Peter Lunkenheimer

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Peter Lunkenheimer (* 11. Dezember 1958 in Bad Kreuznach)[1] ist ein deutscher Physiker und Privatdozent an der Universität Augsburg, der vor allem für seine Untersuchungen kondensierter Materie mittels dielektrischer Spektroskopie bekannt ist.

Lunkenheimer studierte Physik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Nach dem Diplom 1989 und der Promotion 1992 arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Darmstadt, bevor er 1996 zur Universität Augsburg wechselte, wo er die Stellung eines akademischen Rats innehatte.[1][2] Im Jahr 2000 habilitierte er dort zum Thema Dielectric Spectroscopy of Glassy Dynamics[3] und es wurde ihm der Titel eines Privatdozenten verliehen.[1][2] 2006 erfolgte die Ernennung zum akademischen Oberrat und 2017 zum akademischen Direktor.[1][2]

Lunkenheimer war in Augsburg bei verschiedenen aus Drittmitteln finanzierten, mehrjährigen Forschungsprojekten beteiligt, insbesondere war er Teilprojektleiter im Sonderforschungsbereich SFB 484: Kooperative Phänomene im Festkörper: Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade (2000–2009),[4][5] in der DFG Forschergruppe FOR 1394: Nonlinear response to probe vitrification (2010–2018)[4][6] und im Transregio-Programm TRR80: Von elektronischen Korrelationen zur Funktionalität (2010–2021).[4][7]

Die bei Lunkenheimers Forschungen hauptsächlich benutzte experimentelle Messmethode ist die dielektrische Spektroskopie in einem ungewöhnlich breiten Frequenzbereich von mehr als 18 Zehnerpotenzen.[4][8] Dies wird ergänzt durch nichtlineare dielektrische Messungen, bei denen die Proben hohen Wechselspannungen von einigen 1000 Volt ausgesetzt werden.[4][9]

Ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit Lunkenheimers ist die Untersuchung des Glasübergangs und der Moleküldynamik in unterkühlten Flüssigkeiten und anderer ungeordneter Materie.[4][8] Zum Beispiel berichtete Lunkenheimer zusammen mit einem internationalen Forscherteam in dem renommierten Fachmagazin Science über Messungen höherer harmonischer Ordnungen der elektrischen Suszeptibilität, was Theorien bestätigte, die den Übergang von der Flüssigkeit in das feste Glas mittels eines verborgenen Phasenübergangs erklären.[10][11] In neuerer Zeit beschäftigt sich Lunkenheimer auch mit der thermischen Ausdehnung von Gläsern und Flüssigkeiten. Zusammen mit Kollegen aus Augsburg, Berlin, Göttingen und Mailand veröffentlichte er hierzu einen Artikel im Fachjournal Nature Physics, der aufzeigt, dass der Fest-flüssig-Übergang von Gläsern nicht als einfacher Schmelzvorgang angesehen werden kann.[12][13]

Ein weiteres Arbeitsgebiet Lunkenheimers ist die Erforschung neuartiger ionenleitender Materialien mit Anwendungspotential als Elektrolyte in Akkumulatoren oder Superkondensatoren, z. B. ionische Flüssigkeiten und stark eutektische Lösungsmittel.[4] Zudem beschäftigt er sich mit dem Studium verschiedener Multiferroika und ungewöhnlicher Ferroelektrika.[4] Hieraus resultierte z. B. der Vorschlag eines neuen Mechanismus für multiferroisches Verhalten in einem organischen Ferroelektrikum.[14] Einige seiner höchstzitierten Arbeiten[3][15] behandeln Materialien mit sogenannter „kolossaler“ dielektrischer Konstante, ein in Lunkenheimers frühen Arbeiten auf diesem Gebiet geprägter Ausdruck,[16][17] der mittlerweile weite Anwendung findet.[18] In einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Wirtschaftswissenschaftlern und Ressourcenstrategen beschäftigte er sich auch mit der Entwicklung ressourceneffizienter Materialien für zukünftige technologische Anwendungen.[19] Weitere Arbeitsgebiete Lunkenheimers sind plastische Kristalle, Skyrmionen-Materialien, Hüpfleitung und biologische Materie.[4]

Veröffentlichungen

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Lunkenheimer hat bisher (Stand August 2024) mehr als 260 Publikationen in referierten internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Büchern veröffentlicht, darunter mehr als 30 in Journalen mit hohem Impact-Faktor wie Physical Review Letters, Science, Nature und Nature Materials.[3][15][20] Seine Arbeiten wurden mehr als 18.000-mal zitiert[20] und sein h-Index beträgt 63 (Web of Science)[15] bzw. 70 (Google Scholar).[20] Bei ScholarGPS wird er als Highly Ranked Scholar geführt.[21] Eine vollständige Liste seiner Publikationen findet sich unter der ORCID 0000-0002-4525-1394[22] und der Web of Science ResearcherID C-6196-2008.[15]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Peter Lunkenheimer. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender Online. Verlag De Gruyter, abgerufen am 5. August 2024.
  2. a b c Priv.-Doz. Dr. Peter Lunkenheimer. In: Mitarbeiterseite an der Universität Augsburg. Abgerufen am 5. August 2024.
  3. a b c Peter Lunkenheimer - significant publications. In: Persönliche Webseite an der Universität Augsburg. Abgerufen am 5. August 2024 (englisch).
  4. a b c d e f g h i Privatdozent Dr. Peter Lunkenheimer. In: Persönliche Webseite an der Universität Augsburg. Abgerufen am 5. August 2024 (englisch).
  5. DFG - GEPRIS - SFB 484: Kooperative Phänomene im Festkörper: Metall-Isolator-Übergänge und Ordnung mikroskopischer Freiheitsgrade. Abgerufen am 5. August 2024.
  6. DFG - GEPRIS - FOR 1394: Nonlinear response to probe vitrification. Abgerufen am 5. August 2024.
  7. DFG - GEPRIS - TRR 80: Von elektronischen Korrelationen zur Funktionalität. Abgerufen am 5. August 2024.
  8. a b P. Lunkenheimer, U. Schneider, R. Brand, A. Loid: Glassy dynamics. In: Contemporary Physics. Band 41, Nr. 1, Januar 2000, ISSN 0010-7514, S. 15–36, doi:10.1080/001075100181259 (tandfonline.com [abgerufen am 5. August 2024]).
  9. P. Lunkenheimer, M. Michl, Th. Bauer, A. Loidl: Investigation of nonlinear effects in glassy matter using dielectric methods. In: The European Physical Journal Special Topics. Band 226, Nr. 14, August 2017, ISSN 1951-6355, S. 3157–3183, doi:10.1140/epjst/e2017-70075-7 (springer.com [abgerufen am 7. August 2024]).
  10. S. Albert, Th. Bauer, M. Michl, G. Biroli, J.-P. Bouchaud, A. Loidl, P. Lunkenheimer, R. Tourbot, C. Wiertel-Gasquet, F. Ladieu: Fifth-order susceptibility unveils growth of thermodynamic amorphous order in glass-formers. In: Science. Band 352, Nr. 6291, 10. Juni 2016, ISSN 0036-8075, S. 1308–1311, doi:10.1126/science.aaf3182 (science.org [abgerufen am 5. August 2024]).
  11. Glasbildung durch amorphe Ordnung. In: Pressemitteilung 84/16. Universität Augsburg, 9. Juni 2016, abgerufen am 7. August 2024.
  12. Peter Lunkenheimer, Alois Loidl, Birte Riechers, Alessio Zaccone, Konrad Samwer: Thermal expansion and the glass transition. In: Nature Physics. Band 19, Nr. 5, Mai 2023, ISSN 1745-2481, S. 694–699, doi:10.1038/s41567-022-01920-5 (nature.com [abgerufen am 7. August 2024]).
  13. Universalitäten bei der Glasbildung. In: Pressemitteilung 08/23. Universität Augsburg, 6. Februar 2023, abgerufen am 7. August 2024.
  14. Peter Lunkenheimer, Jens Müller, Stephan Krohns, Florian Schrettle, Alois Loidl, Benedikt Hartmann, Robert Rommel, Mariano de Souza, Chisa Hotta, John A. Schlueter, Michael Lang: Multiferroicity in an organic charge-transfer salt that is suggestive of electric-dipole-driven magnetism. In: Nature Materials. Band 11, Nr. 9, September 2012, ISSN 1476-1122, S. 755–758, doi:10.1038/nmat3400 (nature.com [abgerufen am 6. August 2024]).
  15. a b c d Peter Lunkenheimer ResearcherID C-6196-2008. In: Web of Science. Abgerufen am 7. August 2024 (englisch).
  16. P. Lunkenheimer, V. Bobnar, A. V. Pronin, A. I. Ritus, A. A. Volkov, A. Loidl: Origin of apparent colossal dielectric constants. In: Physical Review B. Band 66, Nr. 5, 16. August 2002, ISSN 0163-1829, doi:10.1103/PhysRevB.66.052105 (aps.org [abgerufen am 6. August 2024]).
  17. P. Lunkenheimer, R. Fichtl, S. G. Ebbinghaus, A. Loidl: Nonintrinsic origin of the colossal dielectric constants in CaCu3Ti4O12. In: Physical Review B. Band 70, Nr. 17, 9. November 2004, ISSN 1098-0121, doi:10.1103/PhysRevB.70.172102 (aps.org [abgerufen am 6. August 2024]).
  18. Web of Science, abgerufen am 7. August 2024
  19. S. Krohns, P. Lunkenheimer, S. Meissner, A. Reller, B. Gleich, A. Rathgeber, T. Gaugler, H. U. Buhl, D. C. Sinclair, A. Loidl: The route to resource-efficient novel materials. In: Nature Materials. Band 10, Nr. 12, Dezember 2011, ISSN 1476-4660, S. 899–901, doi:10.1038/nmat3180 (nature.com [abgerufen am 7. August 2024]).
  20. a b c Peter Lunkenheimer. In: Google Scholar. Abgerufen am 7. August 2024.
  21. Peter Lunkenheimer | Scholar Profiles and Rankings. In: ScholarGPS. Abgerufen am 7. August 2024.
  22. Peter Lunkenheimer. In: ORCID. Abgerufen am 6. August 2024 (englisch).