Ludwig Prandtl

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Portraitaufnahme von Ludwig Prandtl 1937
Ludwig Prandtl 1904 mit einem Wasserkanal, dem so genannten Prandtl-Kanal zur Visualisierung von Strömungsvorgängen

Ludwig Prandtl (* 4. Februar 1875 in Freising; † 15. August 1953 in Göttingen) war ein deutscher Physiker. Er lieferte bedeutende Beiträge zum grundlegenden Verständnis der Strömungsmechanik und entwickelte die Grenzschichttheorie. Auf ihn geht die Prandtl-Zahl zurück.

Leben

Prandtl wurde als Sohn des Agrarwissenschaftlers Alexander Prandtl und seiner Ehefrau Magdalene Prandtl (geb. Ostermann) geboren. Nach Besuch der Freisinger Lateinschule und des Ludwigsgymasiums in München begann Prandtl 1894 sein Studium an der Technischen Hochschule München. Nach seiner Graduierung wurde er Assistent und später auch der Schwiegersohn des berühmten Mechanikers August Föppl. Seine Dissertation mit dem Titel „Kipp-Erscheinungen, ein Fall von instabilem Gleichgewicht“ reichte er am 14. November 1899 an der Ludwig-Maximilians-Universität München als „geprüfter Maschinen-Ingenieur“ ein. 1900 wurde ihm der Doktorgrad zuerkannt. Anschließend arbeitete er als Ingenieur in der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg an der Entwicklung von Fabrikanlagen. Bei der Arbeit an einer Absauganlage kam er erstmals mit der Strömungstechnik in Berührung.

Er war ab 1902 Professor an der Technischen Hochschule Hannover (heute Gottfried Wilhelm Leibniz Universität) und führte in einem Vortrag beim 3. Internationaler Mathematiker-Kongress im August 1904 die Grenzschicht ein.[1][2]

Durch Unterstützung von Felix Klein lehrte er ab 1. September 1904 an der Georg-August-Universität Göttingen. Von 1906 bis 1908 war Theodore von Kármán sein Doktorand. Aufgrund der von ihm entwickelten Grenzschichttheorie wurde er 1909 auch zum Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA, Vorgängerorganisation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR) ernannt. 1907 erforschte er die Überschallströmung und die dabei entstehenden Stoßwellen, die bereits 1860 von dem Göttinger Mathematiker Bernhard Riemann theoretisch vorhergesagt wurden. 1908 baute er den ersten Windkanal in Deutschland und entwickelte eine Tragflügeltheorie, die den Flugzeugbau beeinflusste. 1910 erforschte er turbulente Strömungen und u.a. den Einfluss der später nach ihm benannten Prandtl-Zahl.

Zusammen mit Max Michael Munk und Albert Betz, der 1936 sein Nachfolger bei der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen wurde, arbeitete er an einer wirksamen Formel zur Untersuchung des Auftriebs. 1919 brachte er eine bedeutsame Tragflügeltheorie hervor, anhand derer es erstmals möglich war, Tragflächenprofile mittels theoretischer Studien zu entwickeln. Prandtl untersuchte auch die Kompressibilität der Luft bei Unterschallgeschwindigkeit, auch als Prandtl-Glauert-Transformation bekannt.

Ab 1920 arbeitet er zusammen mit Adolf Busemann an einem Windkanal für Überschallströmungen. 1929 entwickelte er eine Methode zur Berechnung von Überschalldüsen, die auch heute noch z.B. in Überschall-Windkanälen und Raketentriebwerken gebräuchlich ist.

Prandtl leitete von 1925 bis 1946 als Direktor das Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung, das dank seiner Initiative eingerichtet wurde. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er 1942 Vorsitzender der Reichsstelle Forschungsführung des Reichsluftfahrtministers und Oberbefehlshabers der Luftwaffe,[3] die Hermann Göring unterstellt war. Ab 1942 war er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Im deutschen Sprachraum wird nach Prandtl, zusammen mit Cyril Frank Colebrook, eine empirische Näherung an das Abflussgeschehen mit der Rohrreibungszahl benannt (Prandtl-Colebrook-Formel, im englischen Sprachraum: Colebrook-White-Gleichung).

Prandtl war auch ein Pionier in der Plastizitätstheorie[4].

Ihm zu Ehren verleiht die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt den Ludwig-Prandtl-Ring für Verdienste durch hervorragende eigene Arbeiten um die Flugwissenschaften in all ihren Disziplinen. 1970 wurde ein Krater auf der Mondrückseite nach Prandtl benannt.

Schriften

1931 erschien sein Lehrbuch Führer durch die Strömungslehre, das von Anfang an als das Standardwerk der Strömungslehre galt. Der Prandtl wurde später durch renommierte Strömungswissenschaftler stets aktualisiert und ist 2007 in der aktuellen 11. Auflage von 2002 erhältlich.

Ehrungen

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Oertel: Prandtl – Führer durch die Strömungslehre. Grundlagen und Phänomene. Vieweg Verlag, Braunschweig 2002, ISBN 3-528-48209-5 (bearbeitete Neuauflage von Prandtls Führer durch die Strömungslehre).
  • Johanna Vogel-Prandtl: Ludwig Prandtl. Ein Lebensbild. Erinnerungen, Dokumente. [Nachdr. der Ausg.] Göttingen, Max-Planck-Inst. für Strömungsforschung, 1993; Univ.-Verl. Göttingen 2005; ISBN 3-938616-34-2 (Online).
  • G. Schmitt, W. Schwipps: Pioniere der frühen Luftfahrt, Gondrom Verlag, Blindlach 1995, ISBN 3-8112-1189-7.
  • Erich Truckenbrodt: Prandtl, Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 671 f. (Digitalisat).
Commons: Ludwig Prandtl – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. L. PRANDTL, Über Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Reibung, Verhandlungen III, Intern. Math. Kongress, Heidelberg, 1904, p. 484 (traduction anglaise: NACA Memo 452, 1928, repris dans Vier Abhandlungen zur Hydrodynamik und Aerodynamik, Göttingen, 1927).
  2. Über Flüssigkeitsbewegung bei sehr kleiner Reibung. books.google.de, abgerufen am 7. Mai 2011.
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 471.
  4. Über die Härte plastischer Körper, Nachrichten Göttinger Akad. Wiss. 1920, Online