Orionwerk (Hannover)

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Gebäude mit der Aufschrift „Orionwerk AG., Fabrik photogr. Apparate“ in der Bothfelder Straße 23 in Hannover-List

Das Orionwerk in Hannover war eine 1921 gegründete deutsche Aktiengesellschaft,[1] die sich in Anzeigen als „ältestes und grösstes Kamerawerk Norddeutschlands“ auf das Gründungsjahr 1893 berief. Vorgängerfirmen waren Glunz & Bülter,[2] sowie Bülter und Stammer. Die Firma ging 1933 in Konkurs.[3] Wort-Bild-Marke des Unternehmens war zeitweilig ein innerhalb konzentrischer Kreise dargestelltes Segelschiff bei Nacht unter Sternen auf hoher See mit Wellengang mit dem Schriftzug Orionwerk.[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glunz & Bülter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1893 gründeten der Tischler Hermann Glunz und der Kaufmann Diedrich Bülter die erste und einzige Fotoapparate-Fabrik im 19. Jahrhundert in Hannover. Im Adressbuch der Stadt Hannover von 1894 firmierte das Unternehmen als „Fabrik mit Dampfbetr. für photogr. Apparate, Hdl. photogr. Bedarfsart. jeder Art“. Dabei unterhielten sie ganze „Läger sämmtlicher Artikel für Photographie“ für ihr Unternehmen in der damaligen Kanalstraße 9 Die von Glunz & Bülter gefertigten Apparate waren anfangs aus Holz, Messing und Leder, später auch aus Metall. Das produzierte Sortiment bestand aus Amateur- und Fachkameras sowie Aufnahmezubehör.[5]

Aus der Zeit um 1898 ist ein vorgedruckter Foto-Kartonträger im Kabinettformat für das Atelier Boese & Schaefer in Posen bekannt, der rückseitig den Zudruck Glunz & Bülter trägt.[6]

Bülter & Stammer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kamera vom Orionwerk Bülter & Stammer

Das Orionwerk Bülter & Stammer wurde 1902 gegründet.[1]

Ab 1914 war das Unternehmen zeitweilig mit der Produktion von Rüstungsgütern für den Ersten Weltkrieg beschäftigt.[7]

1920, am 6. Juni des Jahres, hatte das Orionwerk Buelter & Stammer ein Patent angemeldet für eine im Hause erfundene Vorrichtung zur Seitwaertsstellung des Objektivtraegers.[8]

Ebenfalls 1920 wurde Bülter & Stammer von der Nachfolgerin Orionwerk, Akt.-Ges. für photographische Industrie (AG) mit sämtlichen Grundstücken, sämtlichen Aktiva und Passiva übernommen.[1]

Eine Firmenschrift der Kamera-Fabrik Bülter & Stammer hält das Deutsche Museum in Bonn[9] sowie die ETH-Bibliothek in Zürich vor.[10] Das Museu da Imagem e do Som de São Paulo in São Paulo, Brasilien, verweist auf seiner Webseite auf historische Fotografien, die mit einer Kamera von Bülter & Stammer gefertigt wurden.[11]

Orionwerk AG[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Orionwerk, Akt.-Ges. für photographische Industrie (AG) wurde am 8. September 1921 gegründet und am 1. Oktober desselben Jahres in das Handelsregister beim Amtsgericht Hannover eingetragen. Allerdings hatte die AG schon im Vorjahr 1920 die Firma Orionwerk Bülter & Stammer aufgekauft, so dass das Orionwerk bereits ab dem 1. Januar 1921 auf Rechnung der AG in Gründung handelte.[1]

Inhaber des Orion-Werks war in den 1920er Jahren Friedrich Augstein, Vater von Rudolf Augstein,[12] der seinerzeit mit seiner Familie in der Podbielskistraße 310 (neue Hausnummer im Jahr 2002: 105) wohnte.[13]

Das mehrstöckige Fabrikgebäude der Orionwerk AG fand sich in der Bothfelder Straße 23[14] im (heutigen) hannoverschen Stadtteil List. Das Gebäude soll zuvor durch die Firma Richter, Zahnärztliche Apparate genutzt worden sein.[15]

Fabrik-Arbeiter an den Maschinen des Orionwerks, um 1926

Für den Zeitraum von 1924 bis 1928 hält das deutsche Bundesarchiv mehrere Geschäftsberichte vor.[16]

Für das Unternehmen spielte Victor Wolny, der bereits 1922 eine Erfindung angemeldet hatte,[17] eine wichtige Rolle. Wolny meldete mehrere Erfindungen zum Patent an:

  • vom 1. Februar 1924: Verbesserungen an oder im Zusammenhang mit fotografischen Spiegelreflexkameras[18]
  • vom 10. Februar 1925: Verbesserungen an oder in Bezug auf Spiegelreflexkameras[19]
  • vom 1. April 1931, mit Sitz in der Ferdinand-Wallbrecht-Straße, und für die Orionwerk AG (in englischer Sprache): Improvements in semi-automatic photographic devices.[20]

Kameratypen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orion und seine Vorgänger produzierten alle zur jeweiligen Zeit gängigen Kameratypen, insbesondere Plattenkameras verschiedener Formate und Rollfilmkameras.[21] Produzierte Modelle waren unter anderem Rio-Platten- und Rio-Rollfilmkameras, wie die Großformatkamera Rio 85 für Mittelformat 6×9 cm.[22] 1929 bot das Unternehmen preisgünstige Kameras u. a. im Großformat 9 × 12 cm, an.[23] Die Kamera Orion Klapp-Reflex im Großformat 9 × 12 cm ließ sich auch mit einem Zeiss Tele-Tessar-Objektiv 1:6,3 verwenden.[24] Eine Kamera der Orion-Werke wurde auch im Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie beschrieben.[25]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Willy Frerk: Photofreund Jahrbuch 1925. 26. Gebundene Ausgabe. Hackebeil-Verlag, Berlin 1926.
  • Ludwig Hoerner, Heinz A. Wanner: Fotografie – Orion Werke AG. hrsg. vom Club Daguerre, Loseblattverzeichnis Hannover 1976.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Orionwerk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d N.N.: Hannover. Orionwerk, Akt.-Ges. für photographische Industrie. In: Die Photographische Industrie. Fachblatt für Handel, Export und Fabrikation aller photographischen und kinotechnischen Bedarfsartikel vom 3. Mai 1922, S. 413f.; teilweise herunterladbar (Memento vom 28. Januar 2015 im Internet Archive) als PDF-Dokument von der Seite ihagee.org, dauerhaft abrufbar über Internet Archive
  2. Photofreund Jahrbuch 1925, S. 203 [1]
  3. Lindener Gewerbe-, Handel- und Industriebetriebe von 1920–1964, Postkarten-Archiv Linden-Limmer, abgerufen am 25. Januar 2015.
  4. Vergleiche die Abbildung bei Emanuel Tuveri: Orion-Werk AG (siehe unter dem Abschnitt Weblinks, dort hat der Autor der Webseite die Grafik allerdings mit einem Copyright-Zeichen und seinem eigenen Namen überschrieben)
  5. Ludwig Hoerner: Photographische Apparatefabriken und -handlungen, in ders.: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. hrsg. von der Hannoverschen Volksbank, Hannover: Reichold, 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 368.
  6. N. N.: Poznań – Głogowska ulica nr 97 (ca. 1898) (polnisch), auf der Seite edu.pl der Wielkopolska Kolekcja Ikonograficzna der Biblioteka Uniwersytecka w Poznaniu, zuletzt abgerufen am 27. Januar 2015.
  7. Vergleiche die vom gewerblichen Verkäufer wiedergegebene Inhaltsangabe der Loseblattsammlung Ludwig Hoerner, Heinz A. Wanner: Fotografie – Orion Werke AG … (siehe unter Literatur)
  8. Patent DE357670C: Vorrichtung zur Seitwärtsstellung des Objektivträgers. Angemeldet am 6. Juni 1920, veröffentlicht am 29. August 1922, Anmelder: Orionwerk Bülter & Stammer.
  9. N.N.: Bestände / Firmenschriften / k auf der Seite deutsches-museum.de, zuletzt abgerufen am 28. Januar 2015.
  10. Im Photographischen Institut der ETH, laut der laufenden Nummer 209 unter der Überschrift Handschriften und Autographen, zuletzt abgerufen am 28. Januar 2015.
  11. N.N. (Red.): [2] auf der Seite brasilcultura.com.br, zuletzt abgerufen am 28. Januar 2015.
  12. Otto Köhler (Red.), Monika Köhler (Mitarb.): Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland. München: Droemer, 2002, ISBN 3-426-27253-9, S. 339; Vorschau über Google-Suche
  13. Otto Köhler (Red.), Monika Köhler (Mitarb.): Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland. München: Droemer, 2002, ISBN 3-426-27253-9, S. 34.
  14. Foto-Abbildung in: Paul Siedentopf (Hauptschriftleitung): Orionwerk Hannover / Aktiengesellschafr für Photographische Industrie. Fabrik photographischer Apparate / Bothfelder Straße 23. In: Das Buch der alten Firmen der Stadt Hannover im Jahre 1927. unter Mitwirkung von Karl Friedrich Leonhardt (Zusammenstellung des Bildmaterials), Jubiläums-Verlag Walter Gerlach, Leipzig 1927, S. 56.
  15. Wolfgang Leonhardt: Hannoversche Geschichten: Berichte aus verschiedenen Stadtteilen, Arbeitskreis Stadtteilgeschichte List, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8391-5437-3, S. 154 f.; Vorschau mit einem Foto des Fabrikgebäudes des Orionwerks (datiert 1927) auf Google Books
  16. Im Findbuch Sammlung Geschäftsberichte & Bestellsignatur: R 907/9892, Überschrift: 1.14. O, Titel: Orionwerk, AG für photographische Industrie, Hannover
  17. Alfred Hay (Hrsg.), Mas Haase, Kurt Michel (Bearb.): Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie. Supplement, Wien: Julius Springer, 1943, passim; teilweise online über Google-Bücher
  18. Patent GB228572A: Improvements in or relating to photographic reflex cameras. Angemeldet am 2. Februar 1925, veröffentlicht am 19. November 1925, Anmelder: Victor Wolny.
  19. Patent GB238467A: Improvements in or relating to reflex cameras. Angemeldet am 10. Februar 1925, veröffentlicht am 20. August 1925, Anmelder: Victor Wolny.
  20. Patent GB372057A: Improvements in semi-automatic photographic devices. Angemeldet am 1. April 1931, veröffentlicht am 5. Mai 1932, Anmelder: Orionwerk AG für photographische Industrie, Victor Wolny.
  21. Siehe auch Willi Kerkmann: Deutsche Kameras 1839–1945. 3., überarb. Aufl. mit Erg., Ainring 2005, S. 249–254.
  22. Photofreund Jahrbuch, 1925, S. 204 [3] [4]
  23. Fotografische Rundschau und Mitteilungen. Band 66, 1929, Seite ix [5]
  24. Photofreund Jahrbuch. 1925, S. 203[6]
  25. Alfred Hay, Moritz Rohr, Kurt Michel: Handbuch der wissenschaftlichen und angewandten Photographie. Band 2, Springer, Wien 1931, S. 42, Abb. 33

Koordinaten: 52° 23′ 49,6″ N, 9° 45′ 46,8″ O