Gelidium

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Gelidium

Gelidium pacificum

Systematik
Unterabteilung: Eurhodophytina
Klasse: Florideophyceae
Unterklasse: Rhodymeniophycidae
Ordnung: Gelidiales
Familie: Gelidiaceae
Gattung: Gelidium
Wissenschaftlicher Name
Gelidium
J.V.Lamour 1813

Gelidium ist eine Rotalgen-Gattung aus der Familie der Gelidiaceae. Geographisch ist sie die am weitesten verbreitete Gattung dieser Familie. Ihre Arten finden unter anderem in der japanischen Küche Verwendung.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Thallus ist knorpelig, leicht kraus, 2 bis 40 Zentimeter groß, zweireihig angeordnet, gefiedert oder unregelmäßig verzweigt, in der Farbe rot bis tiefpurpur und bei manchen Arten schwärzlich. Er besteht aus einer oder mehreren aufrechten Achsen. Diese wachsen aus zylindrischen oder zusammengedrückten, verzweigten oder unverzweigten kriechenden Achsen mit zahlreichen kurzen Hapteren, die individuelle Achsen oder massive scheibenförmige Haftorgane bilden. Bisweilen kommen Gelidium-Algen in Seegraswiesen mit umfangreichen Basalteilen oder in eigenständigeren Klammern vor. Die aufrechten Wedel sind häufig an der Basis zylindrisch, darüber subzylindrisch und an ihren Spitzen zusammengedrückt.[1] In gemäßigten Breiten werden die Wedel größer.[2] Die Rinde enthält mehrere Reihen pigmentierter Zellen von meist 2 bis 15 Mikrometern Durchmesser; üblicherweise sind die kleineren Richtung Außenseite und aus der Oberflächensicht regelmäßig oder unregelmäßig angeordnet. Die Markzellen sind im Querschnitt generell rund mit bis zu 30 Mikrometern Durchmesser, farblos, verdichtet oder locker angedrückt. Die als Rhizoidalfasern, Rhizine oder Hyphae bekannten langgestreckten, farblosen Zellen sind dickwandig mit bis zu 5 Mikrometern Durchmesser und 200 Mikrometern Länge, im Mark- oder Rindengewebe befindlich und bisweilen innerhalb einer Art in Anzahl und Position variierend. Die kreuzförmig geteilten Tetrasporangia mit bis zu 35 Mikrometer Durchmesser, geordnet oder ungeordnet in den Sori, besetzen die gesamten, bisweilen ausgeweiteten oder breit abgerundeten Spitzen seitlicher Zweige oder Hauptachsen. Fertile Zweige können einfach oder gefiedert zusammengesetzt sein, sind etwas verdreht und dicht gefüllt, oft mit sterilen Rändern. Das Carpogonialfilament ist einzellig und verschmilzt nach der Befruchtung mit angrenzenden Zellen. Das Zystokarp tritt an beiden Oberflächen des Zweiges gleichermaßen hervor, üblicherweise mit einer oder, seltener, mehreren Öffnungen auf jeder Oberfläche des Wedels. Gelegentlich wachsen zwei zystokarpische Hohlräume seitlich zusammen und bilden damit bis zu einem Millimeter lange vergrößerte Zystokarpe.[1]

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über 20 Gelidium-Arten dienen Wirbellosen und Fischen als Nahrung.[2]

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Gattung wächst im Intertidal bis tiefen Subtidal kalter bis tropischer Gewässer weltweit, fehlt aber in arktischen und subantarktischen Gewässern. Die maximale polwärtige Verbreitung erreichen Gelidium crinale an den Falklandinseln sowie Gelidium spinosum und Gelidium pusillum an der südwestlichen Küste Norwegens. Innerhalb der Familie der Gelidiaceae ist Gelidium die geographisch am weitesten verbreitete Gattung. In tropischen Breiten ist ihre Artenvielfalt größer als in gemäßigten Gebieten. Typischerweise kommt sie auf felsigem Untergrund und oft auf Korallen vor.[2]

Der Rückgang natürlicher Gelidium-Vorkommen in Japan und Marokko ist auf Übernutzung,[3] im Falle der japanischen Toyama-Bucht aber auch auf Sedimentation zurückzuführen.[4]

Für kommerzielle Zwecke wird Gelidium in Spanien, Portugal,[5] Marokko (Gelidium corneum),[6] Südafrika (Gelidium pristoides und weitere Arten),[7] Chile,[8] Mexiko (Gelidium robustum, Niederkalifornien), Japan, Korea, Indonesien und Indien geerntet.[2] Kultivierungsversuche wurden unter anderem in Korea,[8] Spanien,[9] China,[10] Südafrika[11] und Israel[12] unternommen.

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dünne Streifen einer weißlich-durchsichtigen Glibbermasse werden in eine Glasschale gegeben, dahinter steht ein gelbes Schälchen mit einer dunklen Soße darin
Tokoroten in einer Glasschale

Einige Arten dieser Gattung werden als Lebensmittel und für die Herstellung von Agar und Agarose-Gel verwendet.[13] Etwa zehn Arten werden von Indigenen direkt verzehrt; 50 Arten dienen der Agar- und Agarose-Produktion.[2]

Bereits der Taihō-Kodex aus dem Jahr 701 n. Chr. zählt Gelidium-Algen (japanisch tengusa) unter den Meeresprodukten auf, die als Steuer an den japanischen Kaiserhof gezahlt wurden.[14] Abgeseihte Gelidium-Brühe wird beim Erkalten zu einer Art Gelee, das auf Japanisch als Tokoroten bezeichnet und üblicherweise kalt und in lange Streifen geschnitten serviert wird; dies war schon in der Edo-Zeit eine beliebte Zwischenmahlzeit im Sommer.[15]

Aus Gelidium-Arten wie Gelidium amansii und Gelidium corneum kann auch Zellstoff für die Papierherstellung gewonnen werden.[16]

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

AlgaeBase listet 250 Artnamen (sowie 92 infraspezifische Namen) aus dieser Gattung auf, von denen 146 taxonomisch anerkannt sind:[1]

  • Gelidium abbottiorum R.E.Norris
  • (Gelidium acrocarpum Harvey ex Kützing: Synonym von Ceratodictyon repens)
  • (Gelidium aculeatum Hering: Synonym von Gracilaria aculeata)
  • (Gelidium aculeatum (Greville) Batters: Synonym von Gelidium spinosum)
  • Gelidium adriaticum C.Perrone, A.Bottalico, G.H.Boo & S.M.Boo
  • (Gelidium affine Schiffner: Status unklar)
  • (Gelidium allanii V.J.Chapman: Synonym von Gelidium johnstonii)
  • Gelidium amamiense Tanaka & K.Nozawa
Eine Hand hält eine fein verzweigte, dunkelrote Rotalge mit vielen kurzen Seitenästchen
Gelidium amansii
Eine Rotalge mit wenigen langen Zweigen, die kaum verästelt sind, auf Papier
Gelidium corneum
Eine blassrote, zerbrechlich wirkende Rotalge von wenigen Zentimetern Länge, wie die Zentimeterangabe an der Seite zeigt
Gelidium pulchellum
Eine büschelig wirkende Rotalge, deren verzweigte Ästchen an Fichtenzweige erinnern
Gelidium spinosum

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstbeschrieben wurde die Gattung Gelidium 1813 durch Jean Vincent Félix Lamouroux mit Gelidium corneum als Typus.[19]

1897 ordnete Giovanni Battista de Toni die Gattungen Clavatula Stackhouse (1801), Agrocarpus Kützing (1843) und Echinocaulon Kützing (1843) als Synonyme von Gelidium ein.[20]

Die Gattungen Suhria und Onikusa wurden 2002 in die Gattung Gelidium aufgenommen.[21]

Umweltgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie viele andere Meeresalgen wurden Gelidium-Arten im Viktorianischen Zeitalter vor allem von Frauen, darunter Margaret Gatty,[22] zunächst in Großbritannien und später auch in Kalifornien für private Herbarien gesammelt. Die in den getrockneten Algen enthaltenen Stickstoffisotopen korrelieren mit dem Auftriebgeschehen,[23] wie δ15N-Untersuchungen zeigten, und liefern somit wichtige Beiträge zur Umweltgeschichte.[24]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ga Hun Boo, Kyeong Mi Kim, Wendy A. Nelson, Rafael Riosmena-Rodríguez, Kyung Ju Yoon und Sung Min Bo: Taxonomy and distribution of selected species of the agarophyte genus Gelidium (Gelidiales, Rhodophyta). In: Journal of Applied Phycology. Band 26, 2014, S. 1243–1251, doi:10.1007/s10811-013-0111-7 (englisch).
  • J. A. Juanes, B. Santelices und J. L. McLachlan (Hrsg.): International Workshop on Gelidium. Proceedings of the International Workshop on Gelidium held in Santander, Spain, September 3–8, 1990 (= Developments in Hydrobiology. Band 68). Kluwer, Dordrecht 1991, ISBN 978-0-7923-1372-4 (englisch).
  • Bernabe Santelices: Synopsis of Biological Data on the Seaweed Genera Gelidium and Pterocladia (Rhodophyta) (= FAO Fisheries Synopsis. Band 145). Rom 1988 (englisch, 55 S., eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gelidium – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • B. Santelices und M. D. Guiry: Gelidium. In: AlgaeBase. M. D. Guiry und G. M. Guiry, 20. Januar 2017, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c B. Santelices und M. D. Guiry: Gelidium. In: AlgaeBase. M. D. Guiry und G. M. Guiry, 20. Januar 2017, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  2. a b c d e B. Santelices: Production ecology of Gelidium. In: J. A. Juanes, B. Santelices und J. L. McLachlan (Hrsg.): International Workshop on Gelidium. Proceedings of the International Workshop on Gelidium held in Santander, Spain, September 3–8, 1990 (= Developments in Hydrobiology. Band 68). Kluwer, Dordrecht 1991, S. 31–44, doi:10.1007/978-94-011-3610-5_3 (englisch).
  3. Alejandro H. Buschmann, Carolina Camus, Javier Infante, Amir Neori, Álvaro Israel, María C. Hernández-González, Sandra V. Pereda, Juan Luis Gomez-Pinchetti, Alexander Golberg, Niva Tadmor-Shalev und Alan T. Critchley: Seaweed production: overview of the global state of exploitation, farming and emerging research activity. In: European Journal of Phycology. Band 52, Nr. 4, 2017, S. 394, doi:10.1080/09670262.2017.1365175 (englisch).
  4. D. Fujita, T. Ishikawa, S. Kodama, Y. Kato und M. Notoya: Distribution and Recent Reduction of Gelidium Beds in Toyama Bay, Japan. In: Journal of Applied Phycology. Band 18, 2006, S. 591–598, doi:10.1007/s10811-006-9060-8 (englisch).
  5. Rui Santos und Pedro Duarte: Marine plant harvest in Portugal. In: Journal of Applied Phycology. Band 3, 1991, S. 11–18, doi:10.1007/BF00003915 (englisch).
  6. Aziza Mouradi-Givernaud, Lalla Amina Hassani, Thierry Givernaud, Yves Lemoine und Oumaima Benharbet: Biology and agar composition of Gelidium sesquipedale harvested along the Atlantic coast of Morocco. In: Hydrobiologia. Band 398, 1999, S. 391–395, doi:10.1023/A:1017094231494 (englisch).
  7. M. Troell, D. Robertson-Andersson, R. J. Anderson, J. J. Bolton, G. Maneveldt, C. Halling und T. Probyn: Abalone farming in South Africa: An overview with perspectives on kelp resources, abalone feed, potential for on-farm seaweed production and socio-economic importance. In: Aquaculture. Band 257, 2006, S. 266–281, doi:10.1016/j.aquaculture.2006.02.066 (englisch).
  8. a b Ricardo A. Melo: Gelidium commercial exploitation: natural resources and cultivation. In: Journal of Applied Phycology. Band 10, 1998, S. 303–314, doi:10.1023/A:1008070419158 (englisch).
  9. J. M. Salinas: Spray system for re-attachment of Gelidium sesquipedale (Clem.) Born. et Thur. (Gelidiales: Rhodophyta). In: J. A. Juanes, B. Santelices und J. L. McLachlan (Hrsg.): International Workshop on Gelidium. Proceedings of the International Workshop on Gelidium held in Santander, Spain, September 3–8, 1990 (= Developments in Hydrobiology. Band 68). Kluwer, Dordrecht 1991, S. 107–117, doi:10.1007/978-94-011-3610-5_10 (englisch).
  10. X. G. Fei und L. J. Huang: Artificial sporeling and field cultivation of Gelidium in China. In: J. A. Juanes, B. Santelices und J. L. McLachlan (Hrsg.): International Workshop on Gelidium. Proceedings of the International Workshop on Gelidium held in Santander, Spain, September 3–8, 1990 (= Developments in Hydrobiology. Band 68). Kluwer, Dordrecht 1991, S. 119–124, doi:10.1007/978-94-011-3610-5_11 (englisch).
  11. Michael Friedlander: Advances in cultivation of Gelidiales. In: M. A. Borowitzka, A. T. Critchley, S. Kraan, A. Peters, K. Sjøtun und M. Notoya (Hrsg.): Nineteenth International Seaweed Symposium. Developments in Applied Phycology. Vol. 2. Dordrecht 2007, S. 1, doi:10.1007/978-1-4020-9619-8_1 (englisch).
  12. Areen Boulus, Ehud Spaneir und Michael Friedlander: Effect of outdoor conditions on growth rate and chemical composition of Gelidium crinale in culture. In: Journal of Applied Phycology. Band 19, 2007, S. 471–478, doi:10.1007/s10811-007-9158-7 (englisch).
  13. a b c d Ga Hun Boo, Kyeong Mi Kim, Wendy A. Nelson, Rafael Riosmena-Rodríguez, Kyung Ju Yoon und Sung Min Boo: Taxonomy and distribution of selected species of the agarophyte genus Gelidium (Gelidiales, Rhodophyta). In: Journal of Applied Phycology. Band 26, 2014, S. 1243–1251, doi:10.1007/s10811-013-0111-7 (englisch).
  14. Kazutosi Nisizawa, Hiroyuki Noda, Ryo Kikuchi, Tadaharu Watanabe: The main seaweed foods in Japan. In: Hydrobiologia. Band 151, Nr. 1, 1987, S. 5, doi:10.1007/BF00046102 (englisch).
  15. Natsu Shimamura: Agar. In: The Tokyo Foundation for Policy Research. 30. September 2008, abgerufen am 2. November 2022 (englisch).
  16. Yung-Bum Seo, Youn-Woo Lee, Chun-Han Lee und Hack-Chul You: Red algae and their use in papermaking. In: Bioresource Technology. Band 101, Nr. 7, 2010, S. 2549–2553, doi:10.1016/j.biortech.2009.11.088 (englisch).
  17. Mayra Jamas, Cintia Iha, Mariana C. Oliveira, Silvia M. P. B. Guimarães und Mutue T. Fujii: Morphological and molecular studies on Gelidiaceae and Gelidiellaceae (Gelidiales, Rhodophyta) from Brazil with description of the new species Gelidium calidum. In: Phytotaxa. Band 314, Nr. 2, 2017, S. 195–218, doi:10.11646/phytotaxa.314.2.2 (englisch).
  18. a b Kyeong Mi Kim und Sung Min Boo: Phylogenetic relationships and distribution of Gelidium crinale and G. pusillum (Gelidiales, Rhodophyta) using cox1 and rbcL sequences. In: Algae. Band 27, Nr. 2, 2012, S. 87, doi:10.4490/algae.2012.27.2.083 (englisch).
  19. Jean Vincent Félix Lamouroux: Essai sur les Genres de la famille des Thalassiophytes non articulées. In: Annales du Muséum d’Histoire naturelle. Band 20, 1813, S. 128–129 (französisch, Latein, digitalisiert).
  20. J. Bapt. De-Toni: Sylloge algarum omnium hucusque cognitarum. Vol. IV: Florideæ. Padua 1897, S. 144 (Latein, digitalisiert).
  21. E. M. Tronchin, D. W. Freshwater, J. J. Bolton und R. J. Anderson: A Reassessment and Reclassification of Species in the Genera Onikusa Akatsuka and Suhria J. Agardh ex Endlicher (Gelidiales, Rhodophyta) Based on Molecular and Morphological Data. In: Botanica Marina. Band 45, Nr. 6, 2002, S. 548–558, doi:10.1515/BOT.2002.058 (englisch).
  22. Cara Giaimo: The Forgotten Victorian Craze for Collecting Seaweed: Victorian women were excellent at it. In: Atlas Obscura. 14. November 2016, abgerufen am 5. November 2022 (englisch).
  23. Laura Trethewey: Seascape: the state of our oceans. What Victorian-era seaweed pressings reveal about our changing seas. A ‘women’s pastime’ practised by Queen Victoria, ‘seaweeding’ spread from the UK to California – now the samples are providing a glimpse into history. In: The Guardian. 27. Oktober 2020, abgerufen am 5. November 2022 (englisch).
  24. Emily A. Miller, Susan E. Lisin, Celia M. Smith und Kyle S. Van Houtan: Herbaria macroalgae as a proxy for historical upwelling trends in Central California. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. Band 287, 2020, 20200732, doi:10.1098/rspb.2020.0732 (englisch).