Carl Michael Ziehrer

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Carl Michael Ziehrer, 1886

Carl Michael Ziehrer (* 2. Mai 1843 in Wien; † 14. November 1922 ebenda) war ein österreichischer Komponist. Er schrieb rund 600 Tänze und 23 Operetten.

Leben

Carl Michael Ziehrer erlernte von seinem Vater das Handwerk des Hutmachers. Er spielte auch Klavier und verfasste bereits mit 19 Jahren eigene kleine Kompositionen. Der Verleger von Johann Strauss (Sohn), Carl Haslinger, der sich zu dieser Zeit mit seinem Walzer-Komponisten zu überwerfen begann, vermutete in ihm Talent und protegierte den jungen Carl Michael Ziehrer, indem er ihm Lehrmeister für Dirigenten- und Komponistentätigkeit zur Verfügung stellte. Ziehrers wichtigster Lehrer war der Wiener Musiker und Komponist Johann Emanuel Hasel, der auch mit Ziehrers Kapelle das Programm des ersten Konzerts einstudierte und seinem Schüler zahlreiche Eigenkompositionen zur Verfügung stellte, die Ziehrer bei seinem Debüt am 21. November 1863 im DianabadSaal in Wien-Leopoldstadt unter seinem Namen zur Aufführung brachte.[1] Hasels Hilfestellung wurde von Ziehrer zeit seines Lebens konsequent verschwiegen. Im Jahr 1903 gelang es Ziehrer mithilfe eines Privatdetektivs, eine inkriminierende Partitur aus dem Besitz von Hasels Witwe an sich zu bringen, um das peinliche Bekanntwerden von Hasels wahrem Anteil an Ziehrers Frühwerk zu verhindern.[2]

1865 wurde Ziehrer in die Blumensäle der Wiener Gartenbaugesellschaft engagiert, wo er als Ballregent fungierte und einige Neukompositionen zur Uraufführung brachte. Im November 1867 ernannte man Ziehrer zum Kapellmeister des Arbeiter-Bildungswerks.

Nach Differenzen mit seinen Förderern und Gönnern in Wien zog Ziehrer nach Berlin, übernahm die Kapelle der Reichshallen und agierte als Variété-Dirigent. Dabei arbeitete er mit Marianne Edelmann aus Linz zusammen, die er am 1. September 1888 heiratete.

Im Jahre 1885 erhielt Ziehrer den Posten als Kapellmeister des berühmten K.u.k. Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4, nachdem der im selben Jahr ernannte Heinrich Strobl (1839–1885) unerwartet verstorben war. Damit erlangte er auch in Wien Anerkennung, wo sich die Strauss-Ära dem Ende zuneigte. Carl Michael Ziehrer gab Konzerte in ganz Europa und auch 1893 in Chicago im Rahmen der Weltausstellung.

Rechts: Das von Ziehrer zuzeiten vor dem Ersten Weltkrieg in Baden bei Wien genutzte Wohnhaus, in dem der Komponist seinen 70. Geburtstag feierte.[Anm. 1]
Das Ziehrerdenkmal im Wiener Prater, 1959 gestaltet von Robert Ullmann (Welt-Icon)

Als Höhepunkt in seiner Laufbahn kann man Ziehrers Ernennung zum vierten und letzten k.k. Hofballmusikdirektor (nach Johann Strauss (Vater), Johann Strauss (Sohn) und Eduard Strauß) im Jahre 1907 bezeichnen. Carl Michael Ziehrer verlor während des Ersten Weltkrieges sein Vermögen und starb verarmt 1922. Sein Leichnam wurde am 17. November 1922 vom Trauerhaus, Erdbergstraße 1, Wien-Erdberg, zur Einsegnung in die Rochuskirche gebracht[3] und danach auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab (Gruppe 32 C, Nummer 1)[4] zur letzten Ruhe bestattet.

Ziehrer war Freimaurer. Er wurde 1892 in die Loge „Treue“ in Pressburg (heute: Bratislava) aufgenommen.

Auszeichnungen, Ehrungen, Preise (Auswahl)

Datei:25 Schilling 1972 Ziehrer.jpg
25-Schilling-Münze (1972)
  • Im Jahr 1933 wurde in Wien Landstraße (3. Bezirk) der Ziehrerplatz nach ihm benannt.
  • Der Willi Forst-Film „Wiener Mädeln“ von 1944 ist seinem Andenken gewidmet.
  • Zu Ziehrers Ehren brachte die österreichische Post 1947 und 1972 aus Anlass des 25.[5] bzw. 50. Todestages[6] Sonderpostmarken heraus.
  • 1967: Erinnerungsplakette der C.-M.-Ziehrer-Stiftung am ehemaligen Wohnhaus Conrad-von-Hötzendorf-Platz 8 (früher: Bahnhofplatz 8), Baden bei Wien.
  • 1972 legte die Münze Österreich, ebenfalls gedenkjahrbezogen, ein 25-Schilling-Geldstück auf.[7]

Werke (Auswahl)

„Dem löblichen Badner Cur-Comité [gewidmet].“ (1867) [Anm. 2]
„Ihrer Durchlaucht Frau Fürstin Pauline Metternich [gewidmet].“ (1887)

Orchesterwerke

  • Männerherz, Mazurka op. 54 (1866)
  • Ein Blick nach ihr, Polka op. 55 (1866)
  • D’Kernmad’ln, Original Steirische Tänze op. 58 (1860)
  • König von Sachsen-Huldigungs-Marsch, op. 64 (1866)
  • Badner Park-Polka, op. 65 (1867)
  • Auf hoher See, Walzer op. 66 (1866)
  • Bürgerlich und romantisch, Polka Mazurka op. 94 (1867)
  • In’s Herz, Polka op. 95 (1867)
  • Hat ihn schon! Polka op. 100
  • Ohne Sorgen, Polka op. 104 (1868)
  • Auersperg-Marsch, op. 111 (1868)
  • Augensprach, Mazurka op. 120 (1868)
  • In Reih’ und Glied, Polka op. 159 (1870)
  • Schlagfertig, Polka op. 198
  • Ein Blümchen im Verborgenen, Mazurka op. 202 (1873)
  • Huldigungs-Fest, Marsch op. 275 (1875), „Seiner Hoheit Georg II. reg. Herzog zu Sachsen-Meiningen-Hildburghausen in tiefster Ehrfurcht gewidmet.“
  • Verliebt, Romanze op. 319
  • Österreich in Tönen, Walzer op. 373 (1887)
  • Faschingskinder, Walzer op. 382
  • Pfiffig, Polka op. 384
  • Loslassen! Polka schnell, op. 386 (1887)
  • Metternich-Gavotte, op. 378
  • Weaner Mad’ln, Walzer op. 388 (1888); sh. die Verfilmung Wiener Mädeln von 1949.
  • Ballfieber, Polka op. 406 (1889)
  • Natursänger-Walzer, op. 415 (1890)
  • Lachen, kosen, tanzen! Mazurka op. 416 (1890)
  • Wiener Bürger, Walzer op. 419 (1890)
  • Der Traum eines österreichischen Reservisten, Großes militärisches Tongemälde (1890)
  • Freiherr von Schönfeld-Marsch, op. 422 (1890)
  • Phonographen, Walzer op. 423
  • Wurf-Bouquet, Mazurka op. 426 (1890)
  • Liebesrezepte, Walzer op. 434 (1892)
  • Katzen-Polka, Polka groteska op. 441 (1892)
  • Diesen Kuss der ganzen Welt, Walzer op. 442 (1892)
  • Gebirgskinder, Walzer op. 444 (1892)
  • Frauenlogik, Mazurka op. 445 (1893)
  • Cavallerie, Polka op. 454 (1893)
  • Clubgeister, Walzer op. 452 (1893)
  • Lieber Bismarck, schaukle nicht, Polka op. 465 (1893)
  • Nachtschwärmer, Walzer op. 466
  • Wo meine Wiege stand, Walzer op. 468 (1895)
  • Ziehrereien, Walzer op. 478 (1897)
  • Die kleine Witwe, Marsch op. 487
  • In lauschiger Nacht, Walzer op. 488 (aus der Operette Die Landstreicher)
  • Die Tänzerin, Polka op. 490 (1899)
  • Der Zauber der Montur, Marsch op. 493 (aus der Operette Die Landstreicher)
  • Landstreicher-Quadrille, op. 496
  • Seculo Nuovo, Vita Nuovo, Walzer op. 498 (1900)
  • Auf in’s XX. Jahrhundert, Marsch op. 501 (1900)
  • Buberl komm! Walzer op. 505 (1901) (aus der Operette "Die drei Wünsche")
  • Samt und Seide, Walzer op. 515
  • Hereinspaziert! Walzer op. 518 (aus der Operette "Der Schätzmeister")
  • Sei brav, Walzer op. 522 (1905)
  • Goldene Jugendzeit, Gavotte op. 523 (1905)
  • Fächerpolonaise, op. 525
  • Tolles Mädel, Walzer op. 526 (1907)
  • Liebeswalzer, op. 537
  • Liebesgeheimnis, Polka op. 538 (1908)
  • Wenn man Geld hat, ist man fein! Marsch op. 539
  • Sternschuppen, Polka op. 540
  • Duck’ dich, Manderl! Marsch op. 548 (1911)
  • O, diese Husaren, Walzer op. 552
  • Ich lach’! Walzer op. 554
  • Kulturbilder, Walzer op. 563 (1920)
  • Le petit Soldat, Fantasiestück

Operetten

  • König Jerôme oder Immer lustig, Uraufführung Wien, 1878 (Werk nicht mehr erhalten)
  • Wiener Kinder, Uraufführung Wien, 1881
  • Die Landstreicher, Uraufführung Wien, 1899
  • Die drei Wünsche, Uraufführung Wien, 1901
  • Der Fremdenführer, Uraufführung Wien, 1902
  • Der Schätzmeister, Uraufführung Wien, 10. Dezember 1904
  • Fesche Geister, Uraufführung Wien, 1905
  • Ein tolles Mädel, Uraufführung Wiesbaden, 1907
  • Liebeswalzer, Uraufführung Wien, 1908
  • Ball bei Hof, Uraufführung Stettin, 1911
  • Manöver-Kinder, Uraufführung Wien, 1912
  • Fürst Casimir, Uraufführung Wien, 1913
  • Das dumme Herz, Uraufführung Wien, 1914
  • Die verliebte Eskadron, Uraufführung Wien, 1930

Literatur

  • Max Schönherr: Lanner, Strauß, Ziehrer. Synoptisches Handbuch der Tänze und Märsche. Doblinger, Wien 1982, ISBN 3-900035-75-X.
  • Gabriele Waleta: Der letzte k.k. Hofballmusikdirektor Carl Michael Ziehrer in den Jahren 1908–1918. Diplomarbeit. Universität Wien, Wien 1995, OBV.
  • Klaus Stübler, Christine Wolf: Harenberg Komponistenlexikon. MAYERS Lexikonverlag, Mannheim 2004, ISBN 3-411-76117-2, S. 1047.

Einzelnachweise

  1. Karl Kraus: Ziehrer-Jubiläum. In: Die Fackel, Nr. 121 (19. November 1902), S. 16–20.
  2. Karl Kraus: Antworten des Herausgebers. In: Die Fackel, Nr. 146 (11. November 1903), S. 26 ff.
  3. Kleine Chronik. (…) Karl-Michael Ziehrer. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt (Nr. 20902/1922), 16. November 1922, S. 4, unten rechts. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp.
  4. Hedwig Abraham: Carl Michael Ziehrer. In: viennatouristguide.at, abgerufen am 8. September 2011.
  5. 25. Todestag von Carl Michael Ziehrer. In: Austria-Forum, abgerufen am 23. Oktober 2010.
  6. 50. Todestag Carl Michael Ziehrers. In: Austria-Forum, abgerufen am 23. Oktober 2010.
  7. 25 Schilling – 50. Todestag von Carl Michael Ziehrer (1972). In: Austria-Forum, abgerufen am 23. Oktober 2010.

Anmerkungen

  1. Im links angrenzenden Wohnhaus, das bis heute mit dem ehemaligen Stöckl Ziehrers den Zugang teilt, verstarb am 31. Dezember 1899 Carl Millöcker.
  2. Partiturheft für Pianoforte. Auf der Titelvignette Ansicht des Kurparks: Hauptallee mit Musikpavillon, Freitreppe und Äskulap-Tempel (heute: Mozart-Tempel) als point de vue. — In: Otto Wolkerstorfer: Walzerseligkeit und Alltag. Baden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Grasl, Baden bei Wien 1999, ISBN 3-85098-243-2, S. 346.

Weblinks

Commons: Carl Michael Ziehrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien