Die allgemeine Lösung dieser Differentialgleichung lautet
mit den beiden linear unabhängigen Funktionen und . Man bezeichnet die Legendre-Polynome daher auch als Legendre-Funktionen 1. Art und als Legendre-Funktionen 2. Art, denn diese sind keine Polynome mehr.
Darüber hinaus existiert noch eine verallgemeinerte Legendresche Differentialgleichung, deren Lösungen zugeordnete Legendrepolynome heißen.
Das -te Legendre-Polynom hat den Grad und ist aus , d. h., es hat rationale Koeffizienten. Für die Legendre-Polynome gibt es mehrere Darstellungsformen.
Für ein Intervall und eine darauf gegebene Gewichtsfunktion ist eine Folge von reellen Polynomen orthogonal, wenn sie die Orthogonalitätsbedingung
für alle mit erfüllt.
Für das Intervall zusammen mit der einfachsten aller Gewichtsfunktionen können solche orthogonalen Polynome mit Hilfe des Gram-Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens ausgehend von den Monomen iterativ erzeugt werden. Die Legendre-Polynome ergeben sich, wenn dabei zusätzlich gefordert wird.
Für die Legendre-Polynome gelten folgende Rekursionsformeln:
Die erste rekursive Formel lässt sich mittels der Substitution in folgender, häufig zu findender Weise darstellen:
Durch Anwendung der Ableitungsregel für Ausdrücke der Art mit , bzw.
ergibt sich folgende rekursive Darstellung der Legendre-Polynome, welche auch die Ableitungen dieser Polynome berücksichtigt:
Die Anfangsbedingungen lauten und .
Bei ergibt sich wiederum die weiter oben angegebene Formel mit ihren Anfangsbedingungen.
Man betrachte den Hilbertraum der quadratintegrierbaren auf definierten reellwertigen Funktionen ausgestattet mit dem Skalarprodukt
.
Die Familie der Legendre-Polynome bildet auf ein vollständiges Orthogonalsystem, sie sind also ein Spezialfall von orthogonalen Polynomen. Normiert man diese, so bilden sie ein vollständiges Orthonormalsystem auf .
Es gilt
,
wobei das Kronecker-Delta bezeichnet.
Dabei bedeutet die Vollständigkeit, dass sich jede Funktion in der von erzeugten Normtopologie nach Legendre-Polynomen „entwickeln“ lässt:
mit den Entwicklungskoeffizienten
In der physikalischen oder technischen Literatur wird die Vollständigkeit gern wie folgt als Distributionsgleichung geschrieben:
,
wobei die diracsche Delta-Distribution ist.
Eine solche Distributionsgleichung ist immer so zu lesen, dass beide Seiten dieser Gleichung auf Testfunktionen anzuwenden sind.
Wendet man die rechte Seite auf eine solche Testfunktion an, so erhält man .
Zur Anwendung der linken Seite muss man definitionsgemäß mit multiplizieren und anschließend über integrieren. Dann erhält man aber genau obige Entwicklungsformel (mit an Stelle von ).
Orthogonalität und Vollständigkeit lassen sich daher kurz und prägnant wie folgt schreiben:
Orthogonalität: für .
Vollständigkeit: für alle (im Sinne der -Konvergenz).
hat auf dem Intervall genau einfache Nullstellen. Sie liegen symmetrisch zum Nullpunkt der Abszisse, da Legendre-Polynome entweder gerade oder ungerade sind. Zwischen zwei benachbarten Nullstellen von liegt genau eine Nullstelle von . In welchem Verhältnis eine Nullstelle von das Intervall zwischen zwei Nullstellen von teilt, oder auch umgekehrt bis auf die äußeren von , ist dabei sehr variabel.
Die Bestimmung der Nullstellen der Legendre-Polynome ist in der numerischen Mathematik eine häufige Aufgabe, da sie eine zentrale Rolle bei der Gauß-Legendre-Quadratur oder der unter „Vollständiges Orthogonalsystem“ erwähnten Entwicklung „beliebiger“ Funktionen nach Polynomen spielen. Es gibt zwar zahlreiche Tabellenwerke dafür, aber oft ist ihr Gebrauch mit Unannehmlichkeiten verbunden, weil man für eine flexible Reaktion eine Vielzahl an Tabellen in geeigneten Genauigkeiten vorhalten müsste. Bei der Nullstellensuche ist die Kenntnis des Intervalls nur von beschränktem Wert bei der Wahl eines Iterationsanfangs, zumal auch noch die Kenntnis der Nullstellen eines anderen Polynoms erforderlich ist. Eine mit zunehmendem genauer werdende Näherung der -ten Nullstelle von ist gegeben durch:[1][2]
Für beispielsweise werden so alle Nullstellen auf wenigstens zwei Dezimalstellen genau abgeschätzt, mit Fehlern zwischen und , während das kleinste Nullstellenintervall von nur ist.
Bei sind bereits drei Dezimalstellen sicher, mit Fehlern zwischen und , während die beste Einschachtelung durch nur ist.
Der maximale Schätzfehler für ist nur bei den beiden fünften Nullstellen von außen, deren exakter Betrag mit beginnt.
Mit einem solchen Startwert und den beiden ersten „Rekursionsformeln“ lassen sich mit einem Rechengang sowohl der Funktionswert als auch dessen Ableitung bestimmen. Mithilfe des Newton-Verfahrens lassen sich alle Nullstellen bis auf die beiden äußeren mit mehr als quadratischer Konvergenz finden, da sich die Nullstellen in unmittelbarer Nähe der Wendestellen befinden. Die beiden äußeren Nullstellen konvergieren „nur“ quadratisch, d. h. ein anfänglicher Abstand zur Nullstelle von verkleinert sich nach einer Iteration zunächst auf ungefähr , dann auf und .
Die angegebene Abschätzung ist Teil eines sehr kurzen Algorithmus, die sowohl alle Nullstellen eines Legendre-Polynoms als auch die passenden Gewichte für die Gauß-Legendre-Quadratur liefert.
Die Rekursionsformeln der Legendre-Polynome gelten auch für die Legendre-Funktionen 2. Art, so dass diese sich iterativ mit der Angabe der ersten bestimmen lassen:
Hierbei ist für den Logarithmus der Hauptzweig zu verwenden, wodurch sich Singularitäten bei und in der komplexen Ebene Verzweigungsschnitte[3] entlang und ergeben.
Unter anderem wird das Legendre-Polynom für Simulationen von Kugelsphären verwendet, so zum Beispiel zur Ermittlung des Taylor-Winkels im Taylor-Kegel, welcher beim Elektrospinnen der Geometrie zu Grunde liegt.