„Mazzotti-Reaktion“ – Versionsunterschied

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Die '''Mazzotti-Reaktion''' stellt einen Symptomenkomplex dar, der sich unter der Therapie einer [[Filariose|Fadenwurmerkrankung]] v.a. mit dem [[Anthelminthikum]] [[Diethylcarbamazin]] (DEC) einstellt bzw. einstellen kann. Erstbeschreiber war der [[Mexiko|mexikanische]] [[Parasitologe]] [[Luigi Mazzotti]] (1900–1971), der sie 1948 entdeckte.<ref>[http://medical-dictionary.thefreedictionary.com/Mazzotti+reaction Mazotti-Reaktion.] Abgerufen am 22 Dezember 2014.</ref>
Die '''Mazzotti-Reaktion''' stellt einen Symptomenkomplex dar, der sich unter der Therapie einer [[Filariose|Fadenwurmerkrankung]] v.a. mit dem [[Anthelminthikum]] [[Diethylcarbamazin]] (DEC) einstellt bzw. einstellen kann. Erstbeschreiber war der [[Mexiko|mexikanische]] [[Parasitologe]] [[Luigi Mazzotti]] (1900–1971), der sie 1948 entdeckte.<ref>[http://medical-dictionary.thefreedictionary.com/Mazzotti+reaction ''Mazotti-Reaktion''.] Abgerufen am 22 Dezember 2014.</ref>


== Symptomatik und Pathogenese ==
== Symptomatik und Pathogenese ==


Durch die anthelmintische Therapie sterben die Würmer im Körper des Wirtes ab. Bei diesem Prozess gelangen vermehrt parasitäre [[Antigene]] in den Wirtsorganismus, die dort eine (überschießende) Immunreaktion auslösen<ref>Ackerman SJ, Kephart GM, Francis H, Awadzi K, Gleich GJ, Ottesen EA.Eosinophil degranulation. An immunologic determinant in the pathogenesis of the Mazzotti reaction in human onchocerciasis.J Immunol. 1990 May 15;144(10):3961-9.</ref>. Die Symptome der Reaktion sind somit meist dem [[Allergie|allergischen]] Formenkreis zu zuordnen:
Durch die anthelmintische Therapie sterben die Würmer im Körper des Wirtes ab. Bei diesem Prozess gelangen vermehrt parasitäre [[Antigene]] in den Wirtsorganismus, die dort eine (überschießende) Immunreaktion auslösen<ref>S. J. Ackerman, G. M. Kephart, H. Francis, K. Awadzi, G. J. Gleich, E. A. Ottesen: ''Eosinophil degranulation. An immunologic determinant in the pathogenesis of the Mazzotti reaction in human onchocerciasis.'' In: ''The Journal of Immunology.'' 144, Nr. 10, 1990, S. 3961–3969, PMID 2332637.</ref>. Die Symptome der Reaktion sind somit meist dem [[Allergie|allergischen]] Formenkreis zu zuordnen:


* [[Urticaria|Quaddelbildung]],
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* und [[Ödem]]bildung
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Zusätzlich finden sich Allgemeinsymptome wie [[Fieber]], [[Lymphadenopathie|geschwollene und druckschmerzhafte Lymphknoten]], [[Arthralgie|Gelenk-]] sowie [[Bauchschmerzen]]. Im Extremfall kann sich die Mazzotti-Reaktion bis zum [[Anaphylaxie|anaphylaktischen]] [[Schock (Medizin)|Schock]] ausweiten, der akut lebensbedrohlich ist. Die Reaktion bildet sich meist innert 7 Tagen nach Therapiebeginn aus, wobei das Ausmaß der Symptome mit der Parasitenbefallsdichte zu korrelieren scheint.
Zusätzlich finden sich Allgemeinsymptome wie [[Fieber]], [[Lymphadenopathie|geschwollene und druckschmerzhafte Lymphknoten]], [[Arthralgie|Gelenk-]] sowie [[Bauchschmerzen]]. Im Extremfall kann sich die Mazzotti-Reaktion bis zum [[Anaphylaxie|anaphylaktischen]] [[Schock (Medizin)|Schock]] ausweiten, der akut lebensbedrohlich ist. Die Reaktion bildet sich meist innert 7 Tagen nach Therapiebeginn aus, wobei das Ausmaß der Symptome mit der Parasitenbefallsdichte zu korrelieren scheint.


== Auslöser ==
== Auslöser ==
[[File:Diethylcarbamazine.svg|thumb|Diethylcarbamazine|Strukturformel von Diethylcarbamazin, einem häufigen Auslöser der Mazzotti-Reaktion]]
[[Datei:Diethylcarbamazine.svg|mini|Diethylcarbamazine|Strukturformel von Diethylcarbamazin, einem häufigen Auslöser der Mazzotti-Reaktion]]
[[File:Onchocerca_volvulus_mf1_DPDx.JPG|thumb|Mikrofoto von ''[[Onchocerca volvulus]]'', dem Erreger der [[Flussblindheit]]]]
[[Datei:Onchocerca_volvulus_mf1_DPDx.JPG|mini|Mikrofoto von ''[[Onchocerca volvulus]]'', dem Erreger der [[Flussblindheit]]]]


Mazzotti beschrieb die Reaktion bei der Behandlung der [[Flussblindheit]] mit Diethylcarbamazin. Aber auch andere antiparasitäre Wirkstoffe kommen als Auslöser in Frage wie z.B. [[Ivermectin]], [[Praziquantel]] und [[Albendazol]]. Weitere parasitäre Erkrankungen, bei deren Therapie eine Mazzotti-Reaktion auftreten kann, stellen der [[Schistosomiasis|Befall mit Pärchenegeln]] oder dem [[Zwergfadenwurm]] dar.<ref>{{cite journal|last=Olson|first=Bradley G. MD|author2=Domachowske, Joseph B. MD|title=Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee|journal=Pediatric Infectious Disease Journal|date=May 2006|volume=25|issue=5|pages=466–468|doi=10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c|Abgerufen am Dec 22, 2014}}</ref> Auch bei der Ivermectin-Behandlung der [[Krätze]] wurde schon das Auftreten des Symptomenkomplexes beschrieben.<ref>Ito T. Mazzotti reaction with eosinophilia after undergoing oral ivermectin for scabies. The Journal of Dermatology. 40(9):776–777.</ref>
Mazzotti beschrieb die Reaktion bei der Behandlung der [[Flussblindheit]] mit Diethylcarbamazin. Aber auch andere antiparasitäre Wirkstoffe kommen als Auslöser in Frage wie z.&nbsp;B. [[Ivermectin]], [[Praziquantel]] und [[Albendazol]]. Weitere parasitäre Erkrankungen, bei deren Therapie eine Mazzotti-Reaktion auftreten kann, stellen der [[Schistosomiasis|Befall mit Pärchenegeln]] oder dem [[Zwergfadenwurm]] dar.<ref>{{cite journal|last=Olson|first=Bradley G.|author2=Joseph B. Domachowske |title=Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee|journal=Pediatric Infectious Disease Journal|date=2006-05|volume=25|issue=5|pages=466–468|doi=10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c}}</ref> Auch bei der Ivermectin-Behandlung der [[Krätze]] wurde schon das Auftreten des Symptomenkomplexes beschrieben.<ref>Toshiki Ito: ''Mazzotti reaction with eosinophilia after undergoing oral ivermectin for scabies.'' In: ''The Journal of Dermatology.'' 40, Nr. 9, 2013, S. 776–777, {{DOI|10.1111/1346-8138.12243}}.</ref>


== Mazzotti-Test ==
== Mazzotti-Test ==


[[File:1+ reaction.jpg|thumb|Bild eines Epikutantests. Das zweite Feld von oben links zeigt einen schwach positiven Befund]]
[[Datei:1+ reaction.jpg|mini|Bild eines Epikutantests. Das zweite Feld von oben links zeigt einen schwach positiven Befund]]
Da unter der DEC-Therapie der Flussblindheit sehr häufig die Mazzotti-Reaktion auftritt, kann man sich diesen Sachverhalt diagnostisch zunutze machen:
Da unter der DEC-Therapie der Flussblindheit sehr häufig die Mazzotti-Reaktion auftritt, kann man sich diesen Sachverhalt diagnostisch zunutze machen:


Die technisch einfachere – wenn auch riskantere – Möglichkeit ähnelt der [[Diagnosis ex juvantibus]]. Der Patient erhält hierbei eine orale DEC-Dosis; zeigt er anschließend die typischen Symptome der Mazzotti-Reaktion kann man recht sicher davon ausgehen, dass er von ''Onchocera volvulus'' oder anderen [[Filarien]] befallen ist.<ref>https://web.stanford.edu/class/humbio103/ParaSites2006/Onchocerciasis/Diagnosis.html</ref>
Die technisch einfachere – wenn auch riskantere – Möglichkeit ähnelt der [[Diagnosis ex juvantibus]]. Der Patient erhält hierbei eine orale DEC-Dosis; zeigt er anschließend die typischen Symptome der Mazzotti-Reaktion kann man recht sicher davon ausgehen, dass er von ''Onchocera volvulus'' oder anderen [[Filarien]] befallen ist.<ref>https://web.stanford.edu/class/humbio103/ParaSites2006/Onchocerciasis/Diagnosis.html</ref>


Die elegantere Form ist eine Variante des [[Epikutantest]]. Im Gegensatz zum üblichen Test wird dem Patienten kein Allergen auf die Haut aufgebracht, sondern DEC wird auf die Haut aufgetragen und dort unter einem Aluminium-Hütchen belassen. Der Wirkstoff tötet die unter dem Alu-Plättchen in der Haut befindlichen Larven ab und es kommt zur einer lokal begrenzten Immunreaktion auf die frei werdenden Erregerbestandteile. [[Dermatologie|Dermatologisch]] lässt sich ein positiver Test auch hier u.a. an der Bildung eines [[Erythem]]s, [[Ekzem]]s, [[Papel]]n oder [[Vesicula (Dermatologie)|Vesikeln]] ablesen. Die Möglichkeit einer systemischen, anaphylaktischen Reaktion ist bei dieser Form des Tests äußerst gering.<ref>Kilian HD. The use of a topical Mazzotti test in the diagnosis of onchocerciasis.Trop Med Parasitol. 1988 Sep;39(3):235-8.</ref>
Die elegantere Form ist eine Variante des [[Epikutantest]]. Im Gegensatz zum üblichen Test wird dem Patienten kein Allergen auf die Haut aufgebracht, sondern DEC wird auf die Haut aufgetragen und dort unter einem Aluminium-Hütchen belassen. Der Wirkstoff tötet die unter dem Alu-Plättchen in der Haut befindlichen Larven ab und es kommt zur einer lokal begrenzten Immunreaktion auf die frei werdenden Erregerbestandteile. [[Dermatologie|Dermatologisch]] lässt sich ein positiver Test auch hier u.&nbsp;a. an der Bildung eines [[Erythem]]s, [[Ekzem]]s, [[Papel]]n oder [[Vesicula (Dermatologie)|Vesikeln]] ablesen. Die Möglichkeit einer systemischen, anaphylaktischen Reaktion ist bei dieser Form des Tests äußerst gering.<ref>Kilian Hd: ''The use of a topical Mazzotti test in the diagnosis of onchocerciasis.'' In: ''Tropical medicine and parasitology : official organ of Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft and of Deutsche Gesellschaft fur Technische Zusammenarbeit (GTZ).'' 39, Nr. 3, 1988, S. 235–238, PMID 3194667.</ref>


Bei beiden Varianten bietet sich im Falle eines positiven Nachweises die Möglichkeit, den Befall mit anderen Medikamenten (sofern verfügbar) zu behandeln, die ein deutlich niedrigeres Risiko für eine Mazzotti-Reaktion aufweisen.<ref>Brieger, Awedoba, Eneanya, Hagan, Ogbuagu, Okello, Ososanya, Ovuga, Noma, Kale, Burnham, Remme. The effects of ivermectin on onchocercal skin disease and severe itching: results of a multicentre trial. Issue Tropical Medicine & International Health Tropical Medicine & International Health. 12(3):951-961.</ref>
Bei beiden Varianten bietet sich im Falle eines positiven Nachweises die Möglichkeit, den Befall mit anderen Medikamenten (sofern verfügbar) zu behandeln, die ein deutlich niedrigeres Risiko für eine Mazzotti-Reaktion aufweisen.<ref>W. R. Brieger u. a.: ''The effects of ivermectin on onchocercal skin disease and severe itching: results of a multicentre trial.'' In: ''Tropical Medicine & International Health.'' 3, Nr. 12, 1998, S. 951–961, {{DOI|10.1046/j.1365-3156.1998.00339.x}}.</ref>


== Therapie ==
== Therapie ==
Da die Ursache eine Überreaktion des Immunsystems darstellt, eignen sich zur (präemptiven) Therapie bzw. Prophylaxe [[Immunsuppression|immunsuppressive]] [[Glucocorticoide]] wie z.B. [[Prednison]].<ref>Olson, Bradley G. MD; Domachowske, Joseph B. MD (May 2006). "Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee". Pediatric Infectious Disease Journal 25 (5): 466–468. doi:10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c</ref> Stellt sich eine Schock-Symptomatik ein, so ist der Patient entsprechend einer Anaphylaxie zu behandeln ([[Katecholamine]], [[Volumentherapie]]).<ref>http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-025l_S2k_Akuttherapie_anaphylaktischer_Reaktionen_2013-12.pdf</ref>
Da die Ursache eine Überreaktion des Immunsystems darstellt, eignen sich zur (präemptiven) Therapie bzw. Prophylaxe [[Immunsuppression|immunsuppressive]] [[Glucocorticoide]] wie z.&nbsp;B. [[Prednison]].<ref>Bradley G. Olson, Joseph B. Domachowske: ''Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee:'' In: ''The Pediatric Infectious Disease Journal.'' 25, Nr. 5, 2006, S. 466–468, {{DOI|10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c}}.</ref> Stellt sich eine Schock-Symptomatik ein, so ist der Patient entsprechend einer Anaphylaxie zu behandeln ([[Katecholamine]], [[Volumentherapie]]).<ref>Johannes Ring u. a.: ''Guideline for acute therapy and management of anaphylaxis.'' In: ''Allergo Journal International.'' 23, Nr. 3, 2014, S. 96–112, {{DOI|10.1007/s40629-014-0009-1}} ([http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-025l_S2k_Akuttherapie_anaphylaktischer_Reaktionen_2013-12.pdf PDF]).</ref>


== Ähnliche Krankheitsbilder ==
== Ähnliche Krankheitsbilder ==


Eine der pathophysiologischen Erklärungen für die [[Jarisch-Herxheimer-Reaktion]], die z.B. bei der [[Penicillin G]]-Therapie der [[Lues]] auftreten kann, beruht auf einem ähnlichen Pathomechanismus. Auch hier sollen plötzlich freiwerdende Erregerbestandteile zu einer Überreaktion des [[Immunsystem|Abwehrsystems]] mit massiver [[Interleukin]]ausschüttung prädispositionieren, die bis hin zum Schock führen kann.<ref>{{cite journal |author=Vidal V, Scragg IG, Cutler SJ, et al. |title=Variable major lipoprotein is a principal TNF-inducing factor of louse-borne relapsing fever |journal=Nat. Med |volume=4 |issue=12 |pages=1416–20 |date=December 1998 |pmid=9846580 |doi=10.1038/4007}}</ref><ref>{{cite journal |author=Kaplanski G, Granel B, Vaz T, Durand JM |title=Jarisch-Herxheimer reaction complicating the treatment of chronic Q fever endocarditis: elevated TNFalpha and IL-6 serum levels |journal=J. Infect |volume=37 |issue=1 |pages=83–4 |date=July 1998 |pmid=9733392 |doi=10.1016/S0163-4453(98)91120-3}}</ref>
Eine der pathophysiologischen Erklärungen für die [[Jarisch-Herxheimer-Reaktion]], die z.&nbsp;B. bei der [[Penicillin G]]-Therapie der [[Lues]] auftreten kann, beruht auf einem ähnlichen Pathomechanismus. Auch hier sollen plötzlich freiwerdende Erregerbestandteile zu einer Überreaktion des [[Immunsystem|Abwehrsystems]] mit massiver [[Interleukin]]ausschüttung prädispositionieren, die bis hin zum Schock führen kann.<ref>{{cite journal |author=V. Vidal, I. G. Scragg, S. J. Cutler, et al. |title=Variable major lipoprotein is a principal TNF-inducing factor of louse-borne relapsing fever |journal=Nat. Med |volume=4 |issue=12 |pages=1416–1420 |date=1998-12 |pmid=9846580 |doi=10.1038/4007}}</ref><ref>{{cite journal |author=G. Kaplanski, B. Granel, T. Vaz, J. M. Durand|title=Jarisch-Herxheimer reaction complicating the treatment of chronic Q fever endocarditis: elevated TNFalpha and IL-6 serum levels |journal=J. Infect |volume=37 |issue=1 |pages=83–84 |date=1998-07 |pmid=9733392 |doi=10.1016/S0163-4453(98)91120-3}}</ref>


Bei der Therapie der (zystischen) [[Echinokokkose]] kann es bei operativem Vorgehen zur Eröffnung einer erregerhaltigen Zyste kommen, aus der die Parasitenbestandteile in den Körper streuen und eine systemisch-allergische Reaktion auslösen können.<ref>{{cite journal |author=Park KH, Jung SI, Jang HC, Shin JH |title=First successful puncture, aspiration, injection, and re-aspiration of hydatid cyst in the liver presenting with anaphylactic shock in Korea |journal=Yonsei Med. J |volume=50 |issue=5 |pages=717–20 |date=October 2009 |pmid=19881979 |pmc=2768250 |doi=10.3349/ymj.2009.50.5.717 |url=http://www.eymj.org/DOIx.php?id=10.3349/ymj.2009.50.5.717}}</ref>
Bei der Therapie der (zystischen) [[Echinokokkose]] kann es bei operativem Vorgehen zur Eröffnung einer erregerhaltigen Zyste kommen, aus der die Parasitenbestandteile in den Körper streuen und eine systemisch-allergische Reaktion auslösen können.<ref>{{cite journal |author=K. H. Park, S. I. Jung, H. C. Jang, J. H. Shin|title=First successful puncture, aspiration, injection, and re-aspiration of hydatid cyst in the liver presenting with anaphylactic shock in Korea |journal=Yonsei Med. J |volume=50 |issue=5 |pages=717–720 |date=2009-10 |pmid=19881979 |pmc=2768250 |doi=10.3349/ymj.2009.50.5.717}}</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 28. Dezember 2014, 20:39 Uhr

Die Mazzotti-Reaktion stellt einen Symptomenkomplex dar, der sich unter der Therapie einer Fadenwurmerkrankung v.a. mit dem Anthelminthikum Diethylcarbamazin (DEC) einstellt bzw. einstellen kann. Erstbeschreiber war der mexikanische Parasitologe Luigi Mazzotti (1900–1971), der sie 1948 entdeckte.[1]

Symptomatik und Pathogenese

Durch die anthelmintische Therapie sterben die Würmer im Körper des Wirtes ab. Bei diesem Prozess gelangen vermehrt parasitäre Antigene in den Wirtsorganismus, die dort eine (überschießende) Immunreaktion auslösen[2]. Die Symptome der Reaktion sind somit meist dem allergischen Formenkreis zu zuordnen:

Zusätzlich finden sich Allgemeinsymptome wie Fieber, geschwollene und druckschmerzhafte Lymphknoten, Gelenk- sowie Bauchschmerzen. Im Extremfall kann sich die Mazzotti-Reaktion bis zum anaphylaktischen Schock ausweiten, der akut lebensbedrohlich ist. Die Reaktion bildet sich meist innert 7 Tagen nach Therapiebeginn aus, wobei das Ausmaß der Symptome mit der Parasitenbefallsdichte zu korrelieren scheint.

Auslöser

Strukturformel von Diethylcarbamazin, einem häufigen Auslöser der Mazzotti-Reaktion
Mikrofoto von Onchocerca volvulus, dem Erreger der Flussblindheit

Mazzotti beschrieb die Reaktion bei der Behandlung der Flussblindheit mit Diethylcarbamazin. Aber auch andere antiparasitäre Wirkstoffe kommen als Auslöser in Frage wie z. B. Ivermectin, Praziquantel und Albendazol. Weitere parasitäre Erkrankungen, bei deren Therapie eine Mazzotti-Reaktion auftreten kann, stellen der Befall mit Pärchenegeln oder dem Zwergfadenwurm dar.[3] Auch bei der Ivermectin-Behandlung der Krätze wurde schon das Auftreten des Symptomenkomplexes beschrieben.[4]

Mazzotti-Test

Bild eines Epikutantests. Das zweite Feld von oben links zeigt einen schwach positiven Befund

Da unter der DEC-Therapie der Flussblindheit sehr häufig die Mazzotti-Reaktion auftritt, kann man sich diesen Sachverhalt diagnostisch zunutze machen:

Die technisch einfachere – wenn auch riskantere – Möglichkeit ähnelt der Diagnosis ex juvantibus. Der Patient erhält hierbei eine orale DEC-Dosis; zeigt er anschließend die typischen Symptome der Mazzotti-Reaktion kann man recht sicher davon ausgehen, dass er von Onchocera volvulus oder anderen Filarien befallen ist.[5]

Die elegantere Form ist eine Variante des Epikutantest. Im Gegensatz zum üblichen Test wird dem Patienten kein Allergen auf die Haut aufgebracht, sondern DEC wird auf die Haut aufgetragen und dort unter einem Aluminium-Hütchen belassen. Der Wirkstoff tötet die unter dem Alu-Plättchen in der Haut befindlichen Larven ab und es kommt zur einer lokal begrenzten Immunreaktion auf die frei werdenden Erregerbestandteile. Dermatologisch lässt sich ein positiver Test auch hier u. a. an der Bildung eines Erythems, Ekzems, Papeln oder Vesikeln ablesen. Die Möglichkeit einer systemischen, anaphylaktischen Reaktion ist bei dieser Form des Tests äußerst gering.[6]

Bei beiden Varianten bietet sich im Falle eines positiven Nachweises die Möglichkeit, den Befall mit anderen Medikamenten (sofern verfügbar) zu behandeln, die ein deutlich niedrigeres Risiko für eine Mazzotti-Reaktion aufweisen.[7]

Therapie

Da die Ursache eine Überreaktion des Immunsystems darstellt, eignen sich zur (präemptiven) Therapie bzw. Prophylaxe immunsuppressive Glucocorticoide wie z. B. Prednison.[8] Stellt sich eine Schock-Symptomatik ein, so ist der Patient entsprechend einer Anaphylaxie zu behandeln (Katecholamine, Volumentherapie).[9]

Ähnliche Krankheitsbilder

Eine der pathophysiologischen Erklärungen für die Jarisch-Herxheimer-Reaktion, die z. B. bei der Penicillin G-Therapie der Lues auftreten kann, beruht auf einem ähnlichen Pathomechanismus. Auch hier sollen plötzlich freiwerdende Erregerbestandteile zu einer Überreaktion des Abwehrsystems mit massiver Interleukinausschüttung prädispositionieren, die bis hin zum Schock führen kann.[10][11]

Bei der Therapie der (zystischen) Echinokokkose kann es bei operativem Vorgehen zur Eröffnung einer erregerhaltigen Zyste kommen, aus der die Parasitenbestandteile in den Körper streuen und eine systemisch-allergische Reaktion auslösen können.[12]

Einzelnachweise

  1. Mazotti-Reaktion. Abgerufen am 22 Dezember 2014.
  2. S. J. Ackerman, G. M. Kephart, H. Francis, K. Awadzi, G. J. Gleich, E. A. Ottesen: Eosinophil degranulation. An immunologic determinant in the pathogenesis of the Mazzotti reaction in human onchocerciasis. In: The Journal of Immunology. 144, Nr. 10, 1990, S. 3961–3969, PMID 2332637.
  3. Bradley G. Olson, Joseph B. Domachowske: Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee. In: Pediatric Infectious Disease Journal. 25. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2006, S. 466–468, doi:10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c.
  4. Toshiki Ito: Mazzotti reaction with eosinophilia after undergoing oral ivermectin for scabies. In: The Journal of Dermatology. 40, Nr. 9, 2013, S. 776–777, doi:10.1111/1346-8138.12243.
  5. https://web.stanford.edu/class/humbio103/ParaSites2006/Onchocerciasis/Diagnosis.html
  6. Kilian Hd: The use of a topical Mazzotti test in the diagnosis of onchocerciasis. In: Tropical medicine and parasitology : official organ of Deutsche Tropenmedizinische Gesellschaft and of Deutsche Gesellschaft fur Technische Zusammenarbeit (GTZ). 39, Nr. 3, 1988, S. 235–238, PMID 3194667.
  7. W. R. Brieger u. a.: The effects of ivermectin on onchocercal skin disease and severe itching: results of a multicentre trial. In: Tropical Medicine & International Health. 3, Nr. 12, 1998, S. 951–961, doi:10.1046/j.1365-3156.1998.00339.x.
  8. Bradley G. Olson, Joseph B. Domachowske: Mazzotti Reaction After Presumptive Treatment for Schistosomiasis and Strongyloidiasis in A Liberian Refugee: In: The Pediatric Infectious Disease Journal. 25, Nr. 5, 2006, S. 466–468, doi:10.1097/01.inf.0000217415.68892.0c.
  9. Johannes Ring u. a.: Guideline for acute therapy and management of anaphylaxis. In: Allergo Journal International. 23, Nr. 3, 2014, S. 96–112, doi:10.1007/s40629-014-0009-1 (PDF).
  10. V. Vidal, I. G. Scragg, S. J. Cutler, et al.: Variable major lipoprotein is a principal TNF-inducing factor of louse-borne relapsing fever. In: Nat. Med. 4. Jahrgang, Nr. 12, Dezember 1998, S. 1416–1420, doi:10.1038/4007, PMID 9846580.
  11. G. Kaplanski, B. Granel, T. Vaz, J. M. Durand: Jarisch-Herxheimer reaction complicating the treatment of chronic Q fever endocarditis: elevated TNFalpha and IL-6 serum levels. In: J. Infect. 37. Jahrgang, Nr. 1, Juli 1998, S. 83–84, doi:10.1016/S0163-4453(98)91120-3, PMID 9733392.
  12. K. H. Park, S. I. Jung, H. C. Jang, J. H. Shin: First successful puncture, aspiration, injection, and re-aspiration of hydatid cyst in the liver presenting with anaphylactic shock in Korea. In: Yonsei Med. J. 50. Jahrgang, Nr. 5, Oktober 2009, S. 717–720, doi:10.3349/ymj.2009.50.5.717, PMID 19881979, PMC 2768250 (freier Volltext).