Fritz Lamm

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Fritz Lamm (* 30. Juni 1911 in Stettin; † 15. März 1977 in Stuttgart; Pseudonyme Rudolf Ketzer und Thomas Müntzer[1]) war ein deutscher Sozialist und Vorstandsmitglied des Bunds der Naturfreunde.

Leben

1911 bis 1933: Jugend in Deutschland

Lamm wurde als Sohn jüdischer Kaufleute geboren. Er besuchte ab 1917 die Bismarck-Oberrealschule in Stettin, die er nach 12 Jahren mit der Primareife abschloss. Lamm arbeitete zunächst im väterlichen Geschäft, das jedoch alsbald 1929/30 aufgelöst wurde. Hiernach war er als Volontär bei der sozialdemokratischen Zeitschrift Stettiner Volksbote tätig. Lamm wurde Mitglied in der SPD, in der SAJ und bei den Naturfreunden.

Aus der SPD wurde Fritz Lamm jedoch 1931 gleich zwei Mal ausgeschlossen. Ein Grund dafür lag in seiner zeitgleichen Mitgliedschaft bei der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG). Lamm wurde dann ein Gründungsmitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), später Mitglied von deren Ortsleitung in Stettin und Mitglied des Sozialistischen Jugend-Verbandes Deutschlands (SJVD).

1933 bis 1948: Ständig auf der Flucht

Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 wurde Fritz Lamm zunächst für fünf Tage in „Schutzhaft“ genommen. Am 3. Mai erfolgte eine erneute Verhaftung. Am 2. Januar 1934 wurde Lamm vor dem 4. Strafsenat des Reichsgerichts in Leipzig wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ – Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften – zu 2 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt. Die Haftstrafe saß Lamm im Strafgefängnis Naugard ab. Als er Ende Oktober 1935 aus der Haft entlassen wurde, stellte man ihn sofort unter Polizeiaufsicht. Ihm gelang trotzdem am 14. Januar 1936 die Flucht nach Stuttgart und von dort in die Schweiz. Lamm wurde dann von den Schweizer Behörden verhaftet und nach Österreich abgeschoben, von wo ihm nach sechs Wochen die Flucht in die Tschechoslowakei gelang.

In Paris kam Lamm Mitte August 1938 an und arbeitete dort bei der Sozialistischen Arbeiterpartei, u.a. als Sekretär für Jacob Walcher und Fritz Sternberg. Er wurde am 1. September 1939 wieder verhaftet und saß sechs Wochen im Pariser Zentralgefängnis, bis man ihn im Lager Vernet d'Aridge in den Pyrenäen als „feindlichen Ausländer“ einsperrte. Ein Fluchtversuch im Oktober 1940 schlug fehl. Erst im Dezember 1941 gelang ihm die Flucht und Lamm tauchte drei Monate in Marseille unter.

Mit gefälschten Ausreisepapieren gelang Fritz Lamm im März 1942 die Ausreise per Schiff über Casablanca nach Havanna auf Kuba. Dort wurde er zunächst für sechs Monate in das Internierungslager Tiscornia gebracht. Bis 1948 arbeitete er als Teildiamantenschleifer und Sekretär der Gewerkschaft der ausländischen Diamantenschleifer. Später wurde er außerdem Korrespondent und Buchhalter für ein Importgeschäft von Schweizer Uhren. Politische Beziehungen unterhielt er in seiner Zeit auf Kuba unter anderem zu August Thalheimer, auf dessen Beerdigung er 1948 die Trauerrede hielt. Außerdem gehörte er zu einem Kreis deutschsprachiger Exilanten in Havanna, dem Ursula Krechel in ihrem Roman Landgericht ein literarisches Denkmal setzte. Neben Fritz Lamm selber porträtiert sie in diesem Kontext Hans und Lisa Fittko, Emma Kann, Julius Deutsch und Boris Goldenberg.[2]

1948 bis 1977: Zurück in Deutschland

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte Lamm mehrmals erfolglos nach Deutschland zurückzukehren. Die Einreise gelang ihm erst im November 1948 und er kehrte zurück nach Stuttgart, Ausgangspunkt seiner Flucht vor zwölf Jahren. Hier arbeitete er bis zu seiner Pensionierung als Angestellter bei der Stuttgarter Zeitung wo er auch im Betriebsrat Mitglied war. Politisch aktiv war er unter anderem in der IG Druck und Papier und der SPD, der er 1948 wieder beigetreten war. In letzterer und in der von ihm von 1950 bis zu deren Einstellung 1959 herausgegebenen Monatszeitschrift funken vertrat Lamm linkssozialistische Positionen, daher wurde er aus der SPD nach der Verabschiedung des Godesberger Programmes und dem Ausschluss des SDS 1963 wieder ausgeschlossen. Auch war der überzeugte Atheist Lamm im von Susanne Leonhard geleiteten Stuttgarter Ortsverein des Deutschen Freidenkerverbandes aktiv. Bis zu seinem Tod hielt Lamm engen Kontakt mit Gleichgesinnten, so mit dem 1969 gegründeten Sozialistischen Büro, in welchem er Mitglied war.

Fritz Lamm starb am 15. März 1977 an einem Herzinfarkt.

Ehrungen

Nach Fritz Lamm ist eine Bildungseinrichtung der Falken in Furtwangen benannt.

Belletristik

Ursula Krechel: Landgericht, Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg und Wien 2012, ISBN 978-3-99027-024-0. (In diesem Roman kommt Fritz Lamm mehrfach ausführlich vor)

Werke

  • Briefwechsel mit der SPD, 1962
  • Die Große Koalition und die nächsten Aufgaben der Linken, 1967
  • als Mitarbeiter: Sozialistische Linke nach dem Krieg. Beiträge von Fritz Lamm und anderen. Auswahl aus der Zeitschrift „Funken“ 1950–1959. Als Beitrag zu einer Geschichte der SPD nach 1945 und über die Entwicklung der sozialistischen Bewegung bis 1960. Verlag 2000, Offenbach 1978[3]
  • 1983; HabanaNew York – Habana. Briefe aus Exilen ISBN 3-922836-10-0

Literatur

  • Michael Benz: Der unbequeme Streiter Fritz Lamm. Jude, Linkssozialist, Emigrant 1911–1977. Eine politische Biographie. Klartext-Verlag, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-660-7
  • Detlev Brunner: Fritz Lamm – Exil in Kuba. In: Helga Grebing, Christl Wickert (Hrsg.): Das „andere“ Deutschland im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Beiträge zur politischen Überwindung der nationalsozialistischen Diktatur im Exil und im Dritten Reich. Klartext-Verlag, Essen 1994, S. 146–172, ISBN 3-88474-086-5
  • Marvin Chlada (Hrsg.): Christus als Standuhr. Ausgewählte religions- und gesellschaftskritische Texte / Fritz Lamm. Alibri, Aschaffenburg 1998, ISBN 3-932710-55-X
  • Oskar Negt: Fritz Lamm. Wir wissen, daß wir nicht mehr sind als Funken. In: ders.: Unbotmässige Zeitgenossen. Annäherungen und Erinnerungen, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1994, S. 131–139, ISBN 3-596-12250-3
  • Ernst Rohm (Hrsg.): Fritz Lamm zum Gedenken. 30. Juni 1911 – 15. März 1977. Verlag Freizeit und Wandern, Stuttgart 1977
  • Werner Schmidt: Der heimatlose Volksfreund. Skizziert am Beispiel des Sozialisten Fritz Lamm. In: Bernd Jürgen Warneken (Hrsg.): Volksfreunde. Historische Varianten sozialen Engagements, Tübingen 2007
  • Gregor Kritidis: Linkssozialistische Opposition in der Ära Adenauer. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Bundesrepublik. Offizin, Hannover 2008, ISBN 978-3-930345-61-8.
  • Ursula Krechel: Landgericht. Jung und Jung, Salzburg / Wien 2012, ISBN 978-3-99027-024-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Arbeiterstimme. Winter 2007 (Nr. 154), S. 41
  2. Ursula Krechel: Landgericht, S. 305ff
  3. es existieren Ausgaben ohne ISBN, mit der ISBN 3885341557 sowie mit der ISBN 3885351862. Mit 239 Seiten, als Mskr. gedr.