Reeller projektiver Raum

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Ein reeller projektiver Raum ist in der Mathematik der projektive Raum eines reellen Vektorraumes, welcher als Punkte sämtliche reelle Ursprungsgeraden (eindimensionale Untervektorräume) von diesem enthält. notiert dabei den projektiven Raum von und wird -ter reeller projektiver Raum genannt. Ein reeller projektiver Raum ist ein Spezialfall einer Graßmann-Mannigfaltigkeit durch .

Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Darstellung der reellen projektiven Ebene, bei der die roten und blauen Seiten entsprechend der durch die Pfeile gegebenen Orientierung miteinander identifiziert werden.

Auf dem reellen euklidischen Raum ohne Ursprung ist die Relation , wenn es einen reellen Skalar mit gibt, eine Äquivalenzrelation. ist der Faktorraum von unter dieser Äquivalenzrelation.[1] Die Äquivalenzklasse einer Koordinate wird als notiert. Dieser Raum ist eine (reelle) Mannigfaltigkeit, was an der alternativen Definition durch die eindimensionalen Untervektorräume von , also als Graßmann-Mannigfaltigkeit , erkennbar ist. Dabei gilt:

Eine alternative Konstruktion ist die Einschränkung auf die Sphären und bei der Betrachtung dieser Äquivalenzrelation.[1] Dadurch ergibt sich ein Faserbündel:[2]

Da die Faser diskret ist, ist die Abbildung eine doppelte Überlagerung.

Alternative Darstellung der reellen projektiven Ebene

Niedrigdimensionale Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • ist der einpunktige Raum.
  • wird reelle projektive Linie genannt und ist homöomorph zur -Sphäre .[3] Die zusammen mit der kanonischen Projektion erzeugte Abbildung zwischen Sphären ist die reele Hopf-Faserung .[4]
  • wird reelle projektive Ebene genannt. Ihre Immersion in ist bekannt als Boysche Fläche und es gibt eine Einbettung in . Das Problem von Immersion und Einbettung des reellen projektiven Raumes ist bereits gut untersucht.[5]
  • ist diffeomorph zur Drehgruppe und besitzt daher eine Gruppenstruktur.[6] Die doppelte Überlagerung ist dabei topologisch zugrundeliegend für die doppelte Überlagerung . (Entsprechend ist diffeomorph zur Spingruppe und besitzt daher ebenfalls eine Gruppenstruktur.)
Bryant–Kusner-Parametrisierung der Boyschen Fläche

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jede stetige Abbildung mit gerade hat einen Fixpunkt (also die Fixpunkteigenschaft für gerade).[7][8] Für ungerade gilt dies nicht, da dann die Abbildung keinen Fixpunkt hat.[8]
  • Die reelle projektive Ebene ist der Moore-Raum . Ihre -fache Einhängung ist daher der Moore-Raum .
  • Die kleinste natürliche Zahl , sodass mit eine Einbettung in besitzt, ist genau die topologische Komplexität (mit der Konvention ).[9]
  • Für ist .[9]

CW-Struktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der reelle projektive Raum ist ein CW-Komplex. entsteht aus durch Anklebung einer -Zelle. Da aus einer -Zelle besteht, hat die CW-Struktur auf daher eine Zelle in jeder Dimension von .[10][11]

Algebraische Topologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Homotopie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Homotopiegruppen des reellen projektiven Raumes lassen sich über die lange exakte Sequenz von Homotopiegruppen[12] des Faserbündels berechnen[13] und sind gegeben durch:[14]

Homologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Homologiegruppen des reellen projektiven Raumes lassen sich über zelluläre Homologie aus dessen CW-Struktur berechnen und sind gegeben durch:[15][16]

Es ist also für gerade und für ungerade. Daraus folgt,[17] dass genau dann orientierbar ist, wenn ungerade ist.[18]

Kohomologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kohomologiegruppen des reellen projektiven Raumes sind gegeben durch:[19]

Für den Kohomologiering gilt:[20]

wobei die erste Stiefel–Whitney-Klasse ist.

K-Theorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tautologisches Linienbündel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt ein kanonisches Linienbündel über dem reellen projektiven Raum , da dessen Punkte per Konstruktion aus eindimensionalen Untervektorräumen bestehen, definiert durch:

Das ist ein Spezialfall des tautologischen Vektorbündels über Graßmann-Mannigfaltigkeiten.[21]

Tangentialbündel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das Tangentialbündel des reellen projektiven Raumes gilt:[22]

Unendlicher reeller projektiver Raum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kanonische Inklusion erzeugt eine wohldefinierte kanonische Inklusion . Der direkte Limes dieser Kette an Inklusionen wird als:

bezeichnet und unendlicher reeller projektiver Raum genannt.[23]

Das obige Faserbündel erzeugt durch direkten Limes ein Faserbündel . Da die unendlich-dimensionale Sphäre zusammenziehbar ist (also alle Homotopiegruppen verschwinden),[24] folgt aus der langen exakten Sequenz von Homotopiegruppen[12] für die des unendlich reellen projektiven Raumes :

Die CW-Struktur überträgt sich ebenfalls durch den direkten Limes, sodass der unendliche reelle projektive Raum eine CW-Struktur mit einer Zelle in jeder Dimension hat.

Das tautologische Linienbündel lässt sich durch den direkten Limes über die kanonischen Inklusionen auf fortsetzen und ist ein Spezialfall eines universellen Vektorbündels. Die Namensgebung kommt daher, dass sich jedes reelle Linienbündel als zurückgezogenes Vektorbündel aus diesem erhalten lässt, also für jedes reelle Linienbündel mit parakompakt (bis auf Homotopie) eine klassifizierende Abbildung existiert, sodass . Es gibt daher eine Isomorphie von Mengen:[25]

Etwa ist der Rückzug des universellen Vektorbündels entlang der kanonischen Inklusion (also ) wieder das tautologische Linienbündel .

ist , der klassifizierende Raum von , der ersten orthogonalen Gruppe, und dadurch ebenso ,[26][23] der erste Eilenberg–MacLane-Raum von wie oben bereits gezeigt. Das bedeutet, dass die erste singuläre Kohomologie mit Koeffizienten in darstellt (vergleiche mit dem Brownschen Darstellungssatz), also für topologische Räume mit dem Homotopietyp eines CW-Komplexes (also insbesondere parakompakt[27]) sogar spezieller gilt:

Dabei ist der Isomorphismus (Homomorphismus, falls nicht vom Homotopietyp eines CW-Komplexes ist) durch die erste Stiefel–Whitney-Klasse gegeben.[28]

Der Kohomologiering des unendlich reellen projektiven Raumes mit Koeffizienten in ist gegeben durch:[20]

wobei die erste Stiefel–Whitney-Klasse ist. Das folgt direkt aus dem allgemeineren Resultat für den klassifizierenden Raum von :[29][30]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 6, Example 0.4.
  2. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 377, Example 4.44. (englisch).
  3. projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  4. real Hopf fibration. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  5. Siehe Don Davis für ein Literaturverzeichnis und eine Liste an bekannten Resultaten.
  6. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 293.
  7. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 155, Exercise 2.
  8. a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 180.
  9. a b Michael Farber, Serge Tabachnikov, Sergey Yuzvinsky: Topological robotics: motion planning in projective spaces. 2. Oktober 2002, abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  10. cell structure of projective spaces. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  11. CW structure of real projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  12. a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 376, Theorem 4.41.
  13. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 380, Example 4.49.
  14. Homotopy of real projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  15. Hatcher: Algebraic Topology. Chapter 2: Homology, Example 2.42, S. 144 (englisch).
  16. Homology of real projective space. Abgerufen am 30. Januar 2024 (englisch).
  17. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 238, Corollary 3.28.
  18. J. T. Wloka, B. Rowley, B. Lawruk: Boundary Value Problems for Elliptic Systems. Cambridge University Press, 1995, ISBN 978-0-521-43011-1, S. 197 (englisch, google.com).
  19. Cohomology of real projective space. Abgerufen am 30. Januar 2024 (englisch).
  20. a b Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 213/220, Example 3.12/Theorem 3.19.
  21. Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. S. 6–7.
  22. Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. S. 11.
  23. a b real projective space. Abgerufen am 31. Januar 2024 (englisch).
  24. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 19, Exercise 16.
  25. Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. S. 29, Theorem 1.16.
  26. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 88, Example 1B.3.
  27. Allen Hatcher: Algebraic Topology. S. 36, Proposition 1.20.
  28. Allen Hatcher: Vector Bundles and K-theory. S. 86, Proposition 3.10.
  29. John Milnor, James Stasheff: Characteristic Classes. S. 83, Theorem 7.1.
  30. Stiefel-Whitney class. Abgerufen am 18. Februar 2024 (englisch).