Camcopter S-100

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Camcopter S-100
Camcopter S-100
Typ UAV
Entwurfsland

Osterreich Österreich

Hersteller Schiebel Elektronische Geräte

Der Camcopter S-100 (auch Schiebel S-100 genannt) ist ein 3,11 Meter langer und 97 kg schwerer unbemannter Hubschrauber.

Geschichte

Der S-100 wurde von 2003 bis 2005 vom Wiener Elektrotechnikunternehmen Schiebel Elektronische Geräte aus den schon seit den 1990er Jahren existierenden Camcopter-Versionen 3.0 bis 5.1 entwickelt und wird seit 2006 serienmäßig in einem neuen Werk in Wiener Neustadt mit rund 100 Stück jährlich hergestellt.[1]

Die Form der Drohne stammt von Gerhard Heufler und erhielt im Jahr 2005 die Auszeichnungen Adolf Loos Staatspreis Design des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit und den „Mercur“ der Wirtschaftskammer Wien für die „Innovation des Jahres“.

Im Jahr 2004 wurde der unbemannte Hubschrauber in die Sammlung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York City aufgenommen.[2]

Technische Daten

Technische Daten
max. Fluggeschwindigkeit 130 kn (241 km/h)
typ. Fluggeschwindigkeit
(maximale Flugdauer)
55 kn (102 km/h)
typ. Fluggeschwindigkeit
(maximale Reichweite)
120 kn (222 km/h)
max. Flughöhe 18.000 ft (5.486 m) unter ISA-Bedingungen
Flugdauer
(mit zusätzl. Außentank)
6 Stunden (bei normaler Fluggeschwindigkeit und 34 kg Zuladung)
(10 Stunden)
Leergewicht 110 kg (243 lb)
max. Abfluggewicht 200 kg (441 lb)
max. Nutzlast 50 kg (110 lb)
Gesamtlänge 3,11 m
Höhe 1,04 m
Breite 0,50 m (ohne Landevorrichtung)
1,24 m (mit Landevorrichtung)
Rotordurchmesser 3,40 m
Leistung 41 kW, Wankelmotor Austro Engine AE-50R
Stückpreis ca. 4,2 Millionen Euro, abhängig von der Konfiguration

Die tragende Struktur der Drohne ist ein Monocoque aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, dynamisch stark beanspruchte Teile sind aus Titan geschmiedet. Als Antriebsquelle dient ein 40 kW starker Wankel-Flugzeugmotor. Navigiert wird mit Hilfe eines Satellitennavigationssystems (GPS) und eines Trägheitsnavigationssystem, die unabhängig voneinander agieren. Zur Befestigung der maximal 50 kg Nutzlast sind vier Aufhängungspunkte und eine Nutzlastbucht an der Frontseite vorgesehen. Entwickler und Produzent des Hauptrotorkopfes sowie der Antriebswelle für den Heckrotor ist der österreichische Rennwagen- und Luftfahrzeugausstatter Pankl Racing Systems.

Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten

Ein Schiebel Camcopter S-100 bei der Überprüfung von Hochspannungsleitungen in Oberösterreich (2011)
Schiebel S-100 Camcopter (registered OE-VXX) mit Luft-Boden-Raketen vom Typ Thales LMM. Ausgestellt auf der Farnborough Airshow 2008 am Stand des Raketenherstellers Thales Group.

Der Camcopter S-100 wird auf eine bestimmte Strecke programmiert, die er daraufhin autonom bis zu 6 Stunden lang abfliegt. Er steuert sich dabei zur Gänze selbst – inklusive Start und Landung – und wird von der Bodenstation, die mittels Funk mit der Drohne in Verbindung steht, und seine aktuelle Position sowie Bilder von der oder den am Helikopter montierten Kameras empfängt, lediglich überwacht, aber nicht gesteuert. Zudem kann der Camcopter jederzeit mittels Joystick auch manuell gesteuert werden, wobei die jeweiligen Flugbefehle über den Bordcomputer gerechnet und umgesetzt werden. Einsatzradius sind rund 200 km.

Wesentlicher Unterschied des Camcopters S-100 zu den meisten anderen unbemannten Fluggeräten am Markt ist, dass er keine Start- und Landebahn benötigt, sich stationär in der Luft aufhalten, in enge Täler einfliegen, und auch bei starkem Wind selbstständig und sicher landen kann.

Anwendungsmöglichkeiten des unbemannten Mini-Helikopters, welcher mit bis zu 50 kg Zuladung z. B. mit verschiedenen Kameras oder anderen Sensorplattformen mit Lidar oder Bodenradar[3] ausgestattet werden kann, sind im zivilen Bereich die Infrastruktur- und Ressourcenüberwachung, die Luftkartierung, die routinemäßige Überwachung von Pipelines, Wasser-, Strom- und Kommunikationsleitungen, sowie großen Betriebsgeländen und -anlagen, die Hilfe bei der Suche nach vermissten Personen (z. B. mit Wärmebildkameras), der humanitäre Einsatz, wie z. B. Lieferung von Hilfsgütern, sowie Filmaufnahmen. Die Absatzmärkte des Camcopters S-100 im militärischen Bereich liegen in der Aufklärung feindlicher Anlagen mittels Wärmebildkameras, als Trägersystem für kleinere Luft-Boden-Raketen, wie der Thales LMM, der Feuerleitung der Artillerie, die Unterstützung von militärischen Kommunikationsnetzen im Kampfeinsatz als Relaisstation und der Frontüberwachung.

Bisher sind etwa 80 Stück an die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft worden (VAE-Bezeichnung „Al Saber“)[4]. Weiters vier Stück an die Khamis Brigade, der ehemaligen Leibwache von Muammar al-Gaddafi in Libyen[5][6]. Zwei Drohnen an Jordanien[7] und weniger als 19 Stück an die chinesische Volksbefreiungsarmee.[8] Die Lieferungen an die chinesische Volksbefreiungsarmee erregten 2012 wegen des Verdachtes auf Umgehung des EU-Waffenembargos mediales Interesse,[9] da Bilder vom Betrieb der Drohne vom Deck chinesischer Kriegsschiffe veröffentlicht wurden.[10]

Im Oktober 2014 gab die OSZE bekannt, dass sie für ihre Beobachtermission in der Ukraine einen Vertrag mit Schiebel geschlossen habe. Schiebel betreibt demnach die unbewaffneten S-100 Drohnen unter direkter Aufsicht der OSZE.[11] Die Drohnen wurden bereits kurz nach Einsatzbeginn zum Ziel von Gegenmaßnahmen: Eine wurde am 2. November 2014, rund 15 km östlich von Mariupol über Separatistengebiet, mit einem Flugabwehrgeschütz beschossen, die andere war einige Tage zuvor zum Ziel elektronischer Gegenmaßnahmen geworden, die als Scrambling oder als GPS-Störsender beschrieben wurden.[12] Anfang Juli 2015 gestand ein Vertreter der Volksrepublik Donezk, dass seine Seite über fortschrittliche elektronische Gegenmaßnahmen verfüge und die S-100 versehentlich zum Ziel von Störmaßnahmen geworden sein könnten, weil man sie mit Drohnen der Gegenseite verwechselt habe.[13]

Marineversion

Die Deutsche Marine hat den Camcopter S-100 im Jahr 2008 erprobt[14] und plant die Beschaffung für den Einsatz auf den Korvetten der Klasse 130. Für den Bordeinsatz sind einige Anpassungen erforderlich. Vorgesehen ist unter anderem ein Landesystem mit Deckarretierung und die Umrüstung des Wankelmotors für den Betrieb mit Kerosin. Außerdem soll ein leistungsfähigerer optoelektronischer Sensor eingebaut werden. Bis 2013 sollen drei Bodensegmente mit sechs fliegenden Plattformen beschafft werden.[15][16]

Sonstiges

  • Im Juni 2010 flog der Camcopter S-100 als erster unbemannter Drehflügler auf der ILA Berlin.[17]
  • Im Mai 2011 überprüfte der Camcopter S-100 Hochspannungsleitungen in Oberösterreich.[18]
  • Im November 2010 unterstützte der Camcopter S-100 die Sicherheitsmaßnahmen rund um den G-20 Gipfel in Seoul.[19]
  • Im April 2012 fanden die ersten Testflüge des Camcopter S-100 mit einer integrierten Cineflex-Kamera statt.[20]
  • Im Mai 2012 stürzte eine Drohne in Südkorea während eines Tests auf ein Kontrollfahrzeug, dabei kam ein Ingenieur ums Leben.[21]
  • Im September 2013 überprüfte der S-100 Hochspannungsleitungen in Auckland, Neuseeland für das Unternehmen Transpower.[22]
  • 2014 – Während der gesamten Olympischen Spiele – der XXII Winter Spiele und Paralympics – unterstützte der Camcopter S-100 die Sicherheitsmaßnahmen rund um das olympische Dorf in Sochi.[23]
  • Die Rettungsorganisation MOAS benutzt auf ihrem Schiff zwei S-100 Drohnen[24]
  • Im Oktober 2015 veröffentlichte die österreichische Post eine neue Sondermarkenserie „Design Austria“ mit dem Camcopter S-100 als Motiv der ersten Briefmarke dieser Serie.[25]

Museale Rezeption

  • Ein Camcopter S-100 ist in der Militärluftfahrtausstellung Zeltweg im Hangar 8 des Fliegerhorst Hinterstoisser ausgestellt, einer Außenstelle des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums.[26]
  • Der Camcopter S-100 ist seit Mai 2014 im MAK (Museum für angewandte Kunst) DESIGN LABOR in Wien ausgestellt.[27]
  • Seit November 2014 ist der Camcopter S-100 Teil der Dauerausstellung „Mobilität“ im Wiener Technischen Museum.[28]
  • Die tschechische Künstlerin Magdalena Jetelová verwendete den Camcopter S-100 in einer Kunstinstallation im Rahmen der Ausstellung „Vienna for Art’s Sake!“ im Winterpalais, Wien (27. Februar 2015 bis 31. Mai 2015).[29]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schiebel Camcopter S-100 (Austria), Unmanned helicopters – Rotary-wing – Military janes.com (abgerufen am 4. August 2010)
  2. Camcopter S-100 Unmanned Aerial Vehicle. In: moma.org. Abgerufen am 21. Oktober 2015.
  3. Paul J. Springer: Military Robots and Drones. ABC-Clio, Santa Barbara 2013, ISBN 978-1-598-84732-1; pdf - roteskreuz.at.
  4. FliegerRevue April 2009, S. 33–35, IDEX 2009 in Abu Dhabi
  5. Rot-weiß-rote Drohnen in Gaddafis Diensten In: Der Standard, 1. März 2011. Abgerufen am 2. März 2011 
  6. ORF.at Wirbel um Drohnenverkauf an Libyen vom 1. März 2011
  7. FliegerRevue April 2011, S. 8, Camcopter an Jordanien
  8. Bericht: Österreichische Drohnen für Chinas Marine diepresse.com, abgerufen am 25. Juli 2012
  9. Aufklärung dringend geboten, Zeitschrift Falter vom 24. Juli 2012
  10. Greg Waldron: Schiebel Camcopter S-100 operated from Chinese frigate In: Flight Global, 18. Mai 2012 
  11. „OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine successfully completes the first flight of its Unarmed/Unmanned Aerial Vehicles“ OSCE vom 23. Oktober 2014, gesichtet am 24. Oktober 2014
  12. Michael Birnbaum: „Poroshenko issues warning over rebel-held elections in eastern Ukraine“ Washington Post vom 3. November 2014, abgerufen am 9. November 2014
  13. „Latest from OSCE Special Monitoring Mission (SMM) to Ukraine based on information received as of 19:30 (Kyiv time), 5 July 2015“ OSZE vom 5. Juli 2015
  14. schiebel.net CAMCOPTER S-100 COMPLETES EXTENSIVE GERMAN NAVY FLIGHT TRIALS (PDF; 38 kB) vom 29. September 2008
  15. Marcus Bredick; Erfolgreiche UAV-Decklandeversuche; in: Marineforum 1/2-2009, S. 26
  16. dmkn.de Karl-Heinz Pitsch; Unbemanntes Aufklärungssystem für die deutsche Marine; in: Marineforum 5-2009, S. 11 ff.
  17. [1] Flugrevue 1. Juni 2010
  18. [2] UAS Vision 29. Juni 2011
  19. [3] Flugrevue 15. November 2010
  20. [4] The Creators Project/VICE, 17. April 2012
  21. Slowakischer Ingenieur bei Absturz einer Schiebel-Drohne getötet derstandard.at, abgerufen am 11. Mai 2012
  22. [5]GIM International am 24. September 2013
  23. GIM International, abgerufen am 5. November 2015
  24. BBC: The millionaires who rescue people at sea abgerufen am 11. November 2014
  25. Sonderbriefmarke Schiebel Camcopter S-100, abgerufen am 2. November 2015
  26. auf doppeladler.com, abgerufen am 10. September 2013
  27. [6], abgerufen am 17. Dezember 2014
  28. [7], abgerufen am 17. Dezember 2014
  29. Belvedere.at abgerufen am 16. März 2015