Karl Thieme (Historiker)

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Karl Otto Thieme (* 25. Mai 1902 in Leipzig; † 26. Juli 1963 in Basel) war ein deutscher Historiker und Politologe.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Thieme wurde als Sohn des Theologen Karl Thieme senior geboren. Sein Bruder war der Rechtshistoriker Hans Thieme. Er besuchte in Leipzig ab 1912 das Königin-Carola-Gymnasium, das er 1921 mit dem Reifezeugnis verließ.[1] Anschließend studierte er bis 1926 Philosophie, Geschichtswissenschaft und Jura an den Universitäten von Leipzig, Basel und Berlin. Bereits 1924 promovierte er unter seinem Lehrer Hans Driesch über das Thema Schopenhauers Metaphysik in ihrem Verhältnis zur Kantischen Transcendentalphilosophie. Ab 1927 war Karl Thieme Dozent an der Berliner Hochschule für Politik. Von 1931 bis 1933 war er Professor für Geschichte und Staatsbürgerkunde an der Pädagogischen Akademie in Elbing. 1933 wurde er wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus aus dem Amt entfernt. Er schrieb für die von katholischen und evangelischen Jugendlichen vielgelesene Zeitschrift Junge Front. Wochenzeitung ins deutsche Jungvolk, die andere Themen ansprach als die HJ-Presse und deren Auflage bis zum Verbot im Januar 1936 von 30.000 auf 330.000 Exemplare stieg.[2] 1934 konvertierte er zum Katholizismus. 1935 musste er in die Schweiz emigrieren. Gemeinsam mit Waldemar Gurian verfasste er 1937 eine Denkschrift mit dem Titel „Die Kirche Christi und die Judenfrage“, die alle Christen, besonders aber den Papst und die römische Kurie dazu aufrief, gegen den zeitgenössischen Antisemitismus und die Judenverfolgung in Deutschland öffentlich Stellung zu beziehen.[3] Seit 1943 war er heimatberechtigt in Läufelfingen, Kanton Basel-Landschaft.

Seit 1947 war er Gast-, seit 1953 ordentlicher Professor für Europäische Geschichte, Philosophie und Deutschtumskunde am Auslands- und Dolmetscherinstitut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim. Er war seit 1948 Mitherausgeber des Freiburger Rundbriefes.[4] Mit Ernst Ludwig Ehrlich prägte er die christlich-jüdische Verständigung dieser Jahre. Er pflegte internationale Kontakte zu jüdischen Persönlichkeiten und christlich-jüdischen Gesellschaften und war Berater für religiöse Angelegenheiten beim Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. In Mainz war Thieme ab 1953 als ordentlicher Professor tätig. Von 1954 bis 1963 war er Direktor des Auslands- und Dolmetscherinstituts, anschließend war er stellvertretender Direktor. Seit 1980 besteht in der jüdischen Nationalbibliothek in Jerusalem ein Karl-Thieme-Archiv.[5]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das alte Wahre. Eine Bildungsgeschichte des Abendlandes. Leipzig 1934.
  • Christliche Bildung in dieser Zeit. Verlagsanstalt Benziger, Einsiedeln 1935.
  • Gott und die Geschichte. 10 Aufsätze zu den Grundfragen der Theologie und der Historik. Verlag Herder, Freiburg i.Br. 1948.
  • Beiträge zur Geschichte des Dolmetschens (mit Edgar Glässer und Alfred Hermann). München 1956.
  • Biblische Religion heute. Heidelberg 1960.
  • Dreitausend Jahre Judentum. Quellen und Darstellungen zur jüdischen Geschichte. Paderborn 1960.
  • (Hrsg.): Judenfeindschaft. Darstellung und Analysen. Fischer Bücherei des Wissens, Frankfurt am Main 1963.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Elias H. Füllenbach: Das katholisch-jüdische Verhältnis im 20. Jahrhundert. Katholische Initiativen gegen den Antisemitismus und die Anfänge des christlich-jüdischen Dialogs in Deutschland. In: Reinhold Boschki, Albert Gerhards (Hrsg.): Erinnerungskultur in der pluralen Gesellschaft. Neue Perspektiven für den christlich-jüdischen Dialog (Reihe Studien zu Judentum und Christentum). Schöningh, Paderborn 2010, S. 143–163.
  • Andreas Renz: „Erziehung zur Ehrfurcht vor Israel“. Karl Otto Thieme als Wegebereiter des christlich-jüdischen Dialogs. In: Petrus Bsteh, Brigitte Proksch (Hrsg.): Wegbereiter des interreligiösen Dialogs. Bd. 2. LIT, Münster 2018, S. 187–208.
  • Thieme, Karl Otto, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, S. 1161f.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Johann Hauptmann: Alphabetisches Verzeichnis ehemaliger Carolaner, in: Fünfundzwanzig Jahrfeier des Königin Carola Gymnasiums in Leipzig 1927, Leipzig 1927, S. 34.
  2. Lawrence D. Walker: Rezension des Buches Die Wochenzeitung Junge Front/Michael. Eine Studie zum katholischen Selbstverständnis und zum Verhalten der jungen Kirche gegenüber dem Nationalsozialismus von Klaus Gotto. In: The Catholic Historical Review, Jg. 59 (1973), No. 1, S. 128–129, hier S. 128.
  3. Elias H. Füllenbach: Die Kirche Christi und die Judenfrage (1937), in: Handbuch des Ant|isemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 6: Publikationen, hrsg. von Wolfgang Benz, Berlin / Boston 2013, S. 400–403.
  4. Elias H. Füllenbach: "Freunde des alten und des neuen Gottesvolkes"". Theologische Annäherungen an das Judentum nach 1945, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 32 (2013), S. 235–252.
  5. Manuela Nipp: Biographie Karl Thieme. In: personenlexikon.bl.ch. Abgerufen am 25. Mai 2020.