Kämpfe um Tschassiw Jar

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Kämpfe um Tschassiw Jar
Teil von: Russisch-Ukrainischer Krieg
Datum seit 4. April 2024
Ort Tschassiw Jar
Ausgang
Konfliktparteien

Russland Russland

Ukraine Ukraine

Truppenstärke

20.000 bis 25.000 (Angaben des ukr. Heeres, 22. April 2024)[5]

Die Kämpfe um Tschassiw Jar sind die seit April 2024 laufenden Gefechte um die ukrainische Stadt Tschassiw Jar in der Oblast Donezk im Russisch-Ukrainischen Krieg.

Hintergrund und strategische Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Kriegsziel der russischen Föderation ist die vollständige Einnahme des Donezbeckens (auch Donbas genannt), d. h. die Oblaste Donezk und Luhansk, die sie bereits im Jahr 2022 annektierte.[6]

Seit der russischen Einnahme der Stadt Awdijiwka im Februar 2024 gilt Tschassiw Jar als nächstes Angriffsziel der russischen Streitkräfte.[6][1]

Tschassiw Jar liegt 10 Kilometer westlich der im Mai 2023 von russischen Truppen eroberten Stadt Bachmut und somit zwischen Bachmut und der westlich von Tschassiw Jar gelegenen Stadt Kostjantiniwka, die zusammen mit Kramatorsk die regionalen Zentren des westlichen Teils der Oblast Donezk bilden, die unter ukrainischer Kontrolle sind.

Tschassiw Jar liegt auf einer Anhöhe – was ein strategischer Vorteil für die Kriegspartei ist, die sie hält. Sie diente sie den ukrainischen Streitkräften während der Schlacht um Bachmut als Sammelpunkt und als Artillerieposten.[6][7] Außerdem befindet sich östlich vor Tschassiw Jar ein Kanal, der de facto ein Panzergraben ist und somit demjenigen ein Vorteil ist, der die Stadt hält.[8]

Das ukrainische Militär prognostizierte im April 2024, dass Russland bis zum 9. Mai (dem Tag des Sieges) Tschassiw Jar erobert haben wolle.[9][10]

Nach Einschätzung des österreichischen Offiziers und Historikers Markus Reisner versuchen die ukrainischen Streitkräfte die russischen Vorstöße bei Tschassiw Jar so lange wie möglich zu verzögern, um die hinter der Stadt liegenden Verteidigungsstellungen weiter auszubauen.[8]

Der russische Vormarsch nach der Eroberung von Bachmut bis an den Stadtrand jener Kleinstadt von weniger als sechs Kilometern hatte ein Jahr gedauert, dies lag unter anderem am schwierigen Gelände, wie z. B. zahlreichen Seen und der Anhöhe. Beobachter wiesen darauf hin, dass die Stadt sowie direkte Umgebung möglicherweise weniger gut verteidigt seien als bisher angenommen, demnach seien am 4. April russische Panzerfahrzeuge auf keine Minen gestoßen, was es ihnen ermöglicht habe, den Ostteil der Stadt zu erreichen.[11]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab der Jahreswende 2023/2024 begannen die russischen Streitkräfte Tschassiw Jar intensiver zu beschießen. In jenen Monaten bis April 2024 wurden die Verteilstelle für Hilfsgüter und das Stadttheater, in dem sich Hilfsorganisationen eingerichtet hatten, durch russischen Beschuss zerstört. Bei dem Beschuss der Stadt setzten die russischen Streitkräfte unter anderem Gleitbomben ein. Die ukrainische Luftabwehr ist laut Reportage der Neuen Zürcher Zeitung bei Tschassiw Jar zu ausgedünnt, um den Beschuss zu neutralisieren. Im Frühjahr 2024 befanden sich noch etwa 800 der vor Kriegsbeginn 12.000 Einwohner in der Stadt.[6] Nach Angaben des Bürgermeisters Sergiy Chaus gab es in Tschassiw Jar im Frühjahr 2024 „kein einziges intaktes Haus“ mehr.[12]

Am 29. Februar wurden von der Ukraine Kämpfe um Tschassiw Jars Nachbarorte Iwaniwske und Bohdaniwka gemeldet.[13]

Als Beginn der Kämpfe um Tschassiw Jar kann der 4. April 2024 betrachtet werden, als erstmals von beiden Kriegsparteien Kämpfe am äußersten Rand eines Vororts gemeldet wurden.[14][15][16][17] Das Institute for the Study of War hatte noch am selben Tag berichtet, dass die russischen Streitkräfte bis an den östlichen Rand von Tschassiw Jar vorgedrungen waren und sie dort auf ukrainischen Widerstand trafen.[18] Laut der ukrainischen Armee setzten die russischen Streitkräfte dabei „von gepanzerten Kampffahrzeugen unterstützte Infanterie“ und Kampfjets ein.[19]

Weil die Intensität und Bedeutung des Drohnenkriegs im Russisch-Ukrainischen Krieg im Sommer 2023 zunahm, konnten ukrainische Panzerbesatzungen eigener Aussage zufolge in der Umgebung von Tschassiw Jar nicht mehr (anders als angeblich noch während der Schlacht um Bachmut) tagsüber und nahe feindlicher Stellungen operieren. Russland setzt bei Tschassiw Jar mitunter Drohnen ein, die Mobilfunkantennen simulieren, weshalb sich nicht im Flugzeugmodus befindende Mobiltelefone mit ihnen verbinden und ihre Standorte an die Drohnen weitergeben.[6]

Am 19. April behauptete der ukrainische Militäranalyst Kostyantyn Mashovets, dass die russischen Streitkräfte aus drei Gegenden östlich von Tschassiw Jar aus versuchen, der Stadt näherzukommen: 1. von Bohdaniwka-Kalyniwka aus, 2. entlang der Autobahn T0504 (von Bachmut aus) und 3. von Iwaniwske-Klischtschijiwka aus.

Am 21. April 2024 behauptete das russische Verteidigungsministerium, dass Bohdaniwka eingenommen wurde.[20]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Cristian Segura (Special Correspondent): Ruins and corpses among the howitzers: Russia prepares its next great siege in eastern Ukraine. 20. Februar 2024, abgerufen am 5. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  2. a b Ukraine reports heavy battles in Bakhmut direction as Russia pulls in reserves. 27. Februar 2024, abgerufen am 6. April 2024 (englisch).
  3. David Axe: As Ukraine’s Missiles Run Low, Russian Attack Pilots Are Pushing Closer To The Front Line—And Rocketing Ukrainian Troops. Abgerufen am 16. April 2024 (englisch).
  4. Barbara WOJAZER: Ukraine Faces Key Battle In Chasiv Yar, A ‘Door’ To Donbas. Abgerufen am 16. April 2024 (amerikanisches Englisch).
  5. Military: Over 20,000 Russian troops trying to storm Chasiv Yar, outskirts. 22. April 2024, abgerufen am 23. April 2024 (englisch).
  6. a b c d e Eine ostukrainische Kleinstadt stellt sich Putins Feldzug in den Weg. Reportage aus dem Bollwerk des Donbass. In: Neue Zürcher Zeitung. 5. April 2024, abgerufen am 6. April 2024.
  7. RFE/RL: Bloodied And Muddied: Ukrainian Troops Fighting For Bakhmut Regroup In Chasiv Yar. In: RadioFreeEurope/RadioLiberty. 9. März 2023 (rferl.org [abgerufen am 11. April 2023]).
  8. a b berliner-zeitung.de: Nicolas Butylin: „Es kann schnell zu einem Dammbruch kommen“ – Oberst aus Österreich zur Lage in der Ukraine. 14. April 2024, abgerufen am 16. April 2024.
  9. Russland plant Einnahme von Tschassiw Jar bis 9. Mai. In: focus.de. 15. April 2024, abgerufen am 16. April 2024.
  10. Russische Angriffe westlich von Bachmut: Ukrainischer Verteidigungsminister bezeichnet Lage an Ostfront als „angespannt“. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 16. April 2024]).
  11. Lage in der Ukraine: Im Osten droht eine Niederlage. In: Die Zeit. 19. April 2024, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 21. April 2024]).
  12. Tschassiw Jar: Darum will Russland unbedingt diese ukrainische Stadt erobern. 8. April 2024, abgerufen am 16. April 2024.
  13. Russians want to capture Chasiv Yar, fighting in Ivanivske and Bohdanivka ongoing – Ukrainian Armed Forces. In: newsukraine.rbc.ua. Abgerufen am 6. April 2024 (englisch).
  14. Russen rücken im Osten auf nächste Stadt vor. In: n-tv NACHRICHTEN. Abgerufen am 5. April 2024.
  15. Strategisch wichtiger Ort nahe Bachmut: Russische Truppen rücken offenbar weiter bei Tschassiw Jar vor. In: Der Tagesspiegel Online. 5. April 2024, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 5. April 2024]).
  16. Verheerender Angriff Russlands im Ukraine-Krieg – US-Botschafterin kritisiert „schreckliches Muster“. In: Frankfurter Rundschau. 5. April 2024, abgerufen am 5. April 2024.
  17. Ukraine-Krieg - Heftige Kämpfe um die Stadt Tschassiw Jar im Osten. In: deutschlandfunk.de. Abgerufen am 5. April 2024.
  18. Russian Offensive Campaign Assessment, April 4, 2024. In: ISW. 4. April 2024, abgerufen am 6. April 2024 (englisch).
  19. tagesschau.de: Ukraine-Liveblog: Ukrainisches Militär nennt Lage bei Tschassiw Jar „schwierig“. Abgerufen am 7. April 2024.
  20. Russland meldet Eroberung von Dorf nahe Frontstadt Tschassiw Jar. In: tagesschau.de. 21. April 2024, abgerufen am 21. April 2024.