Hildebrand Gurlitt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. November 2013 um 12:01 Uhr durch Alinea (Diskussion | Beiträge) (→‎Kunsterwerb in Frankreich für den Sonderauftrag Linz). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hildebrand Gurlitt (* 15. September 1895 in Dresden; † 9. November 1956 in Düsseldorf) war ein deutscher Kunsthistoriker und Kunsthändler. Er war Leiter des König-Albert-Museums in Zwickau und des Kunstvereins in Hamburg. Während der Zeit des Nationalsozialismus musste er als Kunsthändler arbeiten. Dabei war er einerseits damit beauftragt, die aus deutschen Museen beschlagnahmte sogenannte Entartetete Kunst (avantgardistische Kunst oder Kunst, die von jüdischen Malern stammte) ins Ausland zu verkaufen. Zum anderen war Gurlitt nach Beginn des Zweiten Weltkriegs als einer der Haupteinkäufer für das Hitlermuseum in Linz am nationalsozialistischen Kunstraub vorwiegend in Frankreich beteiligt.

Leben

Familie

Hildebrand Gurlitt stammte aus Dresden. Sein Vater war der Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt, sein Großvater der Landschaftsmaler Louis Gurlitt. Einer seiner Brüder war der Musikwissenschaftler Wilibald Gurlitt, ein Cousin Hildebrand Gurlitts war der Kunsthändler Wolfgang Gurlitt.

Hildebrand Gurlitt heiratete 1923 die Tänzerin Helene („Lena“) Hanke († 1968), bekannt unter dem Bühnennamen „Bambula“, eine der ersten Schülerinnen von Mary Wigman.[1] Mit ihr hatte er den Sohn Cornelius (* 1932 in Hamburg) und eine Tochter Nicoline Benita Renate (* 1935 in Hamburg, † vermutlich 2012[2]).[3][4][5]

Ausbildung

Er studierte Kunstgeschichte, zunächst an der TU Dresden, ab 1919 an der Humboldt-Universität zu Berlin und dann an der Universität Frankfurt am Main. Dort wurde er 1924 mit einer Dissertation über die Baugeschichte der Katharinenkirche Oppenheim bei Rudolf Kautzsch zum Dr. phil. promoviert.

Museumsdirektion – Einsatz für avantgardistische Kunst

Museum in Zwickau

Vom 1. April 1925 bis 1. April 1930 leitete Gurlitt das am 23. April 1914 eingeweihte König-Albert-Museum in Zwickau. Dieses städtische Museum war zur Unterbringung der Ratsschulbibliothek, der 1868 gestifteten Mineraliensammlung, der Handschriften des Ratsarchivs und der Kunstgegenstände im Besitz der Stadtgemeinde sowie der Sammlung des Altertumsvereins errichtet worden. Gurlitt war der erste hauptamtliche Direktor des Museums, seine Berufung sollte der Beginn des zielgerichteten Aufbaus einer modernen Kunstsammlung werden. Er legte den Schwerpunkt auf Werke avantgardistischer zeitgenössischer Maler und veranstaltete zahlreiche Ausstellungen.[6]

So präsentierte er 1925 gleich nach seiner Berufung Werke von Max Pechstein in einer großen Ausstellung, von der er auch Werke für das Museum erwarb. 1926 standen Käthe Kollwitz und das junge Dresden im Mittelpunkt, 1927 wurden Werke von Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff gezeigt und 1928 wurde eine Ausstellung Emil Nolde gewidmet. Gleichzeitig war Gurlitt an Werken der Maler Kokoschka, Emil Nolde, Lovis Corinth, Max Liebermann, Max Slevogt, Ernst Ludwig Kirchner, Otto Dix, Lyonel Feininger, Paul Klee und Wassily Kandinsky.[7] Mit zahlreichen Künstlern seiner Zeit stand Gurlitt in engem persönlichen Kontakt, so beispielsweise auch mit Ernst Barlach.

Gurlitt ließ vom Bauhaus in Dessau das Zwickauer Museum gestalten und ausmalen; diese Neugestaltung, die 1926 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, fand überregionalen Beifall. Die finanzielle Ausstattung des Museums waren sehr bescheiden. Daher verkaufte Gurlitt gelegentlich ein traditionelles Werk aus dem 19. Jahrhundert. Das und die Propagierung moderner Kunst rief den zunehmenden Widerstand konservativer Kreise in Zwickau hervor. Besonders tat sich hier die Ortsgruppe Zwickau des Kampfbundes für deutsche Kultur hervor. Kampagnen gegen die von Gurlitt bevorzugt angeschaffte moderne Kunst führten am 1. April 1930 zu seiner Entlassung. Offiziell wurden die finanziellen Engpässe der Stadt Zwickau angegeben. Danach verschlug es Gurlitt nach Hamburg. Er war von Mai 1931 bis zum 14. Juli 1933 Leiter des Kunstvereins in Hamburg.[8]

Zeit des Nationalsozialismus

Das Bild Zwei weibliche Halbakte von Otto Mueller ging durch Gurlitts Hände und wurde 1999 gemäß der Washingtoner Erklärung den Erben von Ismar Littmann restituiert. Es konnte für das Museum Ludwig erworben werden.

Entlassung als Leiter des Kunstvereins

Gurlitt verlor seine Anstellung in Zwickau nicht nur wegen seines Engagements für die damals verfemte moderne Kunst und wegen Geldmangels der Stadt, sondern auch wegen seiner nicht rein „arischen“ Herkunft. Seine Großmutter Elisabeth Gurlitt war eine Schwester der Schriftstellerin Fanny Lewald, sie kam aus einer jüdischen Familie.

Auch in Hamburg machten die Nationalsozialisten Front gegen Gurlitts Auffassung von Kunst. Der Hamburger Kunstverein fördere den internationalen und bolschewistischen Kunstkurs ließ der nationalsozialistische Bildhauer und hohe Funktionär des Kampfbundes für deutsche Kultur Ludolf Albrecht verlauten, der am 5. März 1933 zum Beauftragten des schon gleichgeschalteten Reichsverbandes bildender Künstler Deutschlands Gau Nordwestdeutschland ernannt wurde. Gurlitt konnte im April 1933 – mit zeitweiliger Rückendeckung des seit dem 8. März amtierenden nationalsozialistischen Ersten Bürgermeisters Hamburgs, Carl Vincent Krogmann –, noch eine Ausstellung moderner italienischer Kunst machen, in der er auch moderne deutsche Werke unterbrachte. Aber die Pressionen wurden bald zu stark, weil unter anderem Gurlitts Förderer Krogmann, der moderner Kunst nicht abhold war, eigene nationalsozialistische Ziele verfolgte und den Schutz Gurlitts aufgab. Krogmann begann, den Kunstverein gleichzuschalten. Gurlitt wurde am 14. Juli 1933 gezwungen, von seinem Amt zurückzutreten. Sein Nachfolger wurde der gute Bekannte des Hamburger Gauleiters Karl Kaufmann, Friedrich Muthmann.[9]

Kunsthändler in Hamburg

Nach seiner Entlassung machte sich Gurlitt in Hamburg mit der Firma Kunstkabinett Dr. H. Gurlitt als Kunsthändler selbstständig. Die Geschäftsräume befanden sich kurzzeitig in der Klopstockstraße 35 und dann bis zur Zerstörung des Hauses im Zweiten Weltkrieg in der Alten Rabenstraße 6 in Hamburg-Rotherbaum.[10] Gurlitt war sehr erfolgreich. Er bot beste, international angesehene Kunst älterer und jüngerer Meister an, aber unter der Hand auch „entartetete“. [11]Da der Handel mit entarteter Kunst verboten war, wickelte Gurlitt diese Geschäfte in einem Kellerraum ab, damit niemand Kenntnis von den illegalen Vorgängen erhielt.

1937 kam es zu einem Eklat um eine Ausstellung von Bildern von Franz Radziwill. Der NS-Studentenbund wandte sich gegen den Professor Wilhelm Niemeyer von der Kunsthochschule, der den Eröffnungsvortrag gehalten hatte. In diesem Zusammenhang wurde Gurlitt die Schließung seiner „Bude“ angedroht. Parteioffizielle ließen erkennen, dass sie von Gurlitts jüdischer Großmutter wussten. Damit war war nicht nur seine Kunsthandlung bedroht sondern auch seine eigene Existenz, da er als Mischling galt. Da die Mächtigen in Hamburg aber einträgliche Geschäfte mit ihm abwickelten und sich später auch seiner Kenntnisse bei Erwerbungen aus Raubkunst bedienten, wurden die Vorwürfe nie offiziell und öffentlich erhoben.[12]

Noch 1937 versuchte Gurlitt Hans Barlach für die Ausgestaltung des Tympanons der Hamburger Petrikirche zu gewinnen,[13] was Barlach allerdings ablehnte, um seine Mäzene wie Hermann F. Reemtsma nicht in Ungelegenheiten zu bringen. Auch einen Taufstein für die Johanneskirche in Hamm wollte Gurlitt von Barlach entwerfen lassen.[13] 1942 gab er seinen Hamburger Wohnsitz auf und zog nach Dresden.[14]

Handel mit beschlagnahmter „Entarteter Kunst“

Louis Marcoussis: Grappe de raisins (Die Weintraube), gehandelt durch Hildebrand Gurlitt (nach Beschlagnahme 1937).[15]

Die Beschlagnahme der Kunstwerke der „Entarteten“ Kunst wurde durch das Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai 1938 gerechtfertigt. Dieses verfügte, dass entsprechende Kunstwerke ohne Entschädigung zu Gunsten des Reiches eingezogen werden könnten, soweit sie sich vorher im Eigentum von Reichsangehörigen oder inländischen juristischen Personen befunden hatten. Ein Teil dieser Kunstwerke wurde verbrannt. Kunstwerke, von denen man annahm, sie gegen Devisen ins Ausland verkaufen zu können, wurden im Schloss Schönhausen gesammelt.

Für den Verkauf, „Verwertungsaktion“ genannt, wurde vier Kunsthändler bestimmt, zu denen neben Karl Buchholz, Ferdinand Möller und Bernhard A. Böhmer auch Hildebrand Gurlitt zählte. Die Verkaufs- und auch Tauschgeschäfte fanden in den Jahren 1938 bis 1941 statt.[16][17] Nach Erkenntnissen, die Meike Hoffmann bei ihrer Erforschung der Tätigkeit Bernhard A. Böhmers gewann, habe Gurlitt dabei zwar Werke auf Papier sowie Gemälde, aber keine Bildwerke (Skulpturen und Plastiken) aus dem Beschlagnahmegut übernommen.[18]

Der Verbleib vieler Kunstgegenstände, die damals den Besitzer wechselten oder im Keller des Propagandaministeriums eingelagert wurden, blieb ungeklärt.[19]

Gurlitt verkaufte beschlagnahmte Werke auch an inländische Sammler. Davon profitierte unter anderem die Sammlung Sprengel. Zu den Erwerbungen, die Bernhard und Margit Sprengel auf diesem Weg tätigten, gehörte etwa Karl Schmidt-Rottluffs Marschlandschaft mit rotem Windrad.[20]

Kunsterwerb in Frankreich für den Sonderauftrag Linz

1943 ernannte der neue Chef des Sonderauftrages Linz Hermann Voss Gurlitt zu seinem Haupteinkäufer in Frankreich. Damit stieg Gurlitt zu einem einflussreichen Akteur des Sonderauftrages Linz auf.[21]

Im besetzten Frankreich waren verschiedene Organisationen mit dem Raub von Kunst beschäftigt, die Juden, Freimaurern und von den NS-Behörden als Staatsfeinde eingeschätzten Personen gehörten. Die Juden wurden dabei in Sammellager in Frankreich verbracht und dann in Vernichtungslager im Osten abtransportiert. Zu diesen Rauborganisationen gehörten die Mitarbeiter der französischen Beschaffungsabteilung der Kunstsammlung Göring, an ihrer Spitze der Kunsthistoriker Bruno Lohse, gleichzeitig stellvertretender und zeitweise alleiniger Leiter der Pariser Filiale des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg, die deutsche Botschaft in Paris, das Sonderkommando Künsberg des Auswärtigen Amtes und der Sonderauftrag Linz sowie das Vorhaben, die napoleonische Beute aus den Jahren 1806 zurückzuholen. Auch die Abteilung Kunstschutz der deutschen Besatzungsverwaltung beteiligte sich zeitweise am Kunstraub, in dem sie Kunstgegenstände aus jüdischen Besitz beschlagnahmte und an den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg übergab.[22] Dabei wurden beschlagnahmte Werke, die von den großen Rauborganisationen nicht benötigt wurden, teilweise an den Kunsthandel in Paris abgegeben. Daher waren geraubte Kunstwerke teilweise auch im normalen Handel zu erstehen.

Nachkriegszeit

Beeidigte Erklärung vom 10. Juni 1945

Nach der „Dresdner Bombennacht“ im Februar 1945 lebte die Familie zeitweise bei seiner Mutter in Possendorf bei Dresden.[23] Von dort floh Gurlitt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern und kam am 25. März 1945 mit einem Lastkraftwagen auf dem Schloss von Freiherr Gerhard von Pölnitz, den er aus Berlin kannte, in Aschbach bei Bamberg an.[23][24] Dort wurde er von der US-Armee aufgegriffen und unter Hausarrest gestellt.[25]

Nach Gurlitts beeidigter Aussage hatte er auf dem Lastwagen Kisten mit Kunstwerken aus seinem Besitz transportiert, die er zuvor an verschieden Orten in Sachsen deponiert hatte.[23] Die Kisten wurden von der Spezialeinheit Monuments, Fine Arts, and Archives Section beschlagnahmt, zunächst nach Bamberg gebracht und dann im Wiesbaden Central Collecting Point verwahrt. Hildebrandt Gurlitt blieb zunächst in Aschbach und wohnte im Forsthaus des Schlosses. Er reiste später hinterher und bemühte sich um die Herausgabe der Bilder, was ihm erst fünf Jahre später, 1950, gelang. Die „Monuments Men“, wie die Spezialeinheit genannt wurde, waren im Wesentlichen daran interessiert, Raubkunst, die aus einem der besetzten Länder nach Deutschland gelangt war, in das jeweilige Herkunftsland rückzuführen - um es dann den Behörden der Herkunftsländer zu überlassen, sich mit der Einzelrestitution zu beschäftigen.[26] Anfang Juni 1945 wurde Gurlitt in Aschbach vom US-Leutnant Dwight McKay über seine Rolle als ein Nazi-Kunsthändler befragt. Laut Protokoll dieser Befragung[23] beschrieb Gurlitt, wie er von dem Leiter des Sonderauftrages Linz, Hermann Voss, Anfang 1943 eingestellt worden war, um ihm beim Einkauf von Kunstwerken für das Führermuseum im besetzten Paris zu helfen. Gurlitt stritt jede Beteiligung am Handel mit geraubter Kunst in Frankreich ab. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2013 konzentrierten sich die Ermittlungen der Alliierten nicht auf die „entartete Kunst“, die Moderne, die Hildebrand Gurlitt mit offizieller Erlaubnis der Nationalsozialisten im Ausland gehandelt hatte, sondern auf Werke mit französischer Provenienz. Werke von Courbet, Oudry und Degas, die alle angeblich legal im Pariser Kunsthandel 1942 erworben worden waren, sollen einen Verdacht auf Raubkunst nahegelegt haben.[27]

In der Nachkriegszeit durchlief Gurlitt ein Entnazifizierungsverfahren. Gemäß seiner Spruchkammerakte gab Gurlitt für 1943 ein steuerpflichtiges Einkommen von 178.000 Reichsmark an und für 1945 ein Vermögen von 300.000 Reichsmark. Die prüfenden Behörden ermittelten dagegen für 1945 ein Vermögen von 450.000 Reichsmark.[28] Die Rehabilitierung gelang durch einen Freispruch der Spruchkammer Bamberg-Land im Juni 1948,[28] weil er seine jüdische Herkunft, seine Nichtzugehörigkeit zu NS-Organisationen und seinen Einsatz für die Kunst der Moderne geltend machen konnte. Ein Entlastungszeuge war unter anderem Max Beckmann.[28] 1947 nahm Gurlitt seine Kontakte zu anderen Kunsthändlern wieder auf und versuchte dabei offenkundig, seine Kenntnisse über den Verbleib von Kunstwerken in der Nazizeit zu verwerten.[29] Er wurde dann 1948 Leiter des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf.[30]

Hildebrand Gurlitt starb am 9. November 1956 an den Folgen eines Autounfalls.[31]

Leopold Reidemeister hielt am 24. Januar 1957 im Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen eine Rede zum Gedenken an Hildebrand Gurlitt. In Düsseldorf wurde 1965 eine Straße nach Hildebrand Gurlitt benannt.[31]

Sammlung Gurlitt

Liste der 1945 beschlagnahmten Werke aus dem Besitz Hildebrand Gurlitts, Seite 1; Wiesbaden Central Collecting Point (auch mit Werken von Louis Gurlitt)

Hildebrand Gurlitt legte auch privat eine Sammlung von Werken überwiegend der klassischen Moderne an.[32] Teile der Sammlung wurden 1945 in Aschbach von den Alliierten beschlagnahmt und im Wiesbaden Central Collecting Point verwahrt, jedoch 1950 zurückgegeben.[33] 1945/46 gab er das von ihm aus dem Besitz der Hamburger Kunsthalle erworbene Gemälde Wagen in den Dünen von Max Liebermann an diese zurück.[34] 1956 wurden Stücke der Sammlung von Hildebrand Gurlitt im Rahmen der Ausstellung German Watercolors in New York, San Francisco und Cambridge ausgestellt.[35]

Im Februar 2012 wurden 1280 Werke,[36] meist Papierarbeiten, sowie gerahmte Bilder, die zum größten Teil seit der Zeit des Nationalsozialismus verschollen waren, in der Münchner Wohnung von Gurlitts Sohn Cornelius durch Zollfahnder entdeckt und beschlagnahmt. Darunter sollen sich nach Medienberichten etwa 300 Werke befinden, die ab 1937 in deutschen Museen als sogenannte entartete Kunst konfisziert, und weitere 200 Werke, die als NS-Raubkunst gesucht wurden; diese Zahl wurde von der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Von großem Wert sind dabei insbesondere die Werke der Meister der klassischen Moderne: Marc Chagall, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Franz Marc, Henri Matisse und Emil Nolde. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Gurlitt und in den 1960er Jahren seine Witwe die von ihm verwahrten Bilder als im Krieg verbrannt bezeichnet. Die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Berliner Freien Universität ist beauftragt, Herkunft und Wert der Werke zu ermitteln.[37] Der Fund wurde der Öffentlichkeit erst Anfang November 2013 bekannt.

Der österreichische Kunsthistoriker Alfred Weidinger zeigte sich am 6. November 2013 über die angebliche Entdeckung dieser Sammlung verwundert, ihre Existenz und Ausmaße seien allen Kunsthistorikern im süddeutschen Raum bekannt gewesen.[38]

Veröffentlichungen

  • Baugeschichte der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh. Frankfurt, Phil. Diss., 1924.
  • Einführung und Begleittext zum Neudruck nach dem Exemplar in der Preußischen Staatsbibliothek von Peter Paul Rubens, Palazzi di Genova 1622, Berlin 1924. (online)
  • Die Stadt Zwickau. Förster & Borries, Zwickau 1926.
  • Aus Alt-Sachsen. B. Harz, Berlin 1928.
  • Zu Emil Noldes Aquarellen. In: Die Kunst für alle. München 1929, S. 41. (Digitalisat)
  • Die Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh. Urban-Verlag, Freiburg i. Br. 1930.
  • Museen und Ausstellungen in mittleren Städten. In: Das neue Frankfurt, internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung, Frankfurt 1930, S. 146. (online)
  • Neue englische Malerei. In: Die neue Stadt, internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur, Frankfurt am Main 1933, S. 186. (online)
  • Sammlung Wilhelm Buller. Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 1955.
  • Richard Gessner. Freunde mainfränkischer Kunst und Geschichte, Würzburg 1955.

Literatur

  • Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4.
  • Anja Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-0994-0 (zugleich Dissertation, Universität Frankfurt am Main 1999).
  • Michael Löffler: Hildebrand Gurlitt (1895–1956), erster Zwickauer Museumsdirektor. Städtisches Museum Zwickau, Zwickau 1995.
  • Kathrin Iselt: Sonderbeauftragter des Führers: Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969). Köln, Weimar, Wien, Böhlau 2010, ISBN 978-3-41220572-0
  • Isgard Kracht: Im Einsatz für die deutsche Kunst. Hildebrand Gurlitt und Ernst Barlach. In: Maike Steinkamp, Ute Haug (Hrsg.): Werke und Werte. Über das Handeln und Sammeln von Kunst im Nationalsozialismus. (= Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 5) Akademie-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004497-2, S. 41–60.
  • Leopold Reidemeister: In memoriam Dr. Hildebrand Gurlitt: geb. 15. September 1895, gest. 9. November 1956. Gedenkrede, gehalten im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen am 24. Januar 1957. Düsseldorf 1957.
  • Katja Terlau: Hildebrand Gurlitt and the Art trade during the Nazi Period. In: Vitalizing Memory. International Perspectives on Provenance Reasearch. American Association of Museums. Washington 2005, S. 165–171.
  • Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-01369-3, S. 130–155.

Weblinks

Commons: Hildebrand Gurlitt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hedwig Müller: Mary Wigman. Leben und Werk der großen Tänzerin. Hrsg. von der Akademie der Künste Berlin. Quadriga, Weinheim 1986 ISBN 3-88679-148-3, S. 75
  2. Phantom Collector: The Mystery of the Munich Nazi Art Trove, spiegel.de/international, 11. November 2013, abgerufen am 19. November 2013
  3. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 590.
  4. Pressure Mounts to Return Nazi-Looted Art New York Times
  5. Dokument von 1948: Biographical Declaration of Dr. Hildebrand Gurlitt
  6. Kunstsammlungen Zwickau, Geschichte der Sammlung.
  7. Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-01369-3, S. 134.
  8. Dazu ausführlich Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4.
  9. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 102
  10. Mark Nixon: Samuel Beckett’s German Diaries 1936-1937. London/New York 2011, Anm. 15.
  11. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 227.
  12. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 227.
  13. a b Isgard Kracht: Im Einsatz für die deutsche Kunst. Hildebrand Gurlitt und Ernst Barlach. In: Maike Steinkamp, Ute Haug (Hrsg.): Werke und Werte. Über das Handeln und Sammeln von Kunst im Nationalsozialismus. Akademie-Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004497-2, S. 53.
  14. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 591.
  15. Siehe auch: Sophie Lissitzky-Küppers
  16. Meike Hoffmann: Handel mit „entarteter Kunst“. In: Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin: Gute Geschäfte - Kunsthandel in Berlin 1933–1945, Berlin 2011, ISBN 978-3-00-034061-1, S. 144–145.
  17. Ruth Heftrig, Olaf Peters, Ulrich Rehm (Hrsg.): Alois J. Schardt. Ein Kunsthistoriker zwischen Weimarer Republik, „Drittem Reich“ und Exil in Amerika (= Schriften zur modernen Kunsthistoriographie, Band 4). Akademie-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-05-005559-6, S. 98.
  18. Meike Hoffmann (Hrsg.) Ein Händler „entarteter“ Kunst: Bernhard A. Böhmer und sein Nachlass. Akademie-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-05-004498-9. (= Schriften der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 3.), S. 211.
  19. Datenbank „Entartete Kunst“ der FU Berlin
  20. Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-01369-3, S. 142–149.
  21. Kathrin Iselt: Sonderbeauftragter des Führers: Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969). Böhlau, Köln 2010, ISBN 978-3-41220572-0. S. 289
  22. Anja Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-0994-0, S. 116.
  23. a b c d Beeidigte Erklärung von Dr. H. Gurlitt vom 10. Juni 1945, PDF, 11 Seiten
  24. Amerikaner hatten Liste der Gurlitt-Gemälde, mdr.de, 8. November 2013
  25. ALIU LIST OF RED FLAG NAMES, Art Looting Intelligence Unit (ALIU) Reports 1945-1946, Volltext auf lootedart.com
  26. Münchener Kunstfund ist „politisches Problem der Bundesregierung“ in Deutschlandradio, 8. November 2013, abgerufen am 9. November 2012
  27. Ira Mazzoni: Die Gurlitt-Collection. sueddeutsche.de, 7. November 2013, abgerufen am 7. November 2013.
  28. a b c Coburger Tageblatt:NS-Galerist: Akte in Coburg. 9./10. November 2013.
  29. Daniela Wilmes: Wettbewerb um die Moderne. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945. Akademie-Verlag, Berlin 2012, ISBN 3-05-005197-3, S. 174–175.
  30. Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-01369-3, S. 154.
  31. a b www.faz.net, 11. November 2013
  32. Vanessa-Maria Voigt: Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-01369-3, S. 138–139 mit Details.
  33. Süddeutsche Zeitung vom 6. November 2013: Alliierte beschlagnahmten Gurlitt-Werke nach Kriegsende; [http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/muenchner-kunstfund-gurlitts-liste-12651927.html Liste der Bilder aus dem US-National Archive.
  34. Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im „Dritten Reich“. Dölling und Galitz, München 2001, ISBN 3-933374-94-4, S. 591.
  35. German watercolors, drawings and prints [1905-1955]. A midcentury review, with loans from German museums and galleries and from the collection Dr. H. Gurlitt. American Federation of Arts, New York 1956.
  36. Pannenserie Zu viele Fragen sind offen br.de, 20. November 2013, abgerufen 20. November 2013
  37. Kunstfund in München. Münchner Kunstfund enthält bislang unbekannte Werke. In: zeit.de, 5. November 2013.
  38. Kurier vom 6. November 2013