„Kerosinsteuer“ – Versionsunterschied

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K →‎Kerosinsteuer als Lenkungsabgabe: Umstellung, macht die Abgrenzung zum Personenluftverkehr deutlicher
CORSIA und EU-ETS in den Lenkungsabgabe-Abschnitt, dafür an anderer Stell gekürzt
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== Kerosinsteuer als Lenkungsabgabe ==
== Kerosinsteuer als Lenkungsabgabe ==
Umwelt- und andere Schäden (sogenannte [[externe Kosten]]) werden durch den Kerosinpreis nicht abgebildet. Sie beliefen sich im Personenluftverkehr, nach Methodenkonvention des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2016, für Kontinentalflüge unterhalb 2000&nbsp;km auf 8,33 Ct pro Personenkilometer; nach einer [[Infras]]studie waren es 2017 bei Flügen innerhalb Deutschlands 12,04 Ct pro Personenkilometer, der Anteil der Klimaschäden hieran betrug 56 %, vor- und nachgelagerten Prozessen (Bereitstellung von Flugzeugen, Infrastruktur, Aufbereitung der Treibstoffe) waren 21 % dieser Kosten anzulasten, 16 % der Emission anderer Luftschadstoffe, 5 % dem Lärm. Kürzere Flüge gehen mit überproportional größeren Schäden einher.<ref>{{Literatur |Autor=Cuno Bieler, Daniel Sutter |Titel=Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland: Straßen-, Schienen-, Luft- und Binnenschiffverkehr 2017 |TitelErg=im Auftrag von Allianz pro Schiene e.V. |Datum=2019-08-21 |Online=https://www.tagesschau.de/inland/bahn-studie-101.pdf |Format=PDF |KBytes=369 |Seiten=31}}</ref> Im Güterluftverkehr betrugen die reinen Umweltkosten (ohne Lärmkosten) im Jahr 2017, nach einem Bericht des Umweltbundesamtes, 30 bis 60 ct pro Tonnenkilometer.<ref>{{Literatur |Hrsg=Umweltbundesamt |Titel=Ökologische Bewertung von Verkehrsarten |Datum=2020-08 |Reihe=Texte |NummerReihe=156/2020}}</ref>
Umwelt- und andere Schäden (sogenannte [[externe Kosten]]) des Luftverkehrs werden durch den Kerosinpreis nicht abgebildet (siehe auch [[Umweltauswirkungen des Luftverkehrs]]). Diese Schäden beliefen sich im Personenluftverkehr, nach Methodenkonvention des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2016, für Kontinentalflüge unterhalb 2000&nbsp;km auf 8,33 Ct pro Personenkilometer; nach einer [[Infras]]studie waren es 2017 bei Flügen innerhalb Deutschlands 12,04 Ct pro Personenkilometer, der Anteil der Klimaschäden hieran betrug 56 %, vor- und nachgelagerten Prozessen (Bereitstellung von Flugzeugen, Infrastruktur, Aufbereitung der Treibstoffe) waren 21 % dieser Kosten anzulasten, 16 % der Emission anderer Luftschadstoffe, 5 % dem Lärm. Kürzere Flüge gehen mit überproportional größeren Schäden einher.<ref>{{Literatur |Autor=Cuno Bieler, Daniel Sutter |Titel=Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland: Straßen-, Schienen-, Luft- und Binnenschiffverkehr 2017 |TitelErg=im Auftrag von Allianz pro Schiene e.V. |Datum=2019-08-21 |Online=https://www.tagesschau.de/inland/bahn-studie-101.pdf |Format=PDF |KBytes=369 |Seiten=31}}</ref> Im Güterluftverkehr betrugen die reinen Umweltkosten (ohne Lärmkosten) im Jahr 2017, nach einem Bericht des Umweltbundesamtes, 30 bis 60 ct pro Tonnenkilometer.<ref>{{Literatur |Hrsg=Umweltbundesamt |Titel=Ökologische Bewertung von Verkehrsarten |Datum=2020-08 |Reihe=Texte |NummerReihe=156/2020}}</ref>


Soweit Schäden proportional mit dem Kerosinverbrauch steigen, gilt es ökonomisch als effizient, diese Kosten nach dem [[Verursacherprinzip]] in Form einer Kerosinsteuer in den Treibstoffpreis einzubeziehen. Das Preissignal soll einen [[Lenkungsabgabe |Lenkungseffekt]] hin zu weniger Emissionen bewirken. Alternative Instrumente wie eine [[Luftverkehrsteuer]] (Flugticketabgabe), die in einigen Staaten auch mit dem Ziel einer Reduzierung der Umweltbelastung durch den Personenluftverkehr eingeführt wurden, gelten als weniger effektiv.<ref name="larsson2019"/> Manche Schäden, etwa infolge von Lärm im Umfeld von Flughäfen, hängen kaum mit dem Kerosinverbrauch zusammen und werden oft durch andere umweltpolitische Instrumente, etwa nach Uhrzeit oder Flugzeugtyp differenzierte Start- und Landegebühren, erfasst. Soweit höhere Kerosinpreise die Nachfrage nach Flügen mindern, wirken sie aber auch solchen externen Schäden entgegen.<ref>{{Literatur |Hrsg=European Commission – Directorate-General for Mobility and Transport |Titel=Taxes in the Field of Aviation and their impact |Datum=2019-06 |ISBN=978-92-76-08132-6 |DOI=10.2832/913591}}</ref>
Soweit Schäden proportional mit dem Kerosinverbrauch steigen, gilt es ökonomisch als effizient, diese Kosten nach dem [[Verursacherprinzip]] in Form einer Kerosinsteuer in den Treibstoffpreis einzubeziehen. Das Preissignal soll einen [[Lenkungsabgabe |Lenkungseffekt]] hin zu weniger Emissionen bewirken. Alternative Instrumente wie eine [[Luftverkehrsteuer]] (Flugticketabgabe), die in einigen Staaten auch mit dem Ziel einer Reduzierung der Umweltbelastung durch den Personenluftverkehr eingeführt wurde, gelten als weniger effektiv. So wirkt z.&nbsp;B. eine merkliche Luftverkehrsteuer, wenn sie auf die Passagiere [[Steuerüberwälzung |überwälzt]] wird, auf die Buchung kürzerer und weniger Flüge hin. Sie setzt aber keinen zusätzlichen Anreiz zu einem kerosinsparenden Luftverkehr.<ref name="larsson2019"/> Manche Schäden, etwa infolge von Lärm im Umfeld von Flughäfen, hängen kaum mit dem Kerosinverbrauch zusammen und werden oft durch andere umweltpolitische Instrumente, etwa nach Uhrzeit oder Flugzeugtyp differenzierte Start- und Landegebühren, erfasst. Soweit höhere Kerosinpreise die Nachfrage nach Flügen mindern, wirken sie aber auch solchen externen Schäden entgegen.<ref>{{Literatur |Hrsg=European Commission – Directorate-General for Mobility and Transport |Titel=Taxes in the Field of Aviation and their impact |Datum=2019-06 |ISBN=978-92-76-08132-6 |DOI=10.2832/913591}}</ref>

Ein Teil der CO<sub>2</sub>-Emissionen, die etwa die Hälfte der Klimawirkung und damit etwas mehr als ein Viertel der Schäden verursachen, wird, in Europa, durch den [[EU-Emissionshandel]] und, international, durch das von der [[ICAO]] initiierte [[CORSIA]]-Programm (''Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation'') erfasst. Im Jahr 2012 startete der EU-Emissionshandel für den europäischen Luftverkehr. Luftfahrzeugbetreiber müssen für die meisten Flüge innerhalb der [[Europäischer Wirtschaftsraum |Europäischen Wirtschaftsraumes]] eine der emittierten Menge an CO<sub>2</sub> entsprechende Zahl von Emissionszertifikaten vorlegen. Für den Luftverkehr gibt es eigene Zertifikate (''European Union Aviation Allowances'', ''EUAA'') und eine Obergrenze ausgegebener Zertifikate (''cap''), die bis 2064 linear auf Null sinken soll. Teilnehmer am Markt für diese Luftverkehrszertifikate können für einen Teil ihrer Emissionen auch Zertifikate aus dem Markt für stationäre Anlagen (zum Beispiel Kraftwerke) vorlegen, aber nicht umgekehrt; das schwächt das ''cap'' im Luftverkehr. Insgesamt 85 % der Zertifikate werden den Betreibern kostenlos zugeteilt, 12 % versteigert. Einnahmen aus der Versteigerung kommen dem Luftverkehr zugute. Die Preise für EUAA bewegten sich lange zwischen 5 und 10 Euro, 2018 stiegen sie auf über 20 Euro.<ref>{{Literatur |Autor=Angela Stefania Bergantino, Luisa Loiacono |Titel=Market-Based Measures: The European Union Emission Trading Scheme and the Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation |Hrsg=Thomas Walker, Angela Stefania Bergantino, Northrop Sprung-Much, Luisa Loiacono |Sammelwerk=Sustainable Aviation |Verlag=Palgrave Macmillan |Datum=2020 |ISBN=978-3-030-28661-3 |DOI=10.1007/978-3-030-28661-3}}</ref> (Das Umweltbundesamt bezifferte die Schäden, die durch eine im Jahr 2020 emittierte Tonne CO<sub>2</sub> entstehen, auf 195 Euro.<ref>Bei einer reinen Zeitpräferenzrate von 1 %. Für eine von 0 % schätzt das UBA die Schäden auf 680 Euro (siehe auch [[Soziale Diskontrate]]): {{Literatur |Hrsg)=Umweltbundesamt |Titel=Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten |Datum=2020-12 |Seiten=8}}</ref>)

CORSIA ein [[Klimakompensation]]s-Mechanismus auf internationaler Ebene, der 2021 mit einer Pilotphase beginnen soll. Für jede Tonne CO<sub>2</sub>, die über das Niveau vor 2021 hinaus zusätzlich ausgestoßen wird, muss ein Luftfahrzeugbetreiber ein Offset-Zertifikat kaufen, das zum Beispiel aus Klimaschutzprojekten stammen kann und – soweit dadurch ''zusätzlich'' und ''dauerhaft'' die gleiche Emissionsmenge an anderer Stelle vermieden oder gespeichert wird – die Emissionen ausgleicht. Ziel ist ein „[[CO2-Neutralität |CO<sub>2</sub>-neutrales]] Wachstum“ des von CORSIA erfassten Luftverkehrs. Es wird geschätzt, dass CORSIA zu einem Ausgleich von etwa 12 % der weltweiten CO<sub>2</sub>-Emissionen zwischen 2020 und 2030 führen wird. Zu Emissionsreduktionen würde es durch CORSIA nicht kommen.<ref name="larsson2019"/>

CO<sub>2</sub>-Neutralität ist nicht gleichbedeutend mit [[Klimaneutralität]]. Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand machen die CO<sub>2</sub>-Emissionen wahrscheinlich etwa die Hälfte der Klimawirkung des Luftverkehrs aus.<ref>[https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/klimawirksamkeit_des_flugverkehrs.pdf Klimawirksamkeit des Flugverkehrs], Umweltbundesamt 2012, PDF</ref><ref>{{Literatur |Autor=Bernd Kärcher |Titel=Formation and radiative forcing of contrail cirrus |Sammelwerk=Nature Communications |Datum=2018-05 |DOI=10.1038/s41467-018-04068-0}}</ref> Unter Berücksichtigung der übrigen Klimawirkung wird mit wachsendem Luftverkehr der durch ihn verursachte Strahlungsantrieb und damit die Erwärmung weiter zunehmen.<ref name="larsson2019">{{Literatur |Autor=Jörgen Larsson, Anna Elofsson, Thomas Sterner, Jonas Åkerman |Titel=International and national climate policies for aviation: a review |Sammelwerk=Climate Policy |Datum=2019 |DOI=10.1080/14693062.2018.1562871 |Kommentar=open access}}</ref>


== Aktueller Stand der Kerosinbesteuerung ==
== Aktueller Stand der Kerosinbesteuerung ==
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Nach [[Energiesteuergesetz (Deutschland)|deutschem Energiesteuergesetz]] 2006 sind Kerosin (Jet A-1) – wie auch Flugbenzin (AvGas) – zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen energiesteuerfrei. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags ist eine Kerosinsteuer auf innerstaatliche Flüge möglich. Kerosin für Flüge zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern könnte im Rahmen bilateraler Abkommen besteuert werden.<ref name="wd2020" />
Nach [[Energiesteuergesetz (Deutschland)|deutschem Energiesteuergesetz]] 2006 sind Kerosin (Jet A-1) – wie auch Flugbenzin (AvGas) – zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen energiesteuerfrei. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags ist eine Kerosinsteuer auf innerstaatliche Flüge möglich. Kerosin für Flüge zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern könnte im Rahmen bilateraler Abkommen besteuert werden.<ref name="wd2020" />


Die seit 2011 in Deutschland erhobene [[Luftverkehrsteuer]] knüpft vor allem an den Rechtsvorgang der Flugbuchung an, ihre Höhe ist aber nach Flugstrecke gestaffelt und somit indirekt auch mit dem Kerosinverbrauch verbunden. Ihre Einführung wurde unter anderem damit begründet, dass für die gewerbliche Luftfahrt eine verbrauchsorientierte Energiesteuer und damit der „Anreiz zum energiesparenden Einsatz von Kraftstoffen“ fehlt. Der Gesetzgeber rechnete 2011 kurzfristig nicht mit der Einführung einer internationalen Kerosinsteuer.<ref>{{Literatur |Titel=Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) |Reihe=Bundesrat Drucksache |NummerReihe=532/10 |Seiten=42 |Kapitel=B. Besonderer Teil - Zu Artikel 1 (Luftverkehrsteuergesetz) |Online=http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2010/0532-10.pdf |Format=PDF |KBytes=482}}</ref><ref name="wd2020">{{Literatur |Hrsg=Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag |Titel=Rechtliche Möglichkeiten zur Besteuerung von Flugbenzin in Deutschland |Datum=2021-01-14 |Online=https://www.bundestag.de/resource/blob/653690/c217484733b97feb484ff7677d08f3da/WD-4-086-19-pdf-data.pdf |Format=PDF |KBytes=80}}</ref> Die Anreizwirkung einer Luftverkehrsteuer ist aber eine andere als die einer Kerosinsteuer: Eine merkliche Luftverkehrsteuer wirkt, wenn sie auf die Passagiere [[Steuerüberwälzung |überwälzt]] wird, auf die Buchung kürzerer und weniger Flüge hin. Sie setzt aber keinen zusätzlichen Anreiz zu einem kerosinsparenden Luftverkehr.<ref name="larsson2019"/>
Die seit 2011 in Deutschland erhobene [[Luftverkehrsteuer]] knüpft vor allem an den Rechtsvorgang der Flugbuchung an, ihre Höhe ist aber nach Flugstrecke gestaffelt und somit indirekt auch mit dem Kerosinverbrauch verbunden. Ihre Einführung wurde unter anderem damit begründet, dass für die gewerbliche Luftfahrt eine verbrauchsorientierte Energiesteuer und damit der „Anreiz zum energiesparenden Einsatz von Kraftstoffen“ fehlt. Der Gesetzgeber rechnete 2011 kurzfristig nicht mit der Einführung einer internationalen Kerosinsteuer.<ref>{{Literatur |Titel=Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) |Reihe=Bundesrat Drucksache |NummerReihe=532/10 |Seiten=42 |Kapitel=B. Besonderer Teil - Zu Artikel 1 (Luftverkehrsteuergesetz) |Online=http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2010/0532-10.pdf |Format=PDF |KBytes=482}}</ref><ref name="wd2020">{{Literatur |Hrsg=Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag |Titel=Rechtliche Möglichkeiten zur Besteuerung von Flugbenzin in Deutschland |Datum=2021-01-14 |Online=https://www.bundestag.de/resource/blob/653690/c217484733b97feb484ff7677d08f3da/WD-4-086-19-pdf-data.pdf |Format=PDF |KBytes=80}}</ref>


Die wirtschaftliche Gesamtbelastung des deutschen Luftverkehrs aus Luftverkehrsteuer und EU-Emissionshandel, in den der innereuropäische Luftverkehr einbezogen ist, ist auf 1,75 Mrd. Euro begrenzt. Bei einer höheren Gesamtbelastung wird die Luftverkehrsteuer gesenkt.<ref name="LuftVStAbsenkV2020">{{§§|LuftVStAbsenkV 2020|buzer|text=Verordnung zur Absenkung der Steuersätze im Jahr 2020 nach § 11 Absatz 2 des Luftverkehrsteuergesetzes (Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2020 – LuftVStAbsenkV 2020)}}</ref>
Die wirtschaftliche Gesamtbelastung des deutschen Luftverkehrs aus Luftverkehrsteuer und EU-Emissionshandel, in den der innereuropäische Luftverkehr einbezogen ist, ist auf 1,75 Mrd. Euro begrenzt. Bei einer höheren Gesamtbelastung wird die Luftverkehrsteuer gesenkt.<ref name="LuftVStAbsenkV2020">{{§§|LuftVStAbsenkV 2020|buzer|text=Verordnung zur Absenkung der Steuersätze im Jahr 2020 nach § 11 Absatz 2 des Luftverkehrsteuergesetzes (Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2020 – LuftVStAbsenkV 2020)}}</ref>
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Der [[Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft]] (BDL) befürchtet hingegen bei einer Kerosinbesteuerung in Deutschland eine potentielle Wettbewerbsverzerrung, es könnte – insbesondere beim Umsteigeverkehr – zu Verlagerungen zu Airlines und Drehkreuzflughäfen in geringer besteuerten Ländern kommen. Er verweist zudem auf andere Regularien zum Klimaschutz im Luftverkehr: den [[EU-Emissionshandel]], an dem der innereuropäische Luftverkehr seit 2012 teilnimmt, die deutsche [[Luftverkehrsteuer]] und das von der [[ICAO]] initiierte CORSIA-Programm (''Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation''), ein [[Klimakompensation]]s-Mechanismus auf internationaler Ebene, der 2021 mit einer Pilotphase beginnen soll. Nach Auffassung des BDL wachse der europäische Luftverkehr „[[CO2-Neutralität |CO<sub>2</sub>-neutral]]“.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bdl.aero/de/publikation/co2-und-kerosinsteuer-warum-der-klimaschutz-im-luftverkehr-anders-geregelt-wird/ |titel=Luftfahrt aktuell: CO2- und Kerosinsteuer? Warum der Klimaschutz im Luftverkehr anders geregelt wird |werk=Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft |abruf=2021-01-19 |sprache=de-DE}}</ref>
Der [[Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft]] (BDL) befürchtet hingegen bei einer Kerosinbesteuerung in Deutschland eine potentielle Wettbewerbsverzerrung, es könnte – insbesondere beim Umsteigeverkehr – zu Verlagerungen zu Airlines und Drehkreuzflughäfen in geringer besteuerten Ländern kommen. Er verweist zudem auf andere Regularien zum Klimaschutz im Luftverkehr: den [[EU-Emissionshandel]], an dem der innereuropäische Luftverkehr seit 2012 teilnimmt, die deutsche [[Luftverkehrsteuer]] und das von der [[ICAO]] initiierte CORSIA-Programm (''Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation''), ein [[Klimakompensation]]s-Mechanismus auf internationaler Ebene, der 2021 mit einer Pilotphase beginnen soll. Nach Auffassung des BDL wachse der europäische Luftverkehr „[[CO2-Neutralität |CO<sub>2</sub>-neutral]]“.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bdl.aero/de/publikation/co2-und-kerosinsteuer-warum-der-klimaschutz-im-luftverkehr-anders-geregelt-wird/ |titel=Luftfahrt aktuell: CO2- und Kerosinsteuer? Warum der Klimaschutz im Luftverkehr anders geregelt wird |werk=Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft |abruf=2021-01-19 |sprache=de-DE}}</ref>

CO<sub>2</sub>-Neutralität ist nicht gleichbedeutend mit [[Klimaneutralität]]. Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand machen die CO<sub>2</sub>-Emissionen wahrscheinlich etwa die Hälfte der Klimawirkung des Luftverkehrs aus.<ref>[https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/dokumente/klimawirksamkeit_des_flugverkehrs.pdf Klimawirksamkeit des Flugverkehrs], Umweltbundesamt 2012, PDF</ref><ref>{{Literatur |Autor=Bernd Kärcher |Titel=Formation and radiative forcing of contrail cirrus |Sammelwerk=Nature Communications |Datum=2018-05 |DOI=10.1038/s41467-018-04068-0}}</ref> Instrumente wie [[CORSIA]] und die Einbeziehung der CO<sub>2</sub>-Emissionen in den Emissionshandel bewirken kaum eine Reduzierung der CO<sub>2</sub>-Emissionen; unter Berücksichtigung der übrigen Klimawirkung wird mit wachsendem Luftverkehr der durch ihn verursachte Strahlungsantrieb und damit die Erwärmung weiter zunehmen.<ref name="larsson2019">{{Literatur |Autor=Jörgen Larsson, Anna Elofsson, Thomas Sterner, Jonas Åkerman |Titel=International and national climate policies for aviation: a review |Sammelwerk=Climate Policy |Datum=2019 |DOI=10.1080/14693062.2018.1562871 |Kommentar=open access}}</ref>


Das deutsche [[Umweltbundesamt (Deutschland)|Umweltbundesamt]] betont, dass eine fehlende Kerosinbesteuerung Anreize für [[Fluggesellschaft]]en verringere, verbrauchsärmere Flugzeuge einzusetzen. Aus diesem Grund stuft die Behörde die fehlende Kerosinsteuer als [[Umweltschädliche Subventionen|umweltschädliche Subvention]] ein, die sich im Jahr 2012 allein in Deutschland auf 7,083 Milliarden Euro belaufen habe. Diese Summe entspreche dem Steuerausfall aufgrund der Befreiung des zivilen Luftverkehrs von der Energiesteuer. Die Kerosinsteuer, die fiskalischen Zwecken diene, sollte zusätzlich zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel erfolgen, denn letztere diene der [[Internalisierung (Wirtschaft) |Internalisierung]] der [[Folgen der globalen Erwärmung |Klimaschäden]]. Zudem sollte auch der Ökosteueranteil auf Kerosin erhoben werden, um die Umweltschäden zu erfassen, die nicht durch den Emissionshandel abgedeckt werden. Die Luftverkehrsteuer sei ein Schritt in die richtige Richtung.<ref> [http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_fachbroschuere_umweltschaedliche-subventionen_bf.pdf Umweltschädliche Subventionen in Deutschland.] Umweltbundesamt, Dezember 2016, S. 44–45. Abgerufen am 21. Januar 2020.</ref>
Das deutsche [[Umweltbundesamt (Deutschland)|Umweltbundesamt]] betont, dass eine fehlende Kerosinbesteuerung Anreize für [[Fluggesellschaft]]en verringere, verbrauchsärmere Flugzeuge einzusetzen. Aus diesem Grund stuft die Behörde die fehlende Kerosinsteuer als [[Umweltschädliche Subventionen|umweltschädliche Subvention]] ein, die sich im Jahr 2012 allein in Deutschland auf 7,083 Milliarden Euro belaufen habe. Diese Summe entspreche dem Steuerausfall aufgrund der Befreiung des zivilen Luftverkehrs von der Energiesteuer. Die Kerosinsteuer, die fiskalischen Zwecken diene, sollte zusätzlich zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel erfolgen, denn letztere diene der [[Internalisierung (Wirtschaft) |Internalisierung]] der [[Folgen der globalen Erwärmung |Klimaschäden]]. Zudem sollte auch der Ökosteueranteil auf Kerosin erhoben werden, um die Umweltschäden zu erfassen, die nicht durch den Emissionshandel abgedeckt werden. Die Luftverkehrsteuer sei ein Schritt in die richtige Richtung.<ref> [http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_fachbroschuere_umweltschaedliche-subventionen_bf.pdf Umweltschädliche Subventionen in Deutschland.] Umweltbundesamt, Dezember 2016, S. 44–45. Abgerufen am 21. Januar 2020.</ref>

Version vom 25. Januar 2021, 00:00 Uhr

Die Kerosinsteuer ist eine Verbrauchsteuer auf Flugtreibstoff in der gewerblichen Luftfahrt. In der Europäischen Union bildet die EG-Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG) vom 27. Oktober 2003[1] die Rechtsgrundlage, die den nationalen Regierungen die Möglichkeit zur Einführung einer Steuer auf Turbinenkraftstoff u. a. für kommerzielle Inlandsflüge einräumt. Derzeit ist der kommerzielle Kerosinverbrauch nach der Gesetzgebung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union steuerfrei (Stand: 2018).[2]

Große Bedeutung von Kerosin

Große Flächenflugzeuge und fast alle Helikopter fliegen mit Turbinenantrieb, alle Turbinen werden mit Kerosin verschiedener Spezifikationen betrieben. Der Großteil des Personen- und Güterluftverkehrs sowie Militärflug erfolgt auf diese Weise.

Kleine Flächenflugzeuge, also fast alle Modellflugzeuge, Motorsegler, Privatflugzeuge mit typisch 1 bis 5 Sitzen, fast alle Kunstflug- und Rennmaschinen, sowie sehr kleine Helikopter fliegen zumeist mit Kolbenmotorantrieb. Nahezu alle Kolbenmotore weisen Vergaser auf, wofür sie auf Vergaserkraftstoffe angewiesen sind, meist ist das AvGas. Beim LTA (Lighter than Air)-Flug, also der Ballonfahrt, wird im Fall von Heißluftballons der Auftrieb durch das Verbrennen von Propan oder Butan erzeugt, meist wird ohne separaten Antrieb mit dem Wind gefahren.

Laut Statista betrug der Anteil der Kerosinkosten an den operativen Gesamtkosten der weltweiten Airlines 2019 knapp 24 %.[3] Zwischen 1990 und 2018 ist der Kerosinverbrauch der deutschen Flugzeugflotte von etwa 6,3 Litern pro Passagier und 100 km auf knapp 3,6 Liter pro Passagier und 100 km gesunken.[4]

Kerosinsteuer als Lenkungsabgabe

Umwelt- und andere Schäden (sogenannte externe Kosten) des Luftverkehrs werden durch den Kerosinpreis nicht abgebildet (siehe auch Umweltauswirkungen des Luftverkehrs). Diese Schäden beliefen sich im Personenluftverkehr, nach Methodenkonvention des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2016, für Kontinentalflüge unterhalb 2000 km auf 8,33 Ct pro Personenkilometer; nach einer Infrasstudie waren es 2017 bei Flügen innerhalb Deutschlands 12,04 Ct pro Personenkilometer, der Anteil der Klimaschäden hieran betrug 56 %, vor- und nachgelagerten Prozessen (Bereitstellung von Flugzeugen, Infrastruktur, Aufbereitung der Treibstoffe) waren 21 % dieser Kosten anzulasten, 16 % der Emission anderer Luftschadstoffe, 5 % dem Lärm. Kürzere Flüge gehen mit überproportional größeren Schäden einher.[5] Im Güterluftverkehr betrugen die reinen Umweltkosten (ohne Lärmkosten) im Jahr 2017, nach einem Bericht des Umweltbundesamtes, 30 bis 60 ct pro Tonnenkilometer.[6]

Soweit Schäden proportional mit dem Kerosinverbrauch steigen, gilt es ökonomisch als effizient, diese Kosten nach dem Verursacherprinzip in Form einer Kerosinsteuer in den Treibstoffpreis einzubeziehen. Das Preissignal soll einen Lenkungseffekt hin zu weniger Emissionen bewirken. Alternative Instrumente wie eine Luftverkehrsteuer (Flugticketabgabe), die in einigen Staaten auch mit dem Ziel einer Reduzierung der Umweltbelastung durch den Personenluftverkehr eingeführt wurde, gelten als weniger effektiv. So wirkt z. B. eine merkliche Luftverkehrsteuer, wenn sie auf die Passagiere überwälzt wird, auf die Buchung kürzerer und weniger Flüge hin. Sie setzt aber keinen zusätzlichen Anreiz zu einem kerosinsparenden Luftverkehr.[7] Manche Schäden, etwa infolge von Lärm im Umfeld von Flughäfen, hängen kaum mit dem Kerosinverbrauch zusammen und werden oft durch andere umweltpolitische Instrumente, etwa nach Uhrzeit oder Flugzeugtyp differenzierte Start- und Landegebühren, erfasst. Soweit höhere Kerosinpreise die Nachfrage nach Flügen mindern, wirken sie aber auch solchen externen Schäden entgegen.[8]

Ein Teil der CO2-Emissionen, die etwa die Hälfte der Klimawirkung und damit etwas mehr als ein Viertel der Schäden verursachen, wird, in Europa, durch den EU-Emissionshandel und, international, durch das von der ICAO initiierte CORSIA-Programm (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) erfasst. Im Jahr 2012 startete der EU-Emissionshandel für den europäischen Luftverkehr. Luftfahrzeugbetreiber müssen für die meisten Flüge innerhalb der Europäischen Wirtschaftsraumes eine der emittierten Menge an CO2 entsprechende Zahl von Emissionszertifikaten vorlegen. Für den Luftverkehr gibt es eigene Zertifikate (European Union Aviation Allowances, EUAA) und eine Obergrenze ausgegebener Zertifikate (cap), die bis 2064 linear auf Null sinken soll. Teilnehmer am Markt für diese Luftverkehrszertifikate können für einen Teil ihrer Emissionen auch Zertifikate aus dem Markt für stationäre Anlagen (zum Beispiel Kraftwerke) vorlegen, aber nicht umgekehrt; das schwächt das cap im Luftverkehr. Insgesamt 85 % der Zertifikate werden den Betreibern kostenlos zugeteilt, 12 % versteigert. Einnahmen aus der Versteigerung kommen dem Luftverkehr zugute. Die Preise für EUAA bewegten sich lange zwischen 5 und 10 Euro, 2018 stiegen sie auf über 20 Euro.[9] (Das Umweltbundesamt bezifferte die Schäden, die durch eine im Jahr 2020 emittierte Tonne CO2 entstehen, auf 195 Euro.[10])

CORSIA ein Klimakompensations-Mechanismus auf internationaler Ebene, der 2021 mit einer Pilotphase beginnen soll. Für jede Tonne CO2, die über das Niveau vor 2021 hinaus zusätzlich ausgestoßen wird, muss ein Luftfahrzeugbetreiber ein Offset-Zertifikat kaufen, das zum Beispiel aus Klimaschutzprojekten stammen kann und – soweit dadurch zusätzlich und dauerhaft die gleiche Emissionsmenge an anderer Stelle vermieden oder gespeichert wird – die Emissionen ausgleicht. Ziel ist ein „CO2-neutrales Wachstum“ des von CORSIA erfassten Luftverkehrs. Es wird geschätzt, dass CORSIA zu einem Ausgleich von etwa 12 % der weltweiten CO2-Emissionen zwischen 2020 und 2030 führen wird. Zu Emissionsreduktionen würde es durch CORSIA nicht kommen.[7]

CO2-Neutralität ist nicht gleichbedeutend mit Klimaneutralität. Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand machen die CO2-Emissionen wahrscheinlich etwa die Hälfte der Klimawirkung des Luftverkehrs aus.[11][12] Unter Berücksichtigung der übrigen Klimawirkung wird mit wachsendem Luftverkehr der durch ihn verursachte Strahlungsantrieb und damit die Erwärmung weiter zunehmen.[7]

Aktueller Stand der Kerosinbesteuerung

Internationale Abkommen zur Kerosinsteuerbefreiung

Tankwagen auf Flughafen Schiphol. Das Tanken kann EU-weit besteuert werden.[13]

Im Artikel 24 des Chicagoer Abkommens vom 7. Dezember 1944, auf dessen Basis die UN-Luftfahrtorganisation ICAO gegründet wurde, ist vereinbart, dass bei Flügen von einem Vertragsstaat in einen anderen das Kerosin, das sich schon an Bord gelandeter Flugzeuge befindet, nicht besteuert werden darf. Zur Betankung des Flugzeugs vor Abflug gibt es im Chicagoer Abkommen keine steuerliche Regelung.[13] Damit sollten nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs die Luftfahrt, der Wiederaufbau und die Weltwirtschaft gefördert werden. Über das Chicagoer Abkommen hinaus gibt es zahlreiche bilaterale Vereinbarungen, sogenannte Air Services Agreements, die weitergehende Vereinbarungen treffen, darunter häufig die Steuerfreiheit beim Auftanken eines Flugzeugs, das aus einem anderen Vertragsstaat gekommen ist.[13]

Das Chicagoer Abkommen steht einer Kerosinsteuer auf innerstaatlichen Flügen und auf Betankung bei zwischenstaatlichen Flügen nicht entgegen. Auch die EG-Energiesteuerrichtlinie ermöglicht den Mitgliedstaaten die Aufhebung der Steuerbefreiung für innerstaatliche Flüge.[14][15] Sie sieht in Artikel 14 (b) vor, dass die Mitgliedstaaten „Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt, von Steuern befreien“ und dass sie diese Steuerbefreiung „auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 19 21) beschränken“ können. Im Erwägungsgrund 23. der Richtlinie heißt es hierzu: „Bestehende internationale Verpflichtungen sowie der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft machen es ratsam, bestehende Steuerbefreiungen für Energieprodukte zur Verwendung in der Luft- und Schifffahrt — außer in der Luft- und Schifffahrt zu privaten Vergnügungszwecken — beizubehalten; die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, diese Steuerbefreiungen einzuschränken.“

Deutschland: Keine Energiesteuer

Nach deutschem Energiesteuergesetz 2006 sind Kerosin (Jet A-1) – wie auch Flugbenzin (AvGas) – zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen durch Luftfahrtunternehmen energiesteuerfrei. Laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestags ist eine Kerosinsteuer auf innerstaatliche Flüge möglich. Kerosin für Flüge zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern könnte im Rahmen bilateraler Abkommen besteuert werden.[16]

Die seit 2011 in Deutschland erhobene Luftverkehrsteuer knüpft vor allem an den Rechtsvorgang der Flugbuchung an, ihre Höhe ist aber nach Flugstrecke gestaffelt und somit indirekt auch mit dem Kerosinverbrauch verbunden. Ihre Einführung wurde unter anderem damit begründet, dass für die gewerbliche Luftfahrt eine verbrauchsorientierte Energiesteuer und damit der „Anreiz zum energiesparenden Einsatz von Kraftstoffen“ fehlt. Der Gesetzgeber rechnete 2011 kurzfristig nicht mit der Einführung einer internationalen Kerosinsteuer.[17][16]

Die wirtschaftliche Gesamtbelastung des deutschen Luftverkehrs aus Luftverkehrsteuer und EU-Emissionshandel, in den der innereuropäische Luftverkehr einbezogen ist, ist auf 1,75 Mrd. Euro begrenzt. Bei einer höheren Gesamtbelastung wird die Luftverkehrsteuer gesenkt.[18]

Österreich: Weder Mineralölsteuer noch Mehrwertsteuer auf Kerosin

Vorbetrachtung: In Österreich getanktes Flugbenzin (AvGas 100LL, Vergasertreibstoff für Kolbenmotore) wird mit Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer beaufschlagt. Mit unterschiedlichen Mineralölsteuersätzen werden auch Kfz-Treibstoffe, also Diesel und (Super-)Benzin mit Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer beaufschlagt. Der Mineralölsteuersatz (je Liter) auf Benzin ist am höchsten, auf Diesel etwas geringer (obwohl seine Dichte, sein Kohlenstoff- und damit Energiegehalt deutlich höher liegt) und auf Heizöl EL, das dem Diesel ähnelt, sogar viel geringer, weshalb Heizöl rot eingefärbt wird und seine Verwendung im Kfz streng verboten ist.

Der weit überwiegende Anteil des getankten Flugtreibstoffs ist Kerosin (Jet A1, Turbinentreibstoff). Für das Tanken von Kerosin für internationalen Flügen wird weder eine Mineralölsteuer noch Mehrwertsteuer oder eine sonstige Energiesteuer zu bezahlen. Nach einer Steigerung von etwa 12 % gegenüber dem Vorjahr wurde 2018 gut 1 Milliarde Liter = 1 Mio. Kubikmeter Kerosin in Österreich getankt[19] – großteils eben für internationale Flüge. Das entspricht einem Verbrauch von etwa 120 Liter Kerosin pro Kopf und Jahr. Vom für Natur und Bauwerke schädlichen Schwefel darf in Kerosin (Stand Juni 2011) immerhin noch 0,3 Massenprozent[20] enthalten sein. In Heizöl nur 0,1 %, in Diesel nur 0,001 %.

Würde der Staat pro Liter Kerosin wie bei Kfz-Treibstoff grob etwa 0,60 Euro Mineralöl- und Mehrwertsteuer einheben, hätte das im Jahr 2018 gut 600 Millionen € Steuereinnahmen ausgemacht.

In Europa haben nur die Niederlande & Norwegen eine Kerosinsteuer

Nach EU-Recht ist es seit 2005 möglich, Kerosin national zu besteuern.[1] Diesen Weg haben in Europa nur die Niederlande – allerdings werden hier nur nicht kommerzielle Flüge besteuert[21] – und Norwegen schon beschritten (Stand August 2019).[22] In allen anderen Ländern Europas ist (mit Stand 2018) der Kerosinverbrauch steuerfrei.[23]

Kontroverse um die Steuerbefreiung von Kerosin

Befürworter einer Kerosinbesteuerung weisen nicht nur auf die globale Erwärmung durch den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß hin, sondern auch auf andere negativen Umweltauswirkungen des Luftverkehrs, darunter Luftfahrtemissionen wie Stickoxid, Feinstaub, Wasserdampf und Kondensstreifenbildung. Da die Abgase in großer Höhe ausgestoßen würden, seien die Auswirkungen gravierend. Diese weiteren Schadstoffe erhöhten den Schaden, den der Luftverkehr in der Atmosphäre anrichtet, um den Faktor zwei bis vier, wie die Organisation atmosfair berechnet hat.[24]

Die Einführung einer staatlichen Abgabe auf Turbinenkraftstoff wird von Umweltschutz- und Verkehrsverbänden und europäischen Schienenverkehrsunternehmen entweder auf nationaler oder europäischer Ebene mit dem Verweis auf eine verbesserte Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern und eine konsequente Einpreisung von Umweltexternalitäten in die Tarife des Flugverkehrs gefordert. Umweltorganisationen wie der Verkehrsclub Deutschland sehen in einer Ticketsteuer einen Schritt in die richtige Richtung zur Beseitigung der erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, Ziel müsse aber weiterhin die Besteuerung von Kerosin sein.[25] Laut Greenpeace wird der Flugverkehr in der Schweiz mit jährlich 1,7 Milliarden Franken subventioniert, da bei Fluggesellschaften auf die Mineralölsteuer verzichtet wird.[26]

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) befürchtet hingegen bei einer Kerosinbesteuerung in Deutschland eine potentielle Wettbewerbsverzerrung, es könnte – insbesondere beim Umsteigeverkehr – zu Verlagerungen zu Airlines und Drehkreuzflughäfen in geringer besteuerten Ländern kommen. Er verweist zudem auf andere Regularien zum Klimaschutz im Luftverkehr: den EU-Emissionshandel, an dem der innereuropäische Luftverkehr seit 2012 teilnimmt, die deutsche Luftverkehrsteuer und das von der ICAO initiierte CORSIA-Programm (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation), ein Klimakompensations-Mechanismus auf internationaler Ebene, der 2021 mit einer Pilotphase beginnen soll. Nach Auffassung des BDL wachse der europäische Luftverkehr „CO2-neutral“.[27]

Das deutsche Umweltbundesamt betont, dass eine fehlende Kerosinbesteuerung Anreize für Fluggesellschaften verringere, verbrauchsärmere Flugzeuge einzusetzen. Aus diesem Grund stuft die Behörde die fehlende Kerosinsteuer als umweltschädliche Subvention ein, die sich im Jahr 2012 allein in Deutschland auf 7,083 Milliarden Euro belaufen habe. Diese Summe entspreche dem Steuerausfall aufgrund der Befreiung des zivilen Luftverkehrs von der Energiesteuer. Die Kerosinsteuer, die fiskalischen Zwecken diene, sollte zusätzlich zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel erfolgen, denn letztere diene der Internalisierung der Klimaschäden. Zudem sollte auch der Ökosteueranteil auf Kerosin erhoben werden, um die Umweltschäden zu erfassen, die nicht durch den Emissionshandel abgedeckt werden. Die Luftverkehrsteuer sei ein Schritt in die richtige Richtung.[28]

Bestrebungen zur Einführung einer Kerosinbesteuerung

EU: Europäische Bürgerinitiative zur "Abschaffung der Steuerbefreiung für Flugtreibstoff"

Seit 10. Mai 2019 läuft eine Europäische Bürgerinitiative mit dem Ziel, die existierende Steuerbefreiung auf Kerosin zu beenden. Die Unterstützungsfrist dieser Initiative ist der 10. Februar 2021.[29]

Bis 19. Januar 2021 haben insgesamt 74.665 EU-Bürger, also 7,4 % der erforderlichen Mindestbeteiligung diese Europäische Bürgerinitiative unterzeichnet. Um erfolgreich zu sein, muss eine Europäische Bürgerinitiative insgesamt eine Million Unterstützungsbekundungen erhalten, davon in mindestens sieben Ländern jeweils eine Mindestanzahl. In Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt 38,06 % der erforderlichen Beteiligung erreicht, in Österreich 31,95 %.[30]

EU-institutionelle Bemühungen

Timmermans: 'Ich persönlich bin ein Befürworter einer Kerosinsteuer.'[31]

Die französische Regierung wollte beim Treffen der EU-Verkehrsminister am 6. Juni 2019 in Luxemburg eine europaweite Flugsteuer vorschlagen. Diese Steuer könnte auf Flugtickets und Kerosin aufgeschlagen oder durch Änderungen beim EU-Emissionshandel erhoben werden.[32] Da eine auf den EU-Raum beschränkte Besteuerung die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Airlines gefährde, wurde der Vorschlag jedoch nicht umgesetzt und das Thema werde zur globalen Diskussion "auf der Agenda bleiben".[33] Im November 2019 legten die Finanzminister von Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden eine gemeinsame Erklärung vor, in der sie die Europäische Kommission, insbesondere den Europäischen Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans, EU-weite Steuern auf die Luftfahrt einzuführen, um der gesamten Luftfahrtindustrie mehr für ihre Emissionen und Umweltverschmutzung in Rechnung zu stellen, und alle Mitgliedstaaten auf gleichen Niveau zu bringen. Unter Berufung auf die Tatsache, dass die Luftfahrt rund 2,5 % der weltweiten CO2-Emissionen verursacht, schlugen die Minister sowohl einheitliche Luftverkehrabgaben als auch Kerosinsteuern (sowohl Verbrauchsteuern als auch Mehrwertsteuer) vor.[34][31]

Österreich: 73 % befürworten Kerosinsteuer

In Österreich hätte mit Stand Juli 2019 die Einführung einer Kerosinsteuer eine deutliche Mehrheit in der Gesellschaft, 73 % befürworteten eine solche Sondersteuer.[35][36] Bei den Parteien sind SPÖ, Grüne und Neos für die Einführung, die ÖVP uneinig, die FPÖ gegen die Einführung einer Sondersteuer auf den Flugtreibstoff.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Richtlinie 2003/96/EG (PDF) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom.
  2. Tina Berg: Wieso es keine Kerosinsteuer gibt. In: beobachter.ch. 31. Januar 2019, abgerufen am 6. Februar 2019.
  3. Airlines - Anteil der Kerosinkosten an den Gesamtkosten 2021. Abgerufen am 21. Januar 2021.
  4. Kerosinverbrauch deutscher Flugzeuggesellschaften. Abgerufen am 21. Januar 2021.
  5. Cuno Bieler, Daniel Sutter: Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland: Straßen-, Schienen-, Luft- und Binnenschiffverkehr 2017. im Auftrag von Allianz pro Schiene e.V. 21. August 2019, S. 31 (tagesschau.de [PDF; 369 kB]).
  6. Umweltbundesamt (Hrsg.): Ökologische Bewertung von Verkehrsarten (= Texte. Nr. 156/2020). August 2020.
  7. a b c Jörgen Larsson, Anna Elofsson, Thomas Sterner, Jonas Åkerman: International and national climate policies for aviation: a review. In: Climate Policy. 2019, doi:10.1080/14693062.2018.1562871 (open access).
  8. European Commission – Directorate-General for Mobility and Transport (Hrsg.): Taxes in the Field of Aviation and their impact. 2019, ISBN 978-92-76-08132-6, doi:10.2832/913591.
  9. Angela Stefania Bergantino, Luisa Loiacono: Market-Based Measures: The European Union Emission Trading Scheme and the Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation. In: Thomas Walker, Angela Stefania Bergantino, Northrop Sprung-Much, Luisa Loiacono (Hrsg.): Sustainable Aviation. Palgrave Macmillan, 2020, ISBN 978-3-03028661-3, doi:10.1007/978-3-030-28661-3.
  10. Bei einer reinen Zeitpräferenzrate von 1 %. Für eine von 0 % schätzt das UBA die Schäden auf 680 Euro (siehe auch Soziale Diskontrate): Methodenkonvention 3.1 zur Ermittlung von Umweltkosten. Dezember 2020, S. 8.
  11. Klimawirksamkeit des Flugverkehrs, Umweltbundesamt 2012, PDF
  12. Bernd Kärcher: Formation and radiative forcing of contrail cirrus. In: Nature Communications. Mai 2018, doi:10.1038/s41467-018-04068-0.
  13. a b c Jasper Faber, Aoife O’Leary: Taxing aviation fuels in the EU. Hrsg.: CE Delft. 18.7R09.036, 2018, S. 15 (transportenvironment.org [PDF; 636 kB] im Auftrag von Transport and Environment).
  14. Eckhard Pache: Möglichkeiten der Einführung einerKerosinsteuer auf innerdeutschen Flügen. In: Forschungsbericht 363 01 091. Umweltbundesamt, April 2005, abgerufen am 30. Mai 2019.
  15. VCD NewsletterFlugverkehr & Umwelt, 5. Ausgabe, S. 1–2. 11. April 2005, abgerufen am 30. Mai 2019.
  16. a b Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag (Hrsg.): Rechtliche Möglichkeiten zur Besteuerung von Flugbenzin in Deutschland. 14. Januar 2021 (bundestag.de [PDF; 80 kB]).
  17. Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) (= Bundesrat Drucksache. Nr. 532/10). B. Besonderer Teil - Zu Artikel 1 (Luftverkehrsteuergesetz), S. 42 (bundestag.de [PDF; 482 kB]).
  18. Verordnung zur Absenkung der Steuersätze im Jahr 2020 nach § 11 Absatz 2 des Luftverkehrsteuergesetzes (Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2020 – LuftVStAbsenkV 2020)
  19. Kerosinverbrauch steigt, bleibt aber steuerbefreit sn.at, 26. März 2019, abgerufen 9. April 2020.
  20. Jet_A1 total.fr, abgerufen 9- April 2020.
  21. Tweede Kamer der Staten-Generaal: Antwoord op vragen van de leden Kröger en Snels over het recente onderzoek ‘Taxing Aviation Fuels in the EU’. 26. März 2019, abgerufen am 21. Januar 2021 (niederländisch).
  22. Kerosinsteuer: Notwendig und machbar, VCD.org, abgerufen am 25. August 2019
  23. Nadine Ahr, Dirk Asendorpf, Petra Pinzler: Flugverkehr: Die Hölle am Himmel. In: Zeit online. 8. August 2018, abgerufen am 30. Mai 2019.
  24. Anne Kretzschmar, Matthias Schmelzer: Flugverzicht: Jeder, der fliegt, ist einer zu viel. In: Die Zeit. 31. Mai 2019, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 6. Juni 2019]).
  25. Luftverkehrssteer : Ein Schritt in die richtige Richtung vcd.org, abgerufen 6. Februar 2020.
  26. Iwan Santoro: 500 Milliarden Subventionen - Soll Benzin billig bleiben oder nicht? In: srf.ch. 1. Dezember 2019, abgerufen am 14. Dezember 2019.
  27. Luftfahrt aktuell: CO2- und Kerosinsteuer? Warum der Klimaschutz im Luftverkehr anders geregelt wird. In: Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Abgerufen am 19. Januar 2021 (deutsch).
  28. Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Umweltbundesamt, Dezember 2016, S. 44–45. Abgerufen am 21. Januar 2020.
  29. Ending the aviation fuel tax exemption in Europe. In: Europäische Bürgerinitiative. 10. Mai 2019, abgerufen am 6. Juni 2019 (englisch).
  30. Europäische Bürgerinitiative Abschaffung der Steuerbefreiung für Flugzeugtreibstoff Button "Alle Länder anzeigen", abgerufen am 19. Januar 2021.
  31. a b Emanuela Barbiroglio: There Are Now Nine Countries Asking For An EU Aviation Carbon Tax In: Forbes, 11. November 2019. Abgerufen im 13. Juni 2020 
  32. Frankreich will europaweite Flugsteuer vorschlagen orf.at, 6. Juni 2019, abgerufen 6. Juni 2019.
  33. EU-Verkehrsminister lehnen Kerosinsteuer ab. Abgerufen am 18. Juni 2019.
  34. Jonas Ekblom: Nine EU countries call for European aviation tax to curb emissions In: Reuters, 7. November 2019. Abgerufen am 13. Juni 2020 
  35. Drei von vier sind für Klima-Steuer auf Flüge, heute.at OÖ, 15..7.2019, abgerufen am 25. August 2019
  36. HEUTE Umfrage: Kerosinsteuer, unique-research.at, HEUTE.at, 15. Juli 2019, abgerufen am 25. August 2019