Otto Kümmel

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Otto Kümmel 1940, Fotografie im Bundesarchiv

Otto Kümmel (* 22. August 1874 in Blankenese; † 8. Februar 1952 in Mainz) war ein deutscher Kunsthistoriker, Hochschullehrer, Gründer und Direktor des Museums für Ostasiatische Kunst in Berlin und Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin.

Leben

Otto Kümmel war ein Sohn des Bauingenieurs Werner Kümmel und das siebente von zwölf Kindern. Nach dem Abitur, das er am Athenaeum Stade ablegte, studierte Otto Kümmel ab 1893 an der Universität Freiburg Klassische Archäologie und Philosophie. 1896 und 1897 besuchte er auch Vorlesungen in Bonn und am Institut national des langues et civilisations orientales in Paris, wo er die chinesische und japanische Sprache erlernte. 1901 wurde er in Freiburg aufgrund einer Arbeit über ägyptische Pflanzenornamentik promoviert. Seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger leistete er in Lahr.

1902 leistete er ein Volontariat in Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Von 1. April 1905 bis September 1906 war er als Konservator beim Städtischen Museum für Natur- und Völkerkunde in Freiburg angestellt.[1] In Freiburg lernte er den Ethnologen Ernst Grosse kennen, der wie auch der Maler Hermann Gehri bei der Mäzenatin Marie Meyer wohnte.

Otto Kümmel war mit Therese Klee verheiratet und hatte eine Tochter und vier Söhne, darunter der deutsche Physiker Hermann Kümmel. Zwei seiner Söhne fielen im Zweiten Weltkrieg.

Karriere in Berlin

Nachdem ihn Wilhelm von Bode als Direktorialassistent nach Berlin berufen hatte, betrieb Otto Kümmel im September 1906 die Entlassung aus Freiburger Diensten. Von 1906 bis 1909 war er in Japan und beschaffte sich dort einen Grundstock japanischer Kunst für die Berliner Museen. Im Jahre 1912 gründete er zusammen mit dem Kunsthistoriker William Cohn (1880–1961) die Ostasiatische Zeitschrift, die er bis zum kriegsbedingten Erscheinungsende 1943 herausgab. Im Ersten Weltkrieg diente er als Offizier. Am 9. Oktober 1923 wurde das von ihm konzipierte und geleitete Museum für Ostasiatische Kunst im heutigen Martin-Gropius-Bau eröffnet, inzwischen ist die Sammlung eine Abteilung des Museum für Asiatische Kunst. Zeitlebens organisierte er zahlreiche Ausstellungen zur ostasiatischen Kunst in Deutschland und weiteren Ländern.

Seit der Machtergreifung war er Mitglied der NSDAP.[2] Das SPD-Mitglied Eduard Erkes verlor auf sein Betreiben zuerst die Lehrbefugnis an der Universität Leipzig und dann die Stellung als Kustos beim Museum für Völkerkunde zu Leipzig, ebenso erhielt er Rede- und Publikationsverbot.[3] Die Denunziation Erkes war sicher kein Einzelfall. Kümmel wurde 1934 Generaldirektor der Preußischen Museen in Berlin. Obwohl er 1939 bereits die Altersgrenze erreicht hatte, musste er kriegsbedingt sein Amt weiter wahrnehmen. 1945 wurden ein Großteil seiner Arbeiten in Berlin durch den Krieg vernichtet, er selbst wurde als NSDAP-Mitglied aus dem Dienst entlassen.[4]

Raubkunst

1940 verfasste Kümmel im Auftrag von Joseph Goebbels in drei Bänden eine geheime, 319 Seiten umfassende Liste der unbedingt zu plündernden Kunstwerke in ausländischem Besitz.[5][6] Solche Kunstwerke, die sich jemals in deutschem Eigentum befunden hatten, zurückreichend bis ins 15. Jahrhundert, erklärte Kümmel zu arischer Kunst, die somit zu entwenden und „heim ins Reich“ zu führen wäre. Kunstwerke in jüdischem Besitz konnten auch ohne deutsche Provenienz beschlagnahmt werden. So gelang zum Beispiel Jan Vermeers Ölgemälde Der Astronom von der Rothschild-Sammlung in die private Adolf Hitlers. Jonathan Petropoulos nennt ihn einen der Führer der musealen Plünderung im Dritten Reich.[7]

Würdigung

Kümmel war der erste europäische Kunsthistoriker, der die japanische und die chinesische Sprache in Wort und Schrift beherrschte, und eine Koryphäe seines Fachs. Seine tiefe Verstrickung in die nationalsozialistische Raubkunst machen eine heutige Bewertung seines wissenschaftlichen Werks und seiner unzweifelhaften Verdienste nicht einfach. In der ausführlichen Biographie seines Enkels Wolfgang Close wird die Zeit des Nationalsozialismus ausgeblendet.[8] Auch bei Gert Naundorf, Professor für Sinologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der den Artikel über Kümmel in der Neuen Deutschen Biographie verfasste, fehlt die Zeit ab 1933.[9]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Ägyptische und mykenische Pflanzenornamentik. Dissertation, Universität Freiburg, 1901
  • Das Kunstgewerbe in Japan. 1911
  • Die Kunst Ostasiens. 1921 (französisch 1926)
  • Ostasiatisches Gerät (zusammen mit Ernst Grosse). 1925
  • Ausstellung chinesischer Kunst [Katalog], Berlin
  • Chinesische Kunst, 200 Hauptwerke d. Ausstellung der Gesellschaft für Ostasiatische Kunst. 1930
  • Meisterwerke japanischer Landschaftskunst, 1939
  • Welfenschatz und religiöse Malerei: Ausstellung. Eröffnet zum 75. Deutschen Katholikentag, 18. August 1952, Berlin 1952

Literatur

  • Gert Naundorf: Kümmel, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 211 f. (Digitalisat).
  • Hartmut Walravens: Otto Kümmel. Streiflichter auf Leben und Wirken eines Berliner Museumsdirektors. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz Band 24, 1987, S. 137–149.
  • Wolfgang Klose (Hrsg.): Wilhelm von Bode – Otto Kümmel: Briefwechsel aus 20 Jahren 1905–1925; facts and opinions; the first twenty years of East Asian arts in Berlin; nach den Originalen in der Ostasiatischen Kunstabteilung des Asiatischen Museums in Berlin und des Zentralarchivs der Berliner Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Books on Demand, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-3949-8.
  • Hartmut Walravens (Hrsg.): „Und der Sumeru meines Dankes würde wachsen“: Beiträge zur ostasiatischen Kunstgeschichte in Deutschland (1896–1932). Briefe des Ethnologen und Kunstwissenschaftlers Ernst Große an seinen Freund und Kollegen Otto Kümmel sowie Briefwechsel zwischen dem Kunsthistoriker Gustav Ecke und dem Architekten Ernst Boerschmann. Harrassowitz, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-447-06230-5.
  • Er war mehr als ein Spezialist. In: Die Zeit, Nr. 9/1952; Nachruf

Einzelnachweise

  1. Freiburger Zeitung, 7. März 1905, Freiburg Zeitung Digital, abgerufen am 5. August 2015.
  2. Shlomit Steinberg: Outlining the Kümmel Report: Between German Nationality and Aesthetics. In: https://ehri-project.eu/. EHRI European Holocaust Research Infrastructure, März 2015, abgerufen am 19. Mai 2017 (englisch).
  3. Biografie von Eduard Erkes (1891–1958). Universität Leipzig, Ostasiatisches Institut., abgerufen am 24. November 2013.
  4. Joachim Brand: Die Bibliotheken der Staatlichen Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz. Berlin 2000, S. 32
  5. Otto Kümmel: auf Erlaß des Herrn Reichsministers und Chefs der Reichskanzlei RK 118 II A vom 19. August 1940 und auf Erlaß des Herrn Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda BK 9900 – 02/13.8.40/89 – 1/6 vom 20. August 1940 : betr. Kunstwerke und geschichtlich bedeutsame Gegenstände, die seit 1500 ohne unseren Willen oder auf Grund zweifelhafter Rechtsgeschäfte in ausländischen Besitz gelangt sind ; Teil I – III ; abgeschlossen 31. Dezember 1940. Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin
  6. Günther Haase: Kunstraub und Kunstschutz, Band I: Eine Dokumentation. Olms, Hildesheim 1991. S. 198–202. ISBN 3-487-09539-4
  7. Jonathan Petropoulos: The Faustian Bargain: The Art World in Nazi Germany. Oxford University Press, New York 2000, ISBN 0-7139-9438-X, S. 56–57.
  8. Otto Kümmel. Abgerufen am 23. November 2013. Private Website von Wolfgang Klose, dem Enkel von Otto Kümmel.
  9. Deutsche Biographie: Kümmel, Otto – Deutsche Biographie. Abgerufen am 18. Juli 2017.