Haus Neuerburg (Unternehmen)

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Verwaltungsgebäude der Zigarettenfabrik „Haus Neuerburg“ in Köln
Zigarettenfabrik „Haus Neuerburg“ in Hamburg-Wandsbek, Bauteil 1926–1928, Fassadendetail, Architekt Fritz Höger
Zigarettenfabrik „Haus Neuerburg“ in Hamburg-Wandsbek, Ostflügel 1924

Haus Neuerburg war ein Unternehmen der Zigarettenindustrie mit Sitz in Köln.

Geschichte

Haus Neuerburg ging hervor aus den tabakverarbeitenden Unternehmen von Johann Neuerburg (1805 – 1890). Der Sohn eines tabakanbauenden Gutsbesitzers aus Wittlich erlernte zunächst das Rotgerberhandwerk, bevor er 1853 ein Haus an der Wittlicher Burgstraße kaufte und sich dort niederließ. Gemeinsam mit seinen Söhnen gründete er eine Tabakfabrik zur Herstellung von Pfeifen- und Strangtabaken, die 1866 ins Handelsregister eingetragen wurde und nach einem Umzug in die Friedensstraße im Jahr 1920 bis 1957 bestand.

Anfänge in der Zigarrenfabrikation

Johann Neuerburgs Sohn Heinrich (1839 – 1901) übersiedelte 1865 nach Trier, wo er 1873 mit einem Kompagnon die Zigarrenfabrik Vogel & Neuerburg gründete. Das Geschäft entwickelte sich sehr gut, sodass in schneller Folge Zweigwerke in Zelle, Pfalzel und Löwenbrücken errichtet wurden. Im Jahr 1900 beschäftigte das Unternehmen bereits ca. 600 Mitarbeiter.[1] Von der wachsenden Nachfrage nach Zigaretten getrieben, gründeten Johann Neuerburgs Söhne Heinrich und August die Zigarettenfabrik Haus Neuerburg, für die sie am 6. Juli 1908 eine Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) anmeldeten.[2] Wichtigste Handelsmarke des Unternehmens war die nach dem Kölner Patriziergeschlecht der Overstolzen benannte Marke Overstolz.

Marktführer in der Zigarettenproduktion

Aufgrund des massiv gestiegenen Zigarettenkonsums wuchs auch das neue Neuerburg'sche Unternehmen rasant. 1917 gaben die Brüder die Zigarrenfabrikation völlig auf, 1919 begannen sie, auch das elterliche Stammhaus in Trier auf Zigaretten umzurüsten und nahmen den Bruder Hubert (gestorben 1922 durch einen Autounfall) als gleichberechtigten Teilhaber auf. Es folgten neue Zweigwerke in Dresden (1919), Herzig (1922) und Wandsbek (1924), das Geschäftshaus am Kölner Gülichplatz sowie der Merkur-Speicher (Rohtabakzentrale) und eine Tabakfaktorei in Hamburg. Ab 1927 übernahm Haus Neuerburg mit Waldorf-Astoria in Stuttgart, Zuban in München und Halpaus in Dresden einige seiner wichtigsten Mitbewerber. Ferner beteiligte sich das Unternehmen an den erfolgreichen Dresdener Eckstein-Werken. Mit monatlich 15 bis 20 Mio. RM Umsatz bei über 500 Mio. verkauften Zigaretten belegte es nun einen Spitzenplatz unter den deutschen Industrieunternehmen, knapp hinter dem Marktführer Reemtsma Cigarettenfabriken, deren Besitzer Philipp Reemtsma sich ebenso intensiv wie erfolgreich um gute Beziehungen zu den Nationalsozialisten bemühte. Schon 1932 hatte Reemtsma mit Adolf Hitler die Schaltung von Anzeigenwerbung in NS-Organen vereinbart; [3] 1934 ließ Hermann Göring auf Ersuchen Philipp Reemtsmas Ermittlungen wegen Bestechung und Steuerhinterziehung gegen Reemtsma niederschlagen. Aufgrund einer Änderung des Tabaksteuergesetzes erhielt Reemtsma darüber hinaus 22 Mio. RM. Göring ließ sich mit 3 Mio. RM. bestechen, protegierte Reemtsma auch in der Folgezeit und ließ sich mit Gegenleistungen im Wert von insgesamt über 12 Mio. RM für seine Gefälligkeiten entschädigen.[4]

Übernahme durch Reemtsma

Bereits seit 1929 hatte Haus Neuerburg bei verschiedenen Anlässen mit Reemtsma kooperiert. Beide Unternehmen hatten je etwa 30 Prozent des deutschen Marktes kontrolliert. Die erfolgreiche Marketing- und Lobbyarbeit brachte Reemtsma in eine deutlich bessere Position. 1935 übernahm Reemtsma Haus Neuerburg für 51 Mio. RM, die aus laufenden Gewinnen gezahlt werden sollten, und fusionierte beide Unternehmen zu einer Kommanditgesellschaft, der H.F. & Ph.F. Reemtsma GmbH. Dieser Übernahmeprozess dauerte bis zur Blockade durch die Alliierten und der anschließenden Entflechtung im Jahr 1948. Zu seinen besten Zeiten hatte das Konglomerat über 80 Prozent des deutschen Marktes beherrscht.

Neubeginn und Übernahme durch Reynolds

1950 gelang Hermann Neuerburg ein erfolgreicher Neubeginn mit dem nach der Entflechtung verbliebenen Besitz, zu dem das Stammhaus in Trier, das Kölner Geschäftshaus und die von Reemtsma übernommenen Batschari in Baden Baden gehörte. Nach seinem Tod im Jahr 1959 verkauften die Erben zwischen 1960 und 1963 sämtliche Anteile an dem Unternehmen an die US-amerikanische RJR International.[5] Unter dem Dach des amerikanischen Konzerns wurde der Name Haus Neuerburg zunächst beibehalten – 1968 bot die Kölner Zigarettenfabrik Haus Neuerburg KG erstmals die Reynolds-Marke Camel auf dem deutschen Markt und dann europaweit an. Seit 1977 wurde das Unternehmen als Reynolds Tobacco Köln, Trier, Berlin weitergeführt und 1999 zusammen mit der amerikanischen Mutter von der Japan Tobacco Inc. (JTI) übernommen.

Marken

Heute wird die Marke Overstolz von der Firma Japan Tobacco International in Trier hergestellt.

Heutige Gebäudenutzung

Die Fabrik in Wandsbek wurde in drei Bauabschnitten errichtet. Der 1926–1928 von Fritz Höger errichtete Teil steht unter Denkmalschutz. Die Fabrik produzierte bis 1988. Seitdem gehört das Gelände der Deutschen Telekom, die es als Verwaltungsgebäude nutzt.

Das Kölner Gebäude des ehemaligen Firmensitzes wird heute hauptsächlich von städtischen Dienststellen genutzt.

Literatur

Weblinks

Commons: Haus Neuerburg in Köln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Petry, Klaus, "Neuerburg" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 112 f.
  2. Markenrecherche & Markenschutz tmdb.de über Haus Neuerburg
  3. Lindner, Erik: "Reemtsma, Philipp Fürchtegott" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 254-255.
  4. Lindner, Erik: Die Reemtsmas. Geschichte einer deutschen Unternehmerfamilie. Hamburg 2007
  5. Der Spiegel Nr. 19/ 1960 vom 4. Mai 1960, Die großen Vier, S. 29 ff.

Koordinaten: 53° 34′ 43″ N, 10° 4′ 45″ O