Sachverständigenrat für Umweltfragen
Sachverständigenrat für Umweltfragen | |
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Gründung | 1971 |
Hauptsitz | Berlin, Deutschland |
Netzauftritt | www.umweltrat.de |
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (kurz SRU, bis 2005 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen), auch bekannt als Umweltrat, ist ein wissenschaftliches Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung. Der SRU begutachtet die Umweltsituation in Deutschland und berät die Bundesregierung hinsichtlich ihrer zukünftigen Umweltpolitik. Er wurde 1971 durch Erlass der Bundesregierung beim Bundesministerium des Innern eingerichtet und nahm 1972 seine Arbeit auf.[1] Ein eigenständiges Bundesumweltministerium gibt es in Deutschland erst seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986, an das nach seiner Gründung die fachliche Zuständigkeit für den SRU überging.[2]
Der Umweltrat ist nicht an Weisungen gebunden und entscheidet selbst über die Themen seiner Gutachten, Stellungnahmen und sonstigen Publikationen; diese sind online erhältlich.
Der Sachverständigenrat wird von einer Geschäftsstelle unterstützt, die sich in Berlin befindet.
Mitglieder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dem Sachverständigenrat für Umweltfragen gehören sieben Professorinnen und Professoren an. Alle Mitglieder müssen über besondere wissenschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen im Umweltschutz verfügen. Sie dürfen in den letzten sieben Jahren vor ihrer Berufung keiner juristischen Person des öffentlichen Rechts angehört haben, etwa der Bundesregierung oder dem öffentlichen Dienst, es sei denn als Hochschullehrer oder als Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Instituts. Ebenso dürfen sie in dieser Zeit nicht Repräsentant oder Repräsentantin eines Wirtschaftsverbandes, einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation gewesen sein und auch nicht zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis gestanden haben. Sie sind in ihrer Arbeit nicht weisungsgebunden. Die Ratsmitglieder werden vom Bundesumweltminister mit Zustimmung der Bundesregierung für die Dauer von vier Jahren berufen. Eine Wiederberufung ist möglich.[3]
Die Mitglieder sind ausnahmslos Universitätsprofessoren verschiedener Fachdisziplinen. Für die Amtsperiode Juli 2024 bis Juni 2028 sind dies:[4]
- Christina Dornack, Technische Universität Dresden
- Claudia Hornberg (Vorsitzende), Universität Bielefeld
- Claudia Kemfert, Leuphana Universität Lüneburg und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin
- Wolfgang Lucht, Humboldt-Universität zu Berlin und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
- Wolfgang Köck, Universität Leipzig und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
- Josef Settele, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
- Annette Elisabeth Töller, FernUniversität in Hagen
Ehemalige Vorsitzende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgenden Personen hatten den Vorsitz inne[5]:
- Karl-Heinrich Hansmeyer (1972–1978)
- Hartmut Bick (1978–1981)
- Jürgen Salzwedel (1981–1984)
- Wolfgang Haber (1984–1990)
- Hans Willi Thoenes (1992–1996)
- Eckard Rehbinder (1996–2000)
- Gertrude Lübbe-Wolff (2000–2002)
- Hans-Joachim Koch (2002–2008)
- Martin Faulstich (2008–2016)
- Claudia Hornberg (2016–heute )
Publikationsarten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 2020 veröffentlicht der Umweltrat in regelmäßigen Abständen, mindestens alle zwei Jahre, Gutachten, Stellungnahmen und sonstige schriftliche Äußerungen. Der SRU gab in der Vergangenheit diese Arten von Publikationen heraus:[6]
Umweltgutachten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Umweltgutachten erscheinen alle vier Jahre, zuletzt 2020. Sie dienen der periodischen Berichterstattung und bieten eine detaillierte Gesamtevaluation der Umweltsituation und Umweltpolitik.
Der SRU legte zwischen 1994 und 2004 alle zwei Jahre umfassende Umweltgutachten vor. Der Berichtszyklus wurde danach auf vier Jahre verlängert. Das Umweltgutachten 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“[7] wurde am 18. Juni Bundesumweltminister Sigmar Gabriel überreicht. Mit dem Umweltgutachten 2012 „Verantwortung in einer begrenzten Welt“, das am 4. Juni 2012 Umweltminister Peter Altmaier übergeben wurde, richtete der Umweltrat den Blick auf Möglichkeiten der Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung. Im Umweltgutachten 2016 „Impulse für eine integrative Umweltpolitik“ wird für die Weiterführung der deutschen Vorreiterpolitik für eine ökologische Transformation plädiert und zugleich für einen geringeren Flächenverbrauch, für mehr Wildnis und für den Schutz der Biodiversität geworben.[8] Das Umweltgutachten 2020 „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“ fokussiert auf umweltpolitische Themenfelder, in denen großer Handlungsbedarf besteht. Dazu zählen Klimapolitik, Kreislaufwirtschaft, Gewässerschutz, Lärmschutz, städtische Mobilität und nachhaltige Quartiersentwicklung. Gleichzeitig wird aufgezeigt, wie ein Umsteuern mit zielgerichteten Maßnahmen möglich ist.
Im Jahr 2009 erschien das Buch „Zwischen Wissenschaft und Politik – 35 Jahre Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen“.[9]
Sondergutachten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sondergutachten widmen sich jeweils einem ausgewählten Politikfeld. Mit ihnen trägt der SRU zur konzeptionellen Entwicklung neuer umweltpolitischer Strategieansätze einschließlich ihrer handlungsbezogenen Instrumentierung bei.
Über die Themen und Erscheinungsdaten der Sondergutachten entscheiden die Mitglieder selbstständig.
Stellungnahme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit seinen Stellungnahmen bezieht der SRU Position in aktuellen politischen Willenbildungsprozessen.
Die Stellungnahme Nr. 15 erschien am 5. Mai 2010 und trägt den Titel „100 % erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar“.[10]
Kommentar zur Umweltpolitik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein „Kommentar zur Umweltpolitik“ ist ein aktueller „Zwischenruf“. Er basiert in der Regel auf bereits erarbeiteten bzw. veröffentlichten Positionen. Der erste Kommentar erschien 2002 zum Dosenpfand.[11]
Materialien zur Umweltforschung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die vom SRU herausgegebene Reihe „Materialien zur Umweltforschung“ präsentierte dem interessierten Fachpublikum Auftragsgutachten ausgewiesener Experten zu speziellen Fragestellungen der Umweltforschung.[12] Für den Inhalt dieser externen Zuarbeiten sind allein die Autoren verantwortlich. Die Ergebnisse wurden in die Gutachten des SRU integriert.
Politische Unabhängigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ende 2011 versuchten Politiker von FDP und CDU, die Unabhängigkeit des Rates zu neutralisieren, indem sie die Geschäftsstelle des Rates mit einer hochdotierten Direktorenstelle ausstatten wollten, die vom Rat selbst weder erbeten noch für notwendig erachtet wurde. „Hierdurch soll der SRU auch in seiner Außendarstellung […] dauerhaft in den (personal)-politischen Einfluss und Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen gebracht werden“, zitiert die taz ein internes Schreiben aus Koalitionskreisen. Der Rat hatte zuvor mehrfach scharfe Kritik an der Energiepolitik der Regierung geübt, beispielsweise an der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke oder dem Bau neuer Kohlekraftwerke.[13][14]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website
- Digitale Chronik zur Geschichte des SRU
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Erlass über die Einrichtung eines Rates von Sachverständigen für Umweltfragen bei dem Bundesminister des Innern vom 28. Dezember 1971 (GMBl. 1972, S. 27).
- ↑ Umweltrat neu berufen. Pressemitteilung. Sachverständigenrat für Umweltfragen, 8. Juni 2000, abgerufen am 6. Juli 2012.
- ↑ Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Erlass über die Einrichtung eines Sachverständigenrates für Umweltfragen bei dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (GMBl. 2005, Nr. 31, S. 662 f.). 1. März 2005 (Online [abgerufen am 24. Dezember 2018]).
- ↑ Der SRU – Ratsmitglieder. Sachverständigenrat für Umweltfragen, abgerufen am 27. November 2020.
- ↑ Sachverständigenrat für Umweltfragen: Ehemalige Ratsmitglieder (PDF), abgerufen am 21. Mai 2018.
- ↑ Publikationen des Umweltrats ( vom 16. Juni 2017 im Internet Archive)
- ↑ Umweltgutachten 2008 „Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels“ (PDF, 8 MB – Downloadseite), 596 Seiten
- ↑ Umweltgutachten 2016, Impulse für eine integrative Umweltpolitik, Kurzfassung, SRU, Mai 2016, Langfassung (PDF; 9,3 MB)
- ↑ Zwischen Wissenschaft und Politik – 35 Jahre Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen. In: Hans Joachim Koch, Christian Hey (Hrsg.): Materialien zur Umweltforschung 38 (= Materialien zur Umweltforschung. Band 38). (Online [PDF; 1,4 MB; abgerufen am 24. Dezember 2018]).
- ↑ Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.): 100% erneuerbare Stromversorgung bis 2050: klimaverträglich, sicher, bezahlbar (= Stellungnahme. Nr. 15). Mai 2010, ISSN 1612-2968 (Online [PDF; 3,6 MB; abgerufen am 24. Dezember 2018]).
- ↑ Kommentare zur Umweltpolitik – Downloadseite ( des vom 8. Juli 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Materialien der Umweltforschung – Downloadseite ( des vom 31. Januar 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Fritz Vorholz: Schwarz-Gelb will Umweltrat auf Linie bringen. In: Zeit Online. 12. Dezember 2011 (Online [abgerufen am 24. Dezember 2018]).
- ↑ Sebastian Fischer: Expertengremium auf Koalitionskurs – FDP will Umweltrat kontrollieren. In: TAZ. 12. Dezember 2011 (Online [abgerufen am 24. Dezember 2018]).