Markusturm (Venedig)

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Der Markusturm

Der in Venedig stehende Markusturm (italienisch Campanile di San Marco) ist der Campanile (Glockenturm) des Markusdoms. Seine Höhe beträgt 98,6 Meter, somit ist er das höchste Gebäude Venedigs. Ursprünglich diente seine Turmspitze den Schiffen als Leuchtturm.

Der Turm gilt als Symbol der Stadt. Traditionell wurde er im Venezianischen „El paron de casa“ (der Herr des Hauses) genannt. Zahlreiche Türme in Venetien, Slowenien, Kroatien und bis nach Dalmatien, ursprünglich Venezianisches Herrschaftsgebiet, sind als Zitate des Markusturms errichtet und somit weithin sichtbare Zeichen der Herrschaft der Serenissima, der historischen Republik Venedig.

Aufriss, Schnitt und Grundrisse (1831) vor dem Einsturz – der Wiederaufbau ist weitgehend identisch

Geschichte und Gestaltung

Der Beginn des Turmbaus liegt zwischen 888 und 911 unter dem Dogen Pietro Tribuno. Die Bauarbeiten wurden mehrfach unterbrochen; der Turm wurde unter dem Dogen Tribuno Memmo (979–991) fertiggestellt, eine Spitze aus gebranntem Ton wurde 1152 unter dem Dogen Domenico Morosini vollendet, und zwar hauptsächlich von den Brüdern Pietro und Giovanni Basilio. Das oberste Geschoss mit den heute noch sichtbaren Klangarkaden wurde 1178 hinzugefügt und 1329 nochmals umgestaltet. Die Turmspitze wurde 1510 aufgesetzt und 1517 mit einer Statue des Erzengel Gabriel ergänzt. Die hölzerne Skulptur ist mit vergoldetem Kupferblech verkleidet.

Seit 1548 ist für den Karnevalsdienstag ein Brauch dokumentiert, eine akrobatische Darbietung auf einem Seil, das vom Turm herab gespannt wurde. Dieser sogenannte „volo de angelo“ (Engelsflug), ursprünglich „volo de turco“ (Türkenflug nach dem ersten, der dieses Kunststück ausführte), ist auch auf Gemälden, z. B. von Canaletto und Francesco Guardi festgehalten worden.

Die Trümmer des Campanile am 14. Juli 1902

Erdbeben und Blitzeinschläge verursachten wiederholt Schäden am Turm und machten Restaurierungsarbeiten notwendig. Am 14. Juli 1902 gegen Viertel vor zehn Uhr[1] stürzte der Turm ein, nachdem sich schon Tage vorher große Risse im Mauerwerk gebildet hatten, die darauf zurückzuführen waren, dass man die Metallanker im Turminneren entfernt hatte, um einen Aufzug einzubauen. Das Unglück rief große Bestürzung und Trauer in der ganzen Welt hervor. Der Stadtrat von Venedig beschloss bereits am Abend des Turmeinsturzes einstimmig, den Campanile wieder aufzubauen, wie und wo er gewesen war (com’era e dov’era). Der Wiener Architekt Otto Wagner meinte zwar in einem Interview mit der Zeitung Il piccolo (Triest) vom 17. Juli 1902, es hieße die Architekturgeschichte verfälschen, würde der Campanile im alten Stil wieder aufgebaut, doch stieß er überwiegend auf ablehnende Reaktionen.

Beim Einsturz des Turmes wurde auch die Rückseite der direkt angrenzenden Biblioteca Nazionale Marciana schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Arbeiten zur Beseitigung der Schäden verliefen jedoch zügig, sodass die Bibliothek im Jahr 1912 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte.

Der Wiederaufbau des Turms begann am 25. April 1903. Am 25. April, dem Markustag des Jahres 1912, wurde der wiederhergestellte Turm feierlich eingeweiht. Die Pfahlgründungen erwiesen sich nach fast 1000 Jahren als noch sehr gut, waren völlig versteinert und wurden daher nur verstärkt. Dies führte allerdings zu neuen Problemen, die fast 100 Jahre später akut zu werden drohten. 2008 wurde daher begonnen, den Markusturm mit einer Titanumfassung zu sichern.[2] Anstelle der innen umlaufenden, nach oben führenden Rampe wurde eine Treppe eingebaut. Heute ist das Glockengeschoss des Turms gegen Eintritt über einen Aufzug erreichbar.

Die auf quadratischem Grundriss erstellten Backsteinfronten sind mit Lisenen verziert.

Glocken

Die fünf Bronzeglocken des höchsten Turmes der Stadt sind überall in Venedig zu hören, deshalb dienten sie ursprünglich nicht nur dem Aufruf zum Gottesdienst, sondern hatten zur Zeit der Republik jeweils eine bestimmte Funktion. Die Renghiera oder Maleficio kündigte eine Hinrichtung an, die Nona erklang zu Mittag, die Mezza Terza rief die Senatoren in den Dogenpalast und die Trottiera verkündete den baldigen Beginn einer Sitzung des Großen Rates. Beim Einsturz des Turmes blieb nur die größte Glocke, die Marangona, die 1819 neu gegossen worden war, unbeschädigt. Die Marangona wurde zum Beginn und Ende eines Arbeitstages sowie zum 1. Aufruf einer Sitzung des Großen Rates geläutet. Die anderen Glocken wurden 1909 in Mailand neu gegossen: Papst Pius X. übernahm dafür die Kosten. Die Stimmung des tontiefsten und schwersten Geläutes in Venedig entspricht der A-Dur Tonleiter. Die einzelnen Glocken hängen in einem Stahlglockenstuhl an verzierten Holzjochen verteilt im Glockengeschoss. Die zwei größten Glocken (Marangona und Nona) sind leicht gekröpft aufgehängt und die übrigen drei Glocken (Trottiera, Mezza Terza und Renghiera) sind ungekröpft aufgehängt. Die Aufhängungen der Klöppel der Glocken werden durch Stahlseile verstärkt und an einigen Glockenjochen ist noch ein Metallgestänge, das ehemals zum Handläuten diente, angebracht. Auch heute noch werden die fünf Glocken hauptsächlich zu liturgischen Zwecken über einen elektrischen Antrieb regelmäßig geläutet. Die Nona läutet morgens um 7:00 Uhr, mittags um 12:00 Uhr und um Mitternacht um 0:00 Uhr. Die Marangona erhebt ihre Stimme zu Begräbnissen. Werktags ertönen die Glocken Renghiera und Mezza Terza um 14:00, um 17:00 und um 18:30 Uhr läuten Renghiera, Mezza Terza und Trottiera, um 20:00 Uhr läutet die Trottiera solistisch. Dieses Abendangelusläuten variiert jahreszeitlich. Das Plenum, also das Zusammenläuten aller fünf Glocken, erklingt samstags und am Vorabend eines Festtages um 18:30 Uhr, sowie sonn- und festtags um 10:00 Uhr, 11:00 Uhr, 14:00 Uhr, 17:00 Uhr und 18:30 Uhr. Bei einem Geläute mit mehreren Glocken beginnt üblicherweise immer die kleinste Glocke und die übrigen Glocken werden dann gemäß ihrer Größe aufsteigend dazu geschaltet, sodass die jeweils tontiefere Glocke zu läuten beginnt. Beim Ausläuten kann entweder die kleinste oder die größte Glocke zuletzt erklingen.

Nr.
 
Name
 
Nominal
(16tel)
Besondere Funktionen z. Zt. der Republik
 
Masse (kg)
 
Jahr
 
Gießer
 
1 Marangona a0 1. Aufruf zur Sitzung des Großen Rates, Anfang und Ende eines Arbeitstages 3625 1819 Canciano dalla Venezia
2 Nona/Mezzana h0 mittags 2556 1909 Fratelli Barigozzi
3 Trottiera/Quarantìa cis1 2. Aufruf zur Sitzung des Großen Rates 1807
4 Mezza Terza/Pregadi d1 Senatoren in den Dogenpalast 1366
5 Renghiera/Maleficio e1 Hinrichtung 1011
Westseite des Campanile, im Hintergrund die Markusbasilika

Der Campanile war zugleich Leuchtturm und Landmarke der Lagunenstadt. Kaiser Friedrich III. ritt den stufenlosen spiralförmigen Aufgang 1452 zu Pferd bis zum Glockenstuhl, ebenso Napoleon und Lord Byron. Beim Blick aus der Glockenstube präsentiert sich eine faszinierende Aussicht über die Lagunenstadt und zugleich eine Kuriosität: Man sieht von dort ein Venedig ohne Kanäle.

Bedeutung

Der Markusturm hat den Entwurf einiger anderer Türme beeinflusst. Viele stehen in Städten mit eindeutig maritimer Prägung:

Literatur

  • Rosolino Gattinoni: Storia del Campanile di San Marco in Venezia. 2. Auflage. Venezia 1912.
  • Comune di Venezia (Hrsg.): Il Campanile di San Marco riedificato. 1912.
  • Il campanile di San Marco. Il crollo e le ricostruzione. 14 luglio 1902–25 aprile 1912. Ausstellungskatalog. Silvana Editoriale, Mailand 1992, OCLC 312020794.
  • Bruno Rosada (Hrsg.): La caduta del Campanile di S.Marco 14 Iuglio 1902. Venezia 2002.

Weblinks

Commons: Der Campanile von San Marco – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Es gibt viele unterschiedliche, minutengenaue Angaben. Am verlässlichsten ist wohl der Bericht, der am nächsten Tag in der Gazzetta di Venezia erschien. Der Reporter schrieb u. a.: „… Uhrturm, der eben halbzehn Uhr geschlagen hatte. Mit zitterndem Herzen beobachtete ich das stolze gewaltige Bauwerk […] ich habe eine Uhr bei mir – 9.47, sieben oder acht Minuten sind vergangen, rund um den Campanile ist alles leer […] seine Fassade hin zur Basilika gibt nach und bricht.“ (Zitat nach Gerhard Tötschinger: "Nur Venedig ist ein bissl anders". Wien 2002, S. 79).
  2. Peter Thomas: Ein Korsett für den Glockenturm von St. Markus. In: FAZ. 11. April 2009, S. T8.
  3. Chinese tourists flock to knock-off version of Venetian canals. In: Mail Online. (dailymail.co.uk [abgerufen am 11. Februar 2017]).
  4. 1453: 大连现山寨版“威尼斯水城” 庞大欧式建筑群气势恢宏--图片频道--人民网. Abgerufen am 11. Februar 2017 (chinesisch (China)).

Koordinaten: 45° 26′ 2″ N, 12° 20′ 20″ O