Albert Goldenstedt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Albert Goldenstedt (* 10. Januar 1912 in Varrel; † 11. August 1994 in Delmenhorst) war ein deutscher Bauingenieur, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühe Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Goldenstedt wurde in eine kinderreiche Arbeiterfamilie hineingeboren, die protestantischen Glaubens war.[1] Mit der Hilfe eines Stipendiums vom Hackfeld’schen Marienschulfonds in Ganderkesee konnte er ein Studium an der Höheren Technischen Lehranstalt in Oldenburg aufnehmen.[2]

Widerstand gegen den Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund einer marxistischen Rede, die er vor seinen Kommilitonen gehalten hatte, und seiner kommunistischen Agitationen wurde er im laufenden Examen verhaftet und für drei Monate in Oldenburg in „Schutzhaft“ genommen, zudem von allen deutschen Fachhochschulen ausgeschlossen. Trotz einer fortwährenden Überwachung durch die Gestapo setzte Goldenstedt seine Widerstandsarbeit fort. In Delmenhorst hatte er Kontakte mit Wilhelm Schroers,[3] Wilhelm Badenhop, August Broda und zu den Sozialdemokraten Leopold Klappstein und August Theis. Über Adolf Giehoff (KPD) wurde er mit Bernhard Gellhaus, Franz Kardatz, Karl Lamken, Heinrich Bleckwehl und dem Landtags- und Stadtratsabgeordneten Heinrich Wagner bekannt.[4] Von diesem Zeitpunkt an sammelte Goldenstedt in Absprache mit Wagner Beiträge für die „Rote Hilfe“. Anschließend versuchte Goldenstedt, in Delmenhorst, Leer, Emden und Goldenstedt Verbindungen zur Bezirksleitung der KPD in Bremen herzustellen. Es kam zweimal zu Kontaktaufnahmen mit dem kommunistischen Reichstagsabgeordneten Conrad Blenkle, zudem mit Georg Buckendahl, Klaus Bücking, Walter Platte, Willy Winkler, Karl Klein, Valeska Lamken u. a. Außerdem unternahm er Fahrten nach Frankreich und in die Schweiz und wurde dort von deutschen Emigranten und von dem Züricher Kaufmann Hans Hug beherbergt. Von diesen Fahrten brachte er illegale Schriften, wie „Die Rote Fahne“ und das Braunbuch, mit. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, ging er Ende 1936 nach Amsterdam, wo er nach einem konspirativen Treffen mit Kommunisten vom 4. Januar bis zum 23. April 1937 als „illegaler Emigrant“ inhaftiert und dann nach Belgien abgeschoben wurde. Dort arbeitete er weiterhin in Flénu und im Umkreis von Brüssel als Kurier für die „Rote Hilfe“ und die KPD. In dem Brüsseler Stadtteil Laeken wurde ihm von der „Roten Hilfe“ die Betreuung und Versorgung der dort lebenden Emigranten übertragen. In dieser Zeit unternahm er zwei Reisen nach Bremen, um antifaschistisches Propagandamaterial zu verteilen. 1938 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.[5]

Der Reichsführer der SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern schrieb:

„Die Entscheidung darüber, inwieweit der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit noch auf weitere Familienangehörige zu erstrecken ist, bleibt vorbehalten.“

[6]

Mit der Unterstützung der „Roten Hilfe“ erhielt er eine Einstellung als Architekt am Staudamm von Eupen.

„Ministère du Travail et de la Prévoyance sociale, Bruxelles: Comme suite à votre lettre du 9 décembre 1938, No. 2760/2683, Service de la main-d'oeuvre, j'ai l'honneur de vous faire savoir que rien ne s'oppose de la part de notre administration à ce que le permis de travail soit délivré au ressortissant allemand GOLDENSTEDT , Albert, né à Varrel, le 10 janvier 1912, résidant à Eupen, Langesthal 2.“

[7]

Angesichts der drohenden Kriegsgefahr wies ihn der belgische Staat 1940 in die Niederlande aus.[8] Albert Goldenstedt verbrachte zwei Monate in einem Lager auf der Insel Vlieland.[9] Nach der Okkupation der Niederlande wurde er von der Gestapo verhaftet und ins Deutsche Reich abgeschoben. Das Hanseatische Oberlandesgericht verurteilte ihn am 9. Mai 1941 wegen „Vorbereitung des Hochverrats“[10] zu einer Zuchthausstrafe von sechs Jahren in Bremen-Oslebshausen[11] :

„Der Angeklagte wird wegen fortgesetzter Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß §80 Abs.2, §83 Abs. 2, Abs.3, Ziffer 1, 3 und 4 StGB. zu einer Zuchthausstrafe von 6 Jahren verurteilt. Auf diese Strafe wird ein Jahr der erlittenen Untersuchungshaft angerechnet. Dem Angeklagten werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 6 Jahren aberkannt.“

[12]

1943 wurde er als Soldat in die „berüchtigte“ Strafdivision 999 einberufen (Erkennungsmarke: 4./Fest.I.B. XIII / 999-4.Kompanie Festungs-Infanterie-Bataillon XIII/999). Sein Einsatz war auf den griechischen Inseln Samos und Leros, wo er seinen Widerstand fortsetzte.[13] Nach seiner Kriegsgefangenschaft in den ägyptischen Camps 383,381 El Daaba, Camp 379 Quassassin (Ägypten) und Wilton Park (Großbritannien) wurde er am 2. Oktober 1946 von einer britischen Entlassungsstelle in Minden (Westfalen) demobilisiert.[14]

Von 1933 bis 1945 arbeitete Albert Goldenstedt – ohne Unterbrechung – im Widerstand. Er war über vier Jahre in Gefängnissen oder Zuchthäusern inhaftiert, diente zwei Jahre in der Strafdivision 999 und war nach der Befreiung 1945 noch anderthalb Jahre in britischer Kriegsgefangenschaft. Von Anfang an arbeitete er mit Widerstandskämpfern unterschiedlicher konfessioneller und weltanschaulicher Prägung zusammen.

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach seiner Rückkehr nach Delmenhorst holte Albert Goldenstedt seine Examina als Hoch- und Tiefbauingenieur an der Staatsbauschule Oldenburg nach und legte seine Prüfung als Baumeister vor der Handwerkskammer ab.[15] 1948 gründete er eine Baufirma in der Düsternortstraße in Delmenhorst und wurde ein Bauunternehmer mit „sozialem Gewissen“: Er kaufte den Landwirten Wiesen und Felder ab, die er in den Bebauungsplan brachte. Als Erschließungsträger verkaufte Goldenstedt die Grundstücke zum Selbstkostenpreis an die Bauherren. So wurden viele Straßen in Delmenhorst mit „Goldenstedt-Häusern“ bebaut: Adalbert-Stifter-, Amalien-, Chemnitzer-, Elisen-, Hedwig-, Heinrich-Heine-, Hölderlin-, Hohensteiner-, Jasmin-, Schlehen- und Urselstraße und der Welsehof. In Bremen entstand die Delmestraße, in Ganderkesee gab es Einzelbebauungen in der Herderstraße, am Bogen- und Schlattenweg.

Im politischen Bereich engagierte Albert Goldenstedt sich in der VVN Niedersachsen und war von 1975 bis 1981 ihr Vorsitzender. Intensive politische Kontakte bestanden weiterhin mit Delmenhorster und Bremer Antifaschisten und Antifaschistinnen, u. a. mit Wilhelm Meyer-Buer und Georg Gumpert.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Werner Garbas, Frank Hethey (Hrsg.): Delmenhorster Lebensbilder II. Neue Porträts von Menschen in ihren Beziehungen zur Region Delmenhorst. Aschenbeck und Holstein Verlag, Delmenhorst/Berlin 2006, ISBN 978-3-939401-17-9.
  • Paul Wilhelm Glöckner: Delmenhorst unter dem Hakenkreuz. Band II: Der Widerstand. Delmenhorst 1983.
  • Paul Wilhelm Glöckner: Erst Verrat sorgt für Zerschlagung. Trotz Überwachung durch die Gestapo: Sozialistische Gruppe Wagner/Goldenstedt leistet in Delmenhorst Widerstand gegen die Nazis, in: Von Hus und Heimat, Delmenhorster Kreisblatt, 23./24.09.2023.
  • Christiane Goldenstedt: Albert Goldenstedt – Ein Delmenhorster im antifaschistischen Widerstand. (= Oldenburger Studien. Band 89). Isensee Verlag, Oldenburg 2019, ISBN 978-3-7308-1552-6.
  • Michael Hepp (Hrsg.): Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933-1945 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Band 3. KG Saur Verlag, München 1988, ISBN 3-598-10537-1, S. 258.
  • Heinz Junge: Vlieland. Interneringskamp voor Duitse Tegenstanders van Hitler 1938–1940. Die Deutsche Ausgabe: Vlieland. Internierungslager für deutsche Hitlergegner 1938–1940. Selbstverlag Heinz Junge. (vlieland3940.files.wordpress.com)
  • Günter Heuzeroth, Johannes Petrich (Hrsg.): Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus 1933–1945. Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems. Band 1, Oldenburg 1989, ISBN 3-925713-02-6.
  • Friedrich Hübner: Albert Goldenstedt – ein Delmenhorster im antifaschistischen Widerstand. Rezension. In: Heimatjahrbuch 2020 Delmenhorst. 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs. Isensee Verlag, Oldenburg 2020, ISBN 978-3-7308-1702-5, S. 69f.
  • Friedrich Hübner: Albert Goldenstedt. Rezension: Christiane Goldenstedt, in: Oldenburger Landesverein (Hrsg.): Oldenburger Jahrbuch. Bd. 121, Isensee Verlag, Oldenburg 2021, ISBN 978-3-7308-1845-9, S. 205f.
  • Joachim Käppner: Soldaten Im Widerstand: Die Strafdivision 999 1942–1945. Piper Verlag, München 2022, ISBN 978-3-492-07037-9.
  • Hans-Peter Klausch: Die 999er. Von der Brigade „Z“ zur Afrika-Division 999: Die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand. Röderberg Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-87682-818-X.
  • Björn Gerhard Roth: Halt, Feldgendarmerie! Die Ordnungstruppen der deutschen Wehrmacht 1939–1945. Eine kritische Auseinandersetzung. Books on demand, Norderstedt 2019, ISBN 978-3-7494-0023-2.
  • Wilhelm Schroers: Widerstand und Wiederaufbau in Delmenhorst. Lebenserinnerungen. Delmenhorst 2018.
  • Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Widerstandes 1933–1945 (Hrsg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945. Band Niedersachsen II: Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems. Band 3, Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1986, ISBN 3-7609-0983-3.
  • Eike Wienbarg: Albert Goldenstedt - Ein Leben für seine Ideale. In: Weserkurier. 2. April 2021. (weser-kurier.de)
  • Albert Goldenstedt. Belgien, Niederlande, Luxemburg. Besatzung – Kollaboration – Widerstand. In: Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945. 45. Jg., Nr. 91, Mai 2020, S. 32, ISSN 0938-8672.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Geheime Staatspolizei Wilhelmshaven: Aberkennung der Reichsangehörigkeit des Albert Goldenstedt, Erlass vom 9.11.37 -II B 3: "G. ist arisch und evangelischer Konfession. Soweit festgestellt werden konnte, waren seine Eltern und auch Großeltern ebenfalls evangelischer Religion." In: archiv.diplo.de. 15. Dezember 1937, abgerufen am 1. August 2021.
  2. Christiane Goldenstedt: Albert Goldenstedt -ein Delmenhorster im antifaschistischen Widerstand. Isensee Verlag, Oldenburg 2019, ISBN 978-3-7308-1552-6.
  3. Wilhelm Schroers: Widerstand und Wiederaufbau in Delmenhorst. Hrsg.: Heike Honisch Hans-Jocham Olcyk. Eigenverlag, Delmenhorst 2018.
  4. Paul Wilhelm Glöckner: Delmenhorst unter dem Hakenkreuz. Band III. Selbstverlag, Ganderkesee 1987.
  5. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), RZ 214.R 99691 (Ausbürgerungen 29. Liste A–Z) und HStA Dresden, Bestand 10736 Ministerium des Innern, Nr. 9869.
  6. Der Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, S-PP (IIB) Nr. 3065/38: Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit. In: archiv.sachsen.de. Sächsisches Staatsarchiv 10763, Nr. 9869, 27. April 1938, abgerufen am 1. Oktober 2021.
  7. Archives nationales Bruxelles: Permis de travail. Hrsg.: Sources A24/6/77/SE 310398- A 241-677. Bruxelles Januar 1939.
  8. Archives de l'Etat en Belgique A 241.677, Bruxelles.
  9. Vlieland Wordpress: Widerstandskämpfer auf Vlieland. Abgerufen am 1. Juli 2021.
  10. Bundesarchiv in Berlin, Anklageschrift. Der Generalstaatsanwalt bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht, OJs25/40, 5. März 1941.
  11. Staatsarchiv Bremen, Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil. In der Strafsache gegen den Architekten Albert Goldenstedt, O.Jg. 25/40, Reichsministerium 15. Juni 1941.
  12. Hanseatisches Oberlandesgericht: Urteil: In der Strafsache gegen den Architekten Albert Goldenstedt, geboren am 10. Januar 1912 in Varrel II, wegen Vorbereitung des Hochverrats. Hrsg.: Staatsarchiv Bremen. Bremen 9. Mai 1941, S. 14.
  13. Hans-Peter Klausch: Die 999er. Von der Brigade "Z" zur Afrika-Division 999. Die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand. Röderberg Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-87682-818-X.
  14. Deutsche Dienststelle Berlin für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht: Prisoner of War Information Bureau. In: bundesarchiv.de. 2015, abgerufen am 7. Januar 2021.
  15. Niedersächsisches Landesarchiv Oldenburg: Albert Goldenstedt. In: nla.niedersachsen.de. 7. Juni 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Oktober 2020; abgerufen am 7. Januar 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/nla.niedersachsen.de