Mercurino Arborio di Gattinara

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Portrait des Mercurino Arborio di Gattinara von Jan Cornelisz Vermeyen (c. 1530)

Marchese Mercurino Arborio di Gattinara (* 10. Juni 1465 auf Schloss Arborio bei Vercelli in Piemont; † 5. Juni 1530 in Innsbruck) war ein italienischer Jurist und Staatsmann und Großkanzler Kaiser Karls V.

Herkunft

Gattinara stammte aus einem verarmten kleinadeligen Geschlecht. Verheiratet war er mit Andreotta Avocado. Sie finanzierte ihm sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Turin. Anschließend arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in Savoyen.

Karriere

Seine politische Karriere begann er als Rechtsberater des Herzogs Philibert II. von Savoyen (* 1480; † 1504). Dessen zweite Frau war seit 1501 Margarete von Österreich (* 1480; † 1530), die einzige legitime Tochter des späteren Kaisers Maximilian I. von Habsburg und Patentante des späteren Kaisers Karl V. Gattinara wurde ihr Rechtsberater und ging mit ihr nach dem Tod ihres Mannes in die Niederlande. Besonders kümmerte er sich um ihr Witwengut, die Grafschaft Bresse. Dort wurde er gleichzeitig Präsident des Gerichtshofs, 1508 in Dôle, dem Sitz des Parlaments der Franche-Comté. Zwischendurch stand er auch wieder in den Diensten von Margarethe, die inzwischen Statthalterin der Niederlande geworden war und Maximilian I. setzte ihn als Botschafter am spanischen und am französischen Hof ein. Unter anderem wirkte er am Vertrag von Cambrai 1508 mit.

1511 unterlag er in einem lang andauernden Streit mit dem Adel der Franche-Comté und musste seine Ämter dort aufgeben. Hieraus resultiert wohl zu einem Teil sein Ressentiment gegen den Adel und diese Niederlage hat seine antifeudale, hegemoniale Politik und die Idee der "universellen Monarchie" zugunsten Karl V. stark beeinflusst. Als Karls Berater Wilhelm Chièvres von Croy starb, stieg Gattinara zum einflussreichsten Ratgeber des Königs auf. 1518 wurde er "Großkanzler aller Länder und Königreiche".

Als Anhänger der Ideen des Erasmus von Rotterdam, war er Idealist, verfolgte aber realistische Strategien. Gattinara führte Karl V. von seinen dynastischen Wurzeln in Burgund und der zu jener Zeit in Spanien vorherrschenden, säkularen politischen Theorie hin zu einer christlich-humanistischen Vorstellung des Reiches. Seine Idee der "universellen Monarchie" standen in direktem Gegensatz zu den damals aufkommenden nationalstaatlichen Theorien.

In seiner Funktion als Kanzler drängte er Karl V. dazu, ein dynastisches Imperium mit dem Endziel einer weltweiten Herrschaft ("Dominium Mundi") zu errichten. Gattinara vertrat einen christlichen Imperialismus auf der Basis einer geeinten Christenheit, mit dem Ziel die Protestanten, die Türken, und die Ungläubigen in der Neuen Welt der römisch-katholischen Kirche zuzuführen. Seine Theorie suchte den Ausgleich zwischen den einzelnen christlichen Nationen und den Erfordernissen zum Aufbau eines Weltreichs. Damit war die Grundlage seines Handelns eher mittelalterlichen Ansätzen verbunden, als der eben beginnenden Neuzeit. In zahlreichen Denkschriften unterbreitete er seine Ansichten immer wieder Karl V. und den anderen Entscheidungsträgern der Regierung.

Gattinaras Programm schien das einzige zu sein, das zur Verfügung stand, dem stark entwickelten Herrschaftsbewusstsein Karls V. zu genügen und auch das Kaisertum in dessen Sinne ideologisch zu füllen. Es war zu einem erheblichen Teil Gattinara zu verdanken, dass das spanische Weltreich unter Karl V. seine maximale Ausdehnung erreichte, wenn es auch gleichzeitig erste Zeichen beginnenden Verfalls gab. Das galt vor allem nach innen. So gelang es weder, die unterschiedlichen Teile der Herrschaft Karls V. strukturell anzugleichen, noch die für das Programm erforderlichen wirtschaftlichen Ressourcen aufzubringen. Letztendlich führte die überzogene Politik in den Staatsbankrott.

1529 wurde Gattinara zum Kardinal ernannt. Er verfasste eine Autobiographie.

Werke

Carlo Bornate (Hrsg.): Historia vite et gestorum per dominum magnum Cancellarium Mercurino Arborio di Gattinara. In: Miscellanea di storia italiana. 3. Ser. Bd. 17. 1915, S. 231-585. [Autobiographie von Mercurino Arborio di Gattinara]

Literatur

  • John M. Headley: The emperor and his chancellor: A study of the imperial chancellery under Gattinara. New York. Cambridge University Press, 1983.
  • Alfred Kohler: Karl V. 1500 – 1558. Eine Biographie. München 1999, insb.: S. 120f. ISBN 3-406-45359-7