David Copperfield (Roman)

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Original-Titelblatt des Romans

David Copperfield, Originaltitel David Copperfield or The Personal History, Adventures, Experience and Observation of David Copperfield the Younger of Blunderstone Rookery (Which He Never Meant to Publish on Any Account), ist ein Bildungsroman des englischen Schriftstellers Charles Dickens aus dem Jahr 1849/1850. Der Roman wurde zunächst, wie die meisten von Dickens’ Werken, als monatliche Fortsetzungsgeschichte mit je zwei Illustrationen von Hablot Knight Browne alias Phiz für einen britischen Shilling konzipiert und später überarbeitet. Viele Elemente der Geschichte folgen Ereignissen aus Dickens’ eigenem Leben, David Copperfield gilt daher als der am stärksten autobiographisch geprägte Roman seines Gesamtwerkes. Dickens selbst bezeichnete David Copperfield als seine Lieblingsgeschichte. Er gilt als einer der bedeutendsten Bildungsromane der englischen Literatur.

Handlung

Eine Originalillustration von Phiz aus "David Copperfield"

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte von David Copperfield, hinter dem sich der Autor selbst in verfremdeter Form verbirgt. Man erfährt von David Copperfields Werdegang und langsamem Erwachsenwerden. Die Erzählung lebt von den zahlreichen (berühmt gewordenen) Figuren, die seinen Weg kreuzen, ihn einen Teil seines Lebens begleiten, verschwinden und wieder auftauchen. Darunter sein Kindermädchen Peggotty, ihre Familie, die mit ihnen lebende kleine Waise Emily, die David verzaubert; seine enge Vertraute Agnes Wickfield, ein idealisiertes, engelsgleiches Wesen; und sein Schulfreund Steerforth, für den Emily, von falschen Versprechen geblendet, später ihren Verlobten verlässt, um mit ihm eine Affäre einzugehen. Genau dieses Ereignis löst auch die größte Tragödie des Romans aus. Sie durchzieht – wie vieles andere – das gesamte Werk bis an sein teilweise dramatisches Ende.

Als Junge leidet David unter seinem grausamen Stiefvater, Mr. Murdstone, wird von ihm fast zu Tode geprügelt und schließlich auf eine Privatschule fortgeschickt. Die Schule, Salem House, wird von einem unbarmherzigen Direktor geleitet, Mr. Creakle. Hier freundet sich Copperfield mit dem sehr begabten, aber selbstsüchtigen Schüler Steerforth und mit Tommy Traddles an, die, in typischer Dickens-Manier, die Schule verlassen und im weiteren Verlauf der Geschichte wieder auftauchen. Derweil stirbt Davids geliebte Mutter kurz nach der Geburt eines weiteren Sohnes an den Folgen der seelischen Misshandlung, die Mr. Murdstone und seine Schwester Miss Murdstone ihr und den beiden Kindern zufügten. Das Baby stirbt ebenfalls.

Mr. Murdstone schickt David daraufhin in eine Fabrik in London, wo er für einen Hungerlohn arbeiten muss. In diesem Teil des Romans spiegeln sich Dickens eigene Erfahrungen und sein Leiden während der Fabrikarbeit in seiner Kindheit. David entflieht der Fabrik und legt den weiten Weg von London nach Dover über Canterbury zu Fuß zurück, auf der Suche nach der einzigen ihm bekannten Verwandten, seiner exzentrischen Tante Betsey Trotwood, die in Dover wohnt, unmittelbar am Meer. Diese willigt ein, ihn aufzunehmen und sich von nun an als „Ersatzmutter“ um den verwaisten Jungen zu kümmern.

Sie gibt ihm zunächst einen neuen Namen, Trotwood Copperfield, den sie als Trot abkürzt. Von nun an benutzt die Hauptfigur des Romans beide Namen gleichermaßen. Dickens erreicht durch diesen Kunstgriff eine Aufspaltung der Charaktere in zwei Gruppen. Bezogen auf den Zeitpunkt des ersten Auftretens und durch wen ein Kennenlernen erfolgte, wird die Hauptfigur David oder Trotwood genannt.

Die beiden bekanntesten Charaktere aber sind Davids Mentor, der sympathische, ewig am Rande des finanziellen Ruins dahin lebende Mr. Wilkins Micawber und der arglistige, unangenehme und betrügerische Uriah Heep, der zuerst Schreiber und dann Teilhaber des Anwaltsbüros von Wickfield ist. Die Untaten Uriah Heeps werden schließlich durch tätige Mithilfe von Micawber aufgedeckt. Micawber wird als positiver Charakter dargestellt, auch wenn Dickens seine Unbedachtheit in finanziellen Dingen deutlich verurteilt. Micawber landet, wie auch Dickens’ eigener Vater, wegen seiner Schulden kurzzeitig im Gefängnis.

In klassischer Dickens-Manier – mit viel Ironie (auch Selbstironie) in den Nebensätzen – bekommen die Hauptfiguren schließlich, was sie verdienen. Nur wenige Erzählfäden bleiben am Ende ohne Auflösung. David heiratet zunächst die sehr hübsche und niedliche, aber kindlich-naive Dora Spenlow. Dora stirbt jedoch nach wenigen Ehejahren. David stürzt sich in die schriftstellerische Arbeit und bringt es – wie er immer wieder selbst andeutet – darin zu einiger Berühmtheit. Während einer dreijährigen Auslandsreise wird ihm klar, dass er eigentlich von Jugend an seine Freundin Agnes liebt. Dora geheiratet zu haben erscheint ihm nun als Fehler; der Weg, aus der Freundschaft eine Liebesbeziehung werden zu lassen, scheint ihm versperrt. Erst am Ende wird ihm deutlich, dass Agnes in gleicher Weise fühlte und noch fühlt. In ergreifender Weise enthüllt sie ihrem Bräutigam, dass es Doras letzter Wunsch war, dass sie beide heiraten sollten. Mit diesem Happy End schließt die Geschichte. In einem Rückblick werden die letzten Erzählfäden verknüpft. Dabei erfährt man auch einiges zum Familienleben des Ehepaares mit seinen (mindestens) drei Kindern.

Erzählperspektive

Die Geschichte wird vollständig aus der Ich-Perspektive erzählt, aus der Sicht von David Copperfield selbst. Es ist Dickens’ erster Roman mit einem Ich-Erzähler. Ansätze, die Welt der Erwachsenen zumindest vorübergehend aus dem wachen unverstellten Blickwinkel eines Kindes darzustellen und damit kritisch zu beleuchten, finden sich bereits in Dickens vorangegangenem Roman Dombey and Son (1848).

In David Copperfield verwendet Dickens einen Ich-Erzähler, der zu den Geschehnissen, über die er berichtet, einen größeren zeitlichen Abstand hat. Als Person ist der Erzähler daher nicht identisch mit demjenigen, von dem berichtet wird. Durch entsprechende kommentierende Einschübe hebt Dickens diesen Unterschied deutlich hervor.

Erzählendes und erlebendes Ich stimmen somit nicht zwangsläufig überein; Dickens verzichtet in dem Roman zugleich auf eine verbindliche Festlegung der Erzählfigur als fest umrissener Gestalt. Auf diese Weise kann er als Autor verschiedene sich überlagernde Perspektiven und Erzählhaltungen nutzen, mit deren Hilfe David Copperfield erzähltechnisch eine Vielschichtigkeit gewinnt, die in der gesamten viktorianischen Erzählkunst nur wenige Entsprechungen findet.[1]

In den Passagen, in denen der Erzähler aus einem weiten Abstand berichtet, zeigt er teilweise eine eingehende Kenntnis des Innenlebens der an der Handlung beteiligten Personen und überblickt mit großer Zuverlässigkeit das vergangene und zukünftige Geschehen. An anderen Stellen schildert er wiederum die Ereignisse aus unmittelbarer Nähe als Miterlebender, der noch nicht wissen kann, welchen Verlauf die weitere Entwicklung nehmen wird. Ebenso finden sich verschiedene Passagen, in denen der Ich-Erzähler hinter die übrigen Figuren zurücktritt, die sich in Form eines Monologs oder Berichtes sowie auch in Briefform selber mitteilen. Gelegentlich verwandelt sich der Ich-Erzähler David Copperfield ebenso in einen reinen Zuschauer, der mehr oder weniger zufällig den einen oder anderen Vorgang miterlebt oder von anderer Stelle darüber informiert wird. Durch diese verschachtelte Erzählperspektive kann Dickens trotz des Auftretens eines Ich-Erzählers als Hauptfigur das Eigenleben und die Eigenwilligkeit der übrigen Charaktere des Romans wahren und zusätzliche Erzählspannung aufbauen, da sich nicht alle Hintergründe oder Geheimnisse sogleich der Einsicht des Erzählers offenbaren.[2]

Hintergrund

Im Jahre 1849 begann Dickens mit der Arbeit an seinem Roman David Copperfield, der auf Erfahrungen aus seinem frühen Leben basiert. Wie Dickens arbeitet auch David, indem er Etiketten auf Flaschen klebt. Er wird später ebenso Anwaltsgehilfe, Reporter und ein erfolgreicher Schriftsteller. Mr. Micawber ist eine satirische Anspielung auf Dickens Vater.

Bereits einige Jahre vor der Abfassung von David Copperfield hatte Dickens mit dem Gedanken gespielt, eine Autobiographie zu veröffentlichen, in der insbesondere die schmerzhaften Erlebnisse und Erniedrigungen seiner Jugendzeit dargestellt werden sollten. 1847 legte er seinem Freund John Forster eine autobiographische Skizze zur Lektüre vor, die in Teilen Eingang in den Roman fand. Auch die Episoden-Reihe, in der Davids leidenschaftliche Liebe zu Dora geschildert wird, gründet zum Teil auf Dickens eigener Erfahrung; hier fanden die stürmischen Empfindungen, die Maria Beadnell in dem jungen Dichter seinerzeit ausgelöst hatte, ihren literarischen Niederschlag.[3]

Mit dem stark autobiografisch geprägten Roman David Copperfield, den er selbst als seinen »Lieblingsroman« bezeichnete, schuf Charles Dickens einen der wenigen großen Bildungsromane der englischen Literatur, der sich vor allem durch seine überzeugende Schilderung der Demütigungen und Ängste der Kindheit auszeichnet.

Publikationsgeschichte

Wie die meisten Werke Dickens’ wurde auch David Copperfield erstmals als monatliche Fortsetzungsgeschichte bestehend aus 19 Teilen zum Preis von einem britischen Shilling veröffentlicht. Die ersten 18 Teile hatten einen Umfang von je 32 Textseiten und zwei Illustrationen von Phiz; der (letzte) 19. Teil besaß den doppelten Umfang.

  • I: Mai 1849 (Kapitel 1–3)
  • II: Juni 1849 (Kapitel 4–6)
  • III: Juli 1849 (Kapitel 7–9)
  • IV: August 1849 (Kapitel 10–12)
  • V: September 1849 (Kapitel 13–15)
  • VI: Oktober 1849 (Kapitel 16–18)
  • VII: November 1849 (Kapitel 19–21)
  • VIII: Dezember 1849 (Kapitel 22–24)
  • IX: Januar 1850 (Kapitel 25–27)
  • X: Februar 1850 (Kapitel 28–31)
  • XI: März 1850 (Kapitel 32–34)
  • XII: April 1850 (Kapitel 35–37)
  • XIII: Mai 1850 (Kapitel 38–40)
  • XIV: Juni 1850 (Kapitel 41–43)
  • XV: Juli 1850 (Kapitel 44–46)
  • XVI: August 1850 (Kapitel 47–50)
  • XVII: September 1850 (Kapitel 51–53)
  • XVIII: Oktober 1850 (Kapitel 54–57)
  • XIX–XX: November 1850 (Kapitel 58–64)

Nach dem Urdruck folgte im November 1850 eine Ausgabe des gesamten Romans in Buchform. Neben der Cheap Edition erschienen noch zu Dickens‘ Lebzeiten zwei weitere von ihm autorisierte Buchausgaben als Library Edition (1858) und Charles Dickens Edition (ab 1867). Die Textfassung in den verschiedenen Ausgaben weist allerdings zahlreiche Unterschiede auf, die für die Deutung des Romans nicht ohne Belang sind.[4]

Im Rahmen des Clarendon Dickens wurde 1981 unter der Herausgeberschaft von Nina Burgis eine historisch-kritische Ausgabe von David Copperfield veröffentlicht, die eine von Dickens intendierte endgültige Textfassung zu rekonstruieren versucht. Auf Grundlage des Urdrucks werden in dem Apparat dieser Ausgabe die Varianten im Manuskript, den Korrekturfahnen und den später von Dickens autorisierten Ausgaben ausgewiesen und textkritisch kommentiert.[5]

Rezeption

David Copperfield wird bis heute als einer der bedeutendsten Kindheits- und Jugendromane der Weltliteratur angesehen. In diesem Roman, der die deutlichsten autobiografischen Züge aufweist, in dem der Titelheld ähnliche Stationen wie Dickens in seiner Jugend durchläuft, zeigt sich Dickens überragendes Talent für die Darstellung von Stimmungen, Erlebnissen und Gefühlen der Kindheit. Mit der Kritik an der Missachtung des Kindes, die der Kritik an sozialen Missständen vorangeht, appellierte er an das Gewissen der Menschen – mit der Absicht, den Weg für soziale Reformen zu ebnen.

Die britische Band Uriah Heep wählte bei ihrer Gründung 1969 ihren Namen nach der Figur aus diesem Roman.

Sekundärliteratur

  • Horst Oppel: Dickens · David Copperfield. In: Franz K. Stanzel (Hrsg.): Der englische Roman · Vom Mittelalter bis zur Moderne. Band II. Bagel Verlag Düsseldorf 1969, S.112–157.

Medien

Literatur

Der Roman ist (Stand: 2010) in vierzehn Ausgaben bei verschiedenen Verlagen in deutscher Sprache erhältlich. Eine Auswahl:

Hörbuch

  • David Copperfield. Nacherzählt von Dirk Walbrecker. Sprecher: Hans Josef Schöneberger. Regie: Hans Eckardt, Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen, Bibliothek der Jugendklassiker, 3 CDs, Marburg 2003, ISBN 3-89614-268-2

E-Book

  • David Copperfield, Digireads, MobiID: 16133

Verfilmungen

Der Roman ist mehrfach für das Kino und Fernsehen verfilmt worden. Sehr oft wurden die Nebenrollen mit prominenten Schauspielern besetzt.

Weblinks

Commons: David Copperfield – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vgl. Horst Oppel: Dickens · David Copperfield. In: Franz K. Stanzel (Hrsg.): Der englische Roman · Vom Mittelalter bis zur Moderne. Band II. Bagel Verlag Düsseldorf 1969, S. 130.
  2. Vgl. Horst Oppel: Dickens · David Copperfield. In: Franz K. Stanzel (Hrsg.): Der englische Roman · Vom Mittelalter bis zur Moderne. Band II. Bagel Verlag Düsseldorf 1969, S. 130.
  3. Vgl. Horst Oppel: Dickens · David Copperfield. In: Franz K. Stanzel (Hrsg.): Der englische Roman · Vom Mittelalter bis zur Moderne. Band II. Bagel Verlag Düsseldorf 1969, S. 130.
  4. Vgl. Horst Oppel: Dickens · David Copperfield. In: Franz K. Stanzel (Hrsg.): Der englische Roman · Vom Mittelalter bis zur Moderne. Band II. Bagel Verlag Düsseldorf 1969, S. 126ff.
  5. Vgl. die Rezension dieser Ausgabe von Sylvia Manning in: Nineteenth-Century Fiction. Vol. 38, No. 1 (Juni 1983), S. 101–104. Ein Taschenbuchausgabe der Clarendon Edition ist 2008 in der Reihe Oxford‘s World Classics im Verlag Oxford University Press erschienen.