Johann Kuhnau

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Johann Kuhnau
Sonata 4 aus den Biblischen Historien unter Verwendung des Chorals O Haupt voll Blut und Wunden, eine Art Choralpartita: 'Der todtkrancke und wieder gesunde Hiskias'

Johann Kuhnau (* 6. April 1660 in Geising; † 5. Juni 1722 in Leipzig) war ein deutscher Komponist und Schriftsteller des Barock.

Leben und Werk

Der Sohn eines Tischlers besuchte als Stipendiat die berühmte Kreuzschule in Dresden und studierte anschließend Philosophie und Rechtswissenschaft in Leipzig, bevor er eine Stelle als Kantor in Zittau antrat. Damit entsprach er dem seit der Reformationszeit üblichen Typus des akademisch gebildeten Kantors. Nach einem zeitgenössischen Urteil galt er als Universalgelehrter unter den Musikern. Von Johann Christoph Adelung heißt es über Kuhnau: „Ich weiss nicht, ob er dem Orden der Tonkünstler oder den anderen Gelehrten mehr Ehre gebracht. Er war gelehrt in der Gottesgelahrtheit, in den Rechten, Beredsamkeit, Dichtkunst, Mathematik, fremden Sprachen und Musik.“

1682 kehrte er wieder nach Leipzig zurück und wurde zwei Jahre darauf Organist an der Thomaskirche. Ab 1701 bis zu seinem Tode war er Thomaskantor als Nachfolger von Johann Schelle und unmittelbarer Vorgänger von Johann Sebastian Bach. Außerdem bekleidete er ab 1701 auch das Amt des Universitätsmusikdirektors.

Besonders bekannt wurde Kuhnau durch seine Werke für Tasteninstrumente. Seine Musicalische Vorstellung einiger biblischer Historien (Biblische Sonaten)[1] für Cembalo, auch teilweise für Orgel geeignet, lassen sich durchaus bereits als Programmmusik bezeichnen. Bedeutend ist seine Neue Clavierübung, durch die auch sein Nachfolger J.S. Bach beeinflusst wurde.

Als Thomaskantor oblag es Kuhnau auch, Vokalmusik (z.B. in Form von Kantaten für den sonntäglichen Gottesdienstgebrauch) zu komponieren. Viele seiner Werke auf diesem Gebiet sind verlorengegangen. Die wenigen (ca. 35) erhaltenen Kantaten zeigen jedoch, dass Kuhnau wichtige Beiträge geleistet hat zur Weiterentwicklung der Kantate, von der „Concerto“-Form des 17. Jahrhunderts hin zur aus Rezitativen, Arien und Chorsätzen bestehenden Kantate des 18. Jahrhunderts.

Seine ganz im Stil Christian Weises verfassten Musikerromane gelten als Schulbeispiele „aufgeklärter“ realistischer Darstellungsweise.

Kuhnau gilt als Autor der Weihnachtskantate Uns ist ein Kind geboren, die zuvor als BWV 142 J. S. Bach zugeschrieben wurde.

In seiner Schrift Der musicalische Quack-Salber erläutert Kuhnau seine Vorstellung vom „wahren Virtuosen“. Dieser zeichne sich vor allem durch die Fähigkeit der Improvisation aus.[2] Die vom heutigen Virtuosenbegriff abweichende Vorstellung war im 18. Jahrhundert weit verbreitet und erscheint in ähnlicher Weise auch bei Andreas Werckmeister, Lorenz Christoph Mizler und Ludwig van Beethoven.[3]

Werke (Auswahl)

Neuere Ausgaben
  • Ausgewählte Kirchenkantaten. Hrsg. Arnold Schering. Leipzig 1918.
  • Ausgewählte Klavierwerke. Hrsg. Kurt Schubert. Mainz 1938.
  • Der musicalische Quack-Salber. Hrsg. Kurt Benndorf. Berlin 1900. (Nachdruck der Ausgaber Dresden 1700) (Digitalisat der Ausgabe Dresden 1700: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project).
  • Laudate pueri. (Für Tenor, 2 Violinen, Posaune oder Viola da Gamba, Basso continuo) / Muss nicht der Mensch. (Für Tenor, Clairon, Violine, Fagott, Basso continuo). In: Stephen Rose (Hrsg.): Leipzig Church Music from the Sherard Collection: Eight Compositions by Sebastian Knüpfer, Johann Schelle, and Johann Kuhnau. Yale University Collegium Musicum series 2 vol. 20. A-R Editions, Madison, WI 2014.[4]
  • Das Kuhnau-Projekt. Gesamtausgabe der erhaltenen Vokalwerke von Johann Kuhnau beim Pfefferkorn Musikverlag Leipzig, Hrsg. David Erler.

Literatur (Auswahl)

  • Carl von Winterfeld: Der Evangelische Kirchengesang ..., 3. Teil, Leipzig 1847, S. XV (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Philipp SpittaKuhnau, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 17, Duncker & Humblot, Leipzig 1883, S. 343–346.
  • Richard Münnich: Kuhnaus Leben. In: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft. 3. 1901–1902, S. 473–527.
  • Susanne Stöpfgeshoff: Die Musikerromane von Wolfgang Caspar Printz und Johann Kuhnau. Diss. Freiburg/B. 1960.
  • Lois Evangeline Rimbach: The Church Cantatas of Johann Kuhnau. 2 Bde., Diss. Rochester 1965.
  • James Hardin: Realismus und die Gestalt des Caraffa in Johann Kuhnaus ‚Der musikalische Quacksalber‘. In: Jahrbuch für internationale Germanistik. 8. 1980, S. 44–49.
  • Friedrich W. Riedel: Kuhnau, Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 270 f. (Digitalisat).
  • Jochen Arbogast: Stilkritische Untersuchungen zum Klavierwerk des Thomaskantors Kuhnau. Dissertation. Regensburg, 1983.
  • Gerhard Dünnhaupt: „Johann Kuhnau“. In: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Bd. 4. Hiersemann, Stuttgart 1991, ISBN 3-7772-9122-6, S. 2463-2469.
  • Stephen Rose: The musician-novels of the German Baroque: new light on Bach's world. In: Understanding Bach, 3 (2008), S. 55–66. (online; PDF; 146 kB)
  • Stephen Rose: The Musician in Literature in the Age of Bach. Cambridge: Cambridge University Press, Cambridge 2011, ISBN 978-1-107-00428-3. [1]

Einzelnachweise

  1. In der bei J. J. Weber verlegten Reihe Weberschiffchen-Bücherei erschien 1936 als Band 20 Kuhnaus biblische Klaviersonate Der Streit zwischen David und Goliath (Text und Noten).
  2. Die Quellentexte sind in Auszügen im Internet zugänglich: Indizien für die Qualitäten eines Clavier-Spielers nach Andreas Werckmeister 1698/1702, Abschnitt E.
  3. Alexander Wheelock Thayer, Hermann Deiters, Hugo Riemann: Ludwig van Beethovens Leben (TDR), Bd. 3, S. 455 (online bei Zeno.org.).
  4. Artikelbeschreibung auf Verlagswebsite, abgerufen am 26. September 2014.