Singularität (Meteorologie)

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Der Begriff Singularität (lateinisch singularis ‚einzigartig‘) bezeichnet in der Meteorologie eigenartige Witterungsregelfälle.

Das sind Wetterlagen, die zu bestimmten Zeitabschnitten im Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten und eine deutliche Abweichung von einem glatten Verlauf der Wetterelemente (Temperatur, Niederschlag usw.) darstellen, aber im langjährigen Mittel liegen. Bekannte Singularitäten in Mitteleuropa sind zum Beispiel der Märzwinter, die Eisheiligen, die Schafskälte, die Hundstage, der Altweibersommer, der Martini-Sommer und das Weihnachtstauwetter.

Unvorhergesehene Abweichungen vom Mittel nennt man Anomalie (altgriechisch anṓmalos ‚uneben, unregelmäßig‘).

Der Begriff Singularität wurde von August Schmauß in den 1920er Jahren eingeführt.[1] Seitdem nennt man die Erforschung dieser Regelmäßigkeiten im Jahresgang der Witterung Singularitätenforschung. Ihren Höhepunkt hatte die Singularitätenforschung in den 1940er Jahren erreicht. Ziel war es, eine Wettervorhersage aufgrund dieser wiederkehrenden Ereignisse zu ermöglichen, was jedoch aufgegeben werden musste. In den 1950er Jahren wurde dann die Singularitätenforschung von Franz Baur zur Erforschung der Großwetterlagen weiterentwickelt.[2]

Die Ursache dieser Regelmäßigkeit liegt im zyklischen Verlauf des Sonnenstandes, in – auch damit verbundenen – Temperaturänderungen und wiederkehrenden Strömungen (Großwetterlage), die auch im langjährigen Durchschnitt nicht verschwinden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Eintreffen der Singularitäten zu einem bestimmten Stichtag oder Zeitraum auch sehr von Zufällen abhängig ist; außerdem treten diese Ereignisse meist nicht einmal in zwei Dritteln aller beobachteten Jahre auf.

Mitteleuropäische Singularitäten

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Fasst man die Untersuchungen von Flohn (1954), Schönwiese (1987), Horst Malberg (1989) und Bissolli (1991)[3] zusammen, so erhält man grundsätzlich folgende, statistisch gut nachweisbare, kalendergebundene Temperaturbesonderheiten in Mitteleuropa.[4]

Zeitraum Ereignis Phänologische Periode traditionelle Lostage
7.–9. Januar Kälteeinbruch
17.–20. Januar Kälteeinbruch Hochwinter
9. Februar Warmluftvorstoß
16. Februar Kaltlufteinbruch Spätwinter
25. März Kälteeinbruch Märzwinter Mariä Verkündigung (25.)
22. April Warmluftphase Mittfrühling
25.–27. April kühle Witterung[5] Georgi (23.), Markus (25.)
15.–20. Mai Warmluftvorstoß Spätfrühling
21.–23. Mai[6] Kälterückfall nach Warmluftzufuhr Eisheilige Pankraz, Servaz, Bonifaz und die „kalte“ Sophie (12.–15.)
3.–10. Juni Warmluftperiode Frühsommer
11.–20. Juni kühle Witterung Schafskälte
Ende Juni Temperaturrückgang nach kurzer Erwärmung Siebenschläfer
9.–14. Juli erste Hochsommerperiode
22./23. Juli kühlere Witterung
Ende Juli / Anfang August zweite Hochsommerperiode Hundstage
Anfang September warme Witterung
10./11. September zweite Wärmephase
Mitte September kühlere Witterung
ab Ende September stabiles Schönwetter Altweibersommer
Mitte Oktober kühle Witterung
Mitte November Wärmerückfall Martini-Sommer Martinstag (11.)
Anfang Dezember Kälteperiode
Mitte Dezember Kälteperiode nach vorangegangener Milderung Nikolaus (6.)[7]
24.–28. Dezember Wärmeeinbruch Weihnachtstauwetter
Ende Dezember / Jahreswechsel Kälteeinbruch

Diese Singularitäten stellen in allererster Linie den Wechsel von Tief-Phasen (Schlechtwetter) und stabilerem Hochdruckeinfluss dar, mit zeitweise vom Golfstrom getragenen gemäßigten atlantischen Luftmassen (sommers kühl, winters mild) und kräftigeren Aufwärmungs- und Abkühlungsphasen durch ozeanische oder kontinentale Hochs, und die jahreszeitliche durchschnittliche geographische Breite der Nordatlantiktiefs, die an ihren Fronten und Rückseiten polare Kaltluft oder atlantisch-mediterrane subtropische Warmluft einströmen lassen. Sie gelten daher so primär im Kern der atlantischen Einflusszone Europas.

Überlagert von der nordatlantischen Oszillation (NAO) und auch längeren Schwankungen, wie der Atlantischen Multidekaden-Oszillation (AMO), können sich diese Singularitäten in bestimmten Jahren im Jahreslauf weit verschieben, gänzlich ausfallen oder ins Gegenteil verkehren. Das Modell beschreibt nur eine langjährige Signifikanz.

Zu beachten ist beim Bezug zu Lostagen, dass etliche mutmaßlich alte Bauernregeln, die typischerweise auch solche Singularitäten darstellen (wie die Eisheiligen, oder der Siebenschläfertag zum Ausfall der Hundstage) unter Berücksichtigung der Gregorianischen Kalenderreform prinzipiell ein paar Tage später zu sehen wären, jüngere Regeln aber nicht. Einige dieser Regeln haben dann nachweislich gewisse Aussagekraft, können also als protowissenschaftlicher Vorläufer des Singularitätenmodells gesehen werden, wie auch die Benennung einiger der Ereignisse zeigt.

  • Horst Malberg: Bauernregeln. Aus meteorologischer Sicht. 4. erw. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2003, ISBN 978-3-540-00673-2

Einzelnachweise

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  1. Schmauss: Singularitäten im jährlichen Witterungsverlauf von München. Deutsches Meteorologisches Jahrbuch, München, 1928
  2. Joachim Blüthgen, Wolfgang Weischet: Allgemeine Klimatographie. de Gruyter, 1980, ISBN 3-11-006561-4
  3. Peter Bissolli: Eintrittswahrscheinlichkeit und statistische Charakteristika der Witterungsregelfälle in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin. Dissertation (= Berichte des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Universität Frankfurt am Main. Nr. 88). Eigenverlag des Instituts, 1991, ZDB-ID 967715-X.
  4. Horst Malberg: Bauernregeln. Aus meteorologischer Sicht.4. erw. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2003, ISBN 978-3-540-00673-2, S. 28
  5. Extreme Ereignisse beispielsweise 1985, 1997 und 2016
  6. Siegfried Werner: Wettergeheimnisse selbst entschlüsseln. München 1993, ISBN 3-453-06640-5, S. 51.
  7. Vergl. die Bauernregeln wie „St. Nikolaus spült die Ufer aus.“ Diese Regel ist süddeutsch (vgl. auf sagen.at), bezeichnet also Regen-/Tauhochwässer.