammen mit einem behindertengerechten Sanitärbereich entstanden. Im Januar 2016 erfolgte die Fusion der Kirchengemeinden Moabit West, Erlöser, St. Johannis und Kaiser-Friedrich-Gedächtnis zur Evangelischen Kirchengemeinde Tiergarten.

Orgel mit 46 Registern

Ursprünglich besaß die Kirche eine 1894 erbaute Orgel von E. F. Walcker & Cie. mit zwei Manualen und 34 Registern.[1] 1929 lieferte Alexander Schuke eine neue Orgel, die den Schäden an der Kirche im Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel.

Die heutige Orgel wurde 1962 von dem Orgelbauer Gerhard Schmid (Kaufbeuren) erbaut. Das Instrument hat 46 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch.[2]

I Rückpositiv C–g3
1. Holzgedackt 8′
2. Weidenpfeife 8′
3. Prästant 4′
4. Rohrquintade 4′
5. Kleinpommer 2′
6. Sifflöte 113
7. Oktave 1′
8. Cymbel 12
9. Krummhorn 8′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
10. Gedacktpommer 16′
11. Prinzipal 08′
12. Holzflöte 08′
13. Gemshorn 08′
14. Oktave 04′
15. Rohrgedackt 04′
16. Spitzquint 223
17. Prinzipal 02′
18. Mixtur 113
19. Scharf 01′
20. Trompete 08′
III Schwell-Brustwerk C–g3
21. Koppelflöte 08′
22. Quintade 08′
23. Spitzgamba 08′
24. Prinzipal 04′
25. Gemsflöte 04′
26. Nasat 223
27. Blockflöte 02′
28. Terz 135
29. Septime 117
30. Prinzipal 01′
31. None 89
32. Sexte 813
33. Scharfmixtur 01′
34. Dulcian 16′
35. Oboe 08′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
36. Prinzipal 16′
37. Subbass 16′
38. Grossnasat 1023
39. Oktave 08′
40. Gedackt 08′
41. Rohrflöte 04′
42. Gemspfeife 02′
43. Nachthorn 01′
44. Rauschbass 04′
45. Posaune 16′
46. Trompete 08′

Des Weiteren existiert eine Chororgel mit sechs Registern, die von derselben Firma 1968 erbaut wurde.[3]

I Manual C–g3
Gedackt 8′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Pommer 2′
Scharf 1′
II Manual C–g3
Gedackt 8′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Pommer 2′
Scharf 1′
Pedal C–f1
Subbass 16′

Die Heilandskirche verfügt über ein Geläut aus drei bauzeitlichen Gussstahlglocken, die die Familie des zur Kirchengemeinde gehörenden Unternehmers Carl Bolle gestiftet hat. Sie wurden 1893 vom Bochumer Verein hergestellt und haben beide Weltkriege überstanden, weil die Behörden an Stahlguss kein Interesse hatten. Das Geläut befindet sich in einer fast quadratischen Glockenstube mit den Grundmaßen 4,4 m × 4,5 m. Die Herstellung kostete 6344 Mark.[4]

Glocke Schlag­ton Gewicht
(kg)
Durch­messer
(mm)
Höhe
(mm)
Inschrift
kleinste fis′ 0881 1255 1120 Schulter: GEG. VOM BOCHUMER VEREIN F. BERGBAU U. GUSSSTAHLFABRIKATION.
Flanke: GESTIFTET VON DER FAMILIE C. BOLLE, BERLIN 1893. Gegenüber: KOMMT VOR SEIN ANGESICHT MIT FROHLOKKEN. PSALM 100,2b.
mittlere dis′ 1230 1440 1275 Schulter: GEG. VOM BOCHUMER VEREIN F. BERGBAU U. GUSSSTAHLFABRIKATION.
Flanke: GESTIFTET VON DER FAMILIE C. BOLLE, BERLIN 1893. Gegenüber: DIENET DEM HERRN MIT FREUDEN, PSALM 100,2a.
größte 2250 1780 1565 Schulter: GEG. VOM BOCHUMER VEREIN F. BERGBAU U. GUSSSTAHLFABRIKATION.
Flanke: GESTIFTET VON DER FAMILIE C. BOLLE, BERLIN 1893. Gegenüber: JAUCHZET DEM HERRN ALLE WELT, PSALM 100,1.
  • Die Thusneldaallee bildet das kurze Verbindungsstück zwischen der Turmstraße und der Straße Alt-Moabit. Sie ist nur 50 Meter lang und damit die kürzeste Allee Berlins. Einziges Gebäude in der Straße ist die Heilandskirche.
  • Jeden Samstag findet hier bei trockenem Wetter ein Flohmarkt der Obdachlosenhilfe statt. Außerdem befindet sich im Anbau das spät Café, das zweimal in der Woche Obdachlose mit Getränken und warmen Essen versorgt.[5]
  • Hier amtierte u. a. der Pfarrer und Orientalist Gustav Diettrich (1869–1947).
  • Horst Fritzsche: Wegweiser zu Berlins Straßennamen. Tiergarten. 2. Aufl. Edition Luisenstadt, Berlin 1994, ISBN 3-89542-054-9, S. 178.
  • Matthias Hoffmann-Tauschwitz: Wege zu Berliner Kirchen. Vorschläge zur Erkundung kirchlicher Stätten im Westteil Berlins. Wichern-Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-88981-031-4, S. 47.
  • Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Auflage. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 270 f.
  • Ulrike Schilling: „Mehr denn je thut die thätige Liebe noth“. Die evangelische Heilands Kirchengemeinde in Moabit von 1892 bis 1945. Evangelische Heilandskirchengemeinde Moabit, Berlin 1992; kgmoabit-west.de (PDF; 3 MB).
Commons: Heilandskirche – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Roland Eberlein (Hg.): Hermann Mund Sammlung Orgeldispositionen Heft A. (walcker-stiftung.de [PDF; abgerufen am 24. Februar 2024] Disposition Nr. 49).
  2. Nähere Informationen zur Orgel der Heilandskirche
  3. Berlin/Moabit, Heilandskirche (Chororgel) – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 26. Oktober 2022.
  4. Zusammenstellung der nach Berlin und Umgegend gelieferten Geläute; Bochumer Verein, um 1900. Im Archiv der Köpenicker Kirche St. Josef; abgerufen am 6. August 2019.
  5. Termine und weitere Informationen zum Flohmarkt

Koordinaten: 52° 31′ 33,8″ N, 13° 20′ 23,7″ O