Orthacanthus

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Orthacanthus

Lebendrekonstruktion von Orthacanthus senckenbergianus

Zeitliches Auftreten
Pennsylvanium bis Oberkreide
315,2 bis 66 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Klasse: Knorpelfische (Chondrichthyes)
Unterklasse: Plattenkiemer (Elasmobranchii)
Ordnung: Xenacanthiformes
Familie: Orthacanthidae
Gattung: Orthacanthus
Wissenschaftlicher Name
Orthacanthus
Agassiz, 1843

Orthacanthus ist eine ausgestorbene Knorpelfischgattung, die sich etwa 250 Millionen Jahre lang vom frühen Pennsylvanium (Oberkarbon) bis zur Kreide-Paläogen-Grenze am Ende des Mesozoikums fossil nachweisen lässt. Sie gehört zu den Plattenkiemern und hatte eine räuberische Lebensweise als nektischer Fleischfresser.

Erstbeschreibung und Namensherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung Orthacanthus ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Wörtern ortho (ὀρθός) – ‚gerade‘, ‚recht‘ – und acanthos (ἄκανθος) – ‚Dorn‘. Es ist also in etwa als pfeilgerade wiederzugeben, was die äußere Erscheinung des Tieres recht anschaulich beschreibt. Dieser Knorpelfisch wurde bereits im Jahr 1843 zum ersten Mal von Louis Agassiz wissenschaftlich beschrieben.[1]

Taxonomie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gattung Orthacanthus ist Teil der zur Überordnung der Euselachii gehörenden Familie der Orthacanthidae innerhalb der Ordnung Xenacanthiformes. Ginter et al. (2010) rechnen sie jetzt jedoch zu den Diplodoselachidae.[2] Carroll (1988) hatte sie noch in die Familie der Xenacanthidae gestellt.[3]

Die Typusart ist O. milleri. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Arten wie O. arcuatus, O. bohemicus,[4] O. buxieri, O. compressus, O. cylindricus, O. donnelljohnsi, O. gibbosus, O. kounoviensis, O. meridionalis, O. minor, O. pinguis, O. platypternus,[5] O. pustulosus, O. senckenbergianus und O. texensis. Auch Didymodus platypternus, Diplodus acinaces, D. minutus, D. parvulus und D. tenuis werden als Arten von Orthacanthus angesehen. Schwestertaxa sind Dicentrodus, Diplodoselache, Hagenoselache und Lebachacanthus.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein im Naturhistorischen Museum in Wien aufbewahrter Orthacanthus

Hauptmerkmale von Orthacanthus waren seine hochspezialisierten Flossen und die hinter dem Schädel ansetzende, langgestreckte, geradlinige Wirbelsäule. Nahezu über den gesamten Rücken verlief eine Rückenflosse, die von der diphycercen Schwanzflosse nur durch eine Einkerbung abgesondert war und dem Tier eine aalartige Erscheinung gab.[6] Vor der Rückenflosse befand sich ein langer, hohler Dorsalstachel aus Dentin, der zusammen mit den Zähnen oft fossilisiert wurde. Das Tier besaß ferner zwei hintereinanderliegende gestielte Afterflossen. Die beiden Brustflossen waren mit einem Archipterygium versehen – einer langen, zentral gelegenen, segmentierten Achse, von der die Radiale (Gräten) sowohl prä- (relativ kurz) als auch postaxial (lang) ausgingen. Dieser altertümlich anmutende Aufbau dürfte noch von den Symmoriiden herstammen. Die Spezialisierungen im Aufbau der Flossen werden von Dick (1981) dahingehend interpretiert, dass hierdurch die schlagenden Seitenbewegungen des Schwanzendes unterstützt wurden und die Tiere somit einen kräftigeren Vortrieb erfuhren, der sie effektiver durch pflanzenreiche Sümpfe gleiten ließ.[7]

Ein tricuspider Zahn von Orthacanthus aus Whitehaven in Cumbria

Orthacanthus erreichte eine Länge von nahezu drei Metern. Seine Bezahnung war tricuspid (drei spitz zulaufende Kegel) mit zwei langen Seitendornen und einem winzigen Mitteldorn. Dazwischen konnten noch weitere sehr kleine Dornen vorhanden sein. Die Seitendorne waren leicht hornförmig gebogen und ihre Spitzen zeigten voneinander weg. Der weiter vorne positionierte Seitendorn war etwas größer als der etwas zurückversetzte. Die Zahnbasis war flach, erweckte jedoch durch kleine punktförmige Vertiefungen einen rauen Eindruck; sie besaß hinter einer koronalen Erhebung zusätzlich noch eine deutliche, mittig liegende Öffnung.

Lebensweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als nektobenthischer Räuber stand Orthacanthus an der Spitze der damaligen Nahrungskette. Aodhán Ó Gogáin et al. (2012) untersuchten Koprolithen von Orthacanthus und fanden in ihnen unter anderem Zähne von Jungtieren dieser Gattung. Dies belegt eine kannibalische Lebensweise der Gattung, die in Notzeiten offensichtlich ihre jüngeren Artgenossen nicht verschont hatte. Fossilien von Orthacanthus werden in den verschiedensten Fazies angetroffen, welche von flachmarin bis hin zu kontinental reichen. Orthacanthus lebte offensichtlich nicht nur im offenen Meer, sondern suchte auch Küstenbereiche, Lagunen, Ästuare, Flussmündungen, Bayous und Süßwassersümpfe auf, er konnte also in Wasser mit unterschiedlichem Salzgehalt leben (euryhalin).

Fossilbericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gebiss von Orthacanthus mit tricuspiden Zähnen

Fundstellen von Orthacanthus sind:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hampe, O.: Über die Bezahnung des Orthacanthus (Chondrichthyes: Xenacanthida; Oberkarbon-Unterperm). In: Paläontologische Zeitschrift. Band 62, 1988, S. 285–296.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. L. Agassiz: Recherches sur les poissons fossiles. Tome III (livr. 15-16). Imprimérie de Petitpierre, Neuchatel 1843, S. 157–390.
  2. M. Ginter, O. Hampe und C. J. Duffin: Chondrichthyes, Paleozoic Elasmobranchii: Teeth. In: H. P. Schultze (Hrsg.): Handbook of Paleoichthyology 3D. 2010, S. 1–168.
  3. Robert L. Carroll: Vertebrate Paleontology and Evolution. W. H. Freeman and Company, New York 1988, ISBN 0-7167-1822-7.
  4. Rodrigo Soler-Gijón: Development and growth in xenacanth sharks: new data from Upper Carboniferous of Bohemia. In: G. Arratia, M. V. H. Wilson und R. Cloutier (Hrsg.): Recent Advances in the Origin and Early Radiation of Vertebrates. Dr. Friedrich Pfeil, München 2004, ISBN 3-89937-052-X.
  5. Kimberly G. Beck u. a.: Morphology and histology of dorsal spines of the xenacanthid shark Orthacanthus platypternus from the Lower Permian of Texas, USA: Palaeobiological and palaeoenvironmental implications. In: Acta Palaeontologica Polonica. Band 61 (1), 2016, S. 97–117.
  6. Gogáin, Aodhán Ó, Falcon-Lang, Howard J., Carpenter, David K., Miller, Randall F., Benton, Michael J., Pufahl, Peir K., Ruta, Marcello, Davies, Thomas G., Hinds, Steven J. und Stimson, Matthew R.: Fish and tetrapod communities across a marine to brackish salinity gradient in the Pennsylvanian (early Moscovian) Minto Formation of New Brunswick, Canada, and their palaeoecological and palaeogeographical implications. In: Palaeontology. ISSN 1475-4983.
  7. Dick, J. R. F.: Diplodoselachi woodi gen. et sp. nov., an early Carboniferous shark from the Midland Valley of Scotland. In: Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sciences. Band 72, 1981, S. 99–113.
  8. D. Heyler und C. Poplin: Systematics and relationships among the Xenacanthiformes (Pisces, Chondrichthyes) in the light of Carboniferous and Permian French material. In: Acta Musei Reginaehradecensis S. A.: Scientiae Naturales. Band 22, 1989, S. 69–78.
  9. M. Manabe, Y. Hasegawa und T. Takahashi: A hadrosaurid vertebra from the Ashizawa Formation, Futaba Group, Fukushima, Japan. In: Bulletin of the Gunma Museum of Natural History. Band 7, 2003, S. 7–10.
  10. J. Liszkowski: Die Selachierfauna des Muschelkalks in Polen: Zusammensetzung, Stratigraphie und Paläoökologie. In: Muschelkalk, Schöntaler Symposium 1991. Sonderbände der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg. Band 2, 1993, S. 177–185.
  11. Soler-Gijón, R.: Orthacanthus meridionalis, a new xenacanth shark (Elasmobranchii) from the Upper Carboniferous of the Puertollano basin, Spain. In: Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen. Band 204, 1997, S. 141–169.
  12. Zidek, J.: Juvenile Orthacanthus platypternus (Cope 1883) (Elasmobranchii: Xenacanthiformes) from the Upper Carboniferous near Hamilton, Kansas, U.S.A. In: U.- H. J. Heidtke, New Research on Permo-Carboniferous faunas (Hrsg.): Pollichia-Buch. Band 29, 1993, S. 53–65.
  13. Donelan, C. und Johnson, G.D.: Orthacanthus platypternus (Chondrichthyes: Xenacanthida) occipital spines from the Lower Permian Craddock Bonebed, Baylor County, Texas. In: Journal of Vertebrate Paleontology. 17 (Supplement), 1997, S. 43A.