La canterina

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Operndaten
Titel: Die kleine Sängerin
Originaltitel: La canterina

Titelblatt des Librettos, Pressburg 1767

Form: Intermezzo oder Opera buffa in zwei Akten
Originalsprache: Italienisch
Musik: Joseph Haydn
Libretto: unbekannt
Literarische Vorlage: Domenico Macchia (?): Libretto zu Nicola Confortos Intermezzo La commediante
Uraufführung: 1766
Ort der Uraufführung: Schloss Esterházy, Eisenstadt
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Ort und Zeit der Handlung: eine italienische Stadt im 18. Jahrhundert
Personen
  • Gasparina, Sängerin (Sopran)
  • Apollonia, Ziehmutter Gasparinas (Sopran, bei der Uraufführung Tenor)
  • Don Ettore, Kaufmannssohn (Sopran, Hosenrolle)
  • Don Pelagio, Kapellmeister (Tenor)
  • Notar, Möbelträger (Statisten)

La canterina (Hob. XXVIII:2; deutscher Titel: Die kleine Sängerin) ist ein Opernintermezzo oder eine Opera buffa in zwei Akten von Joseph Haydn (Musik). Das Libretto ist eine anonyme Bearbeitung eines vermutlich von Domenico Macchia stammenden Intermezzo-Textes aus dem Jahr 1754. Die Uraufführung fand vor dem 11. September (möglicherweise am 26. Juli) 1766 wahrscheinlich im Schloss Esterházy in Eisenstadt statt.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgende Inhaltsangabe basiert auf dem Libretto in der Beilage zur CD Newport Classic NPD 85595. Das 1767 in Pressburg erschienene Libretto unterscheidet sich davon in einigen Details.

Erster Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zimmer im Haus Don Pelagios

Die junge Sängerin Gasparina lebt zusammen mit ihrer Ziehmutter Apollonia bei ihrem Gesangslehrer, dem Kapellmeister Don Pelagio. Während Gasparina Tonleitern übt, bewundert Apollonia die Wirkung ihrer neuen Theaterschminke (Arie Apollonia: „Che visino delicato“). Die beiden erwarten die Ankunft Don Pelagios zur Unterrichtsstunde. Stattdessen erscheint jedoch der wohlhabende Nachbarsjunge Don Ettore, der Gasparina Schmuck und Kleiderstoff aus dem Schrank seiner Mutter schenkt. Er will sich damit bei ihr einschmeicheln und erklärt sogleich, dass er zum Essen bleiben wolle. Da nun aber auch der Maestro eintrifft, muss er im Hinterzimmer warten. Don Pelagio beginnt den Unterricht mit einer Arie, die er in der vergangenen Nacht für Gasparina komponiert hat (Accompagnato und Arie Don Pelagio: „Che mai far deggio?“ – „Io sposar l’empio tiranno?“). Er nutzt die Gelegenheit, um mit Gasparina zu flirten und ihr einen verschleierten Heiratsantrag zu machen. Apollonia unterbricht die beiden jedoch immer wieder mit eigenen Anmerkungen zu Gasparinas Gesang, bis sie unter einem Vorwand weggeschickt wird. Von Don Pelagios eigentlichen Absichten hat sie nichts mitbekommen. Nach Ende des Unterrichts ruft Gasparina Apollonia und Don Ettore wieder herein. Sie beschwichtigt ihren eifersüchtigen jungen Verehrer mit Lügen über Don Pelagio. Dieser ist jedoch unbemerkt zurückgekehrt, um seinen vergessenen Mantel zu holen, und hat das Gespräch aus einem Versteck heraus belauscht. Er stürmt wütend auf das Paar zu, gerade als Apollonia zum Essen ruft (Quartett: „Scellerata, mancatrice“). Don Ettore versucht vergeblich, ihn mit Geschenken zu besänftigen. Die beiden Frauen sind bestürzt über das Geschehen.

Zweiter Akt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor dem Haus Don Pelagios

Gasparina und Apollonia, die sich gegenseitig die Schuld an dem Desaster geben, verlassen streitend das Haus. Kurz darauf erscheint Don Pelagio mit einem Notar und ein paar Möbelträgern, die die Frauen in seinem Auftrag hinauswerfen sollen (Arie Don Pelagio: „Signor mio l’ufficio suo“). Als Gasparina zurückkehrt, erklärt Don Pelagio ihr, dass sie nie auch nur einen Pfennig ihrer Schulden zurückgezahlt habe, und fordert den Notar auf, sie festzunehmen. Gasparina fühlt sich von allen verlassen (Arie Gasparina: „Non v’è chi mi ajuta“). Sie geht verzweifelt ins Haus. Für einen kurzen Augenblick hat Don Pelagio Mitleid mit ihr, doch dann fasst er sich und befiehlt den Trägern, seine Möbel aus dem Zimmer in sein eigenes Haus zu bringen. Gasparina fleht ihn unter Tränen um Vergebung an. Das rührt Don Pelagio so sehr, dass er ihr verzeiht, ihr Geld in die Hand drückt und die Träger auffordert, die Möbel zurückzubringen. Gasparina nutzt die Gelegenheit schamlos aus, indem sie einen Schwächeanfall vortäuscht (Accompagnato: „O stelle, ajuto!“). Apollonia und Don Ettore eilen herbei, um sie aufzumuntern. Don Pelagio versucht es mit Riechsalz, doch Don Ettore hat mehr Erfolg mit einer Geldbörse und einem Diamantring (Quartett: „Apri pur, mia dea terrestre“). Apollonia stellt fest, dass sie Gasparina „gut“ erzogen hat. Da Gasparina noch immer nicht vollständig erwacht zu sein scheint, versucht es jetzt auch Don Pelagio mit einer Börse. Nach einem Hinweis Apollonias, dass sie es nicht übertreiben dürfe, beendet Gasparina schließlich ihr Spiel. Alle versöhnen sich, und die Frauen triumphieren.

Gestaltung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Titelblatt des Autographs der Urfassung von 1766 bezeichnet das Werk als „Intermezzo“. Es wurde also möglicherweise zwischen den Akten einer größeren Oper gespielt. Belegt ist das jedoch nicht. Eine Rechnung vom 11. September 1776 führt dagegen Auslagen für die „Opera la Canterina“. Das gedruckte Libretto der Aufführung in Pressburg im folgenden Jahr nennt La canterina eine „Opera buffa“.[1]

Das Werk steht in der Nachfolge von Giovanni Battista Pergolesis Intermezzo La serva padrona. Haydns Musik mildert den zynischen Text deutlich ab.[1] Gasparinas Klagearie „Non v’è chi mi ajuta“ (Nr. 7) ist mit ihrer düsteren Grundtonart c-Moll, Streicher-Tremoli, übermäßigen Intervallen und Seufzermotiven ebenso wie die darauffolgenden Verzweiflungsausbrüche ihrer Liebhaber klar als Parodie auf die Opera seria zu erkennen.[2] Sie zeigt aber auch echtes Gefühl. Pelagios erste Arie „Io sposar l’empio tiranno?“ (Nr. 3) ist ebenfalls parodistisch zu verstehen. Sie zeichnet sich durch übertrieben lange Ritornelle aus.[1] Der ausgedehnte Einsatz der beiden „obligaten“ Hörner verweist ebenfalls auf die Opera seria.[3]:232 Das Thema von Apollonias Arie „Che visino delicato“ (Nr. 1) nutzte Haydn später für einen Variationensatz im Barytontrio A-Dur Nr. 29.[1] Die Arien meiden die da-capo-Form und enthalten gelegentlich eingeschobene Rezitative. Im Quartett „Scellerata, mancatrice“ (Nr. 5) sind die vier Personen musikalisch unterschiedlich charakterisiert.[2]

Orchester[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Orchesterbesetzung der Oper umfasst die folgenden Instrumente:[1]

Musiknummern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Oper besteht aus zwei Arien für den Kapellmeister Don Pelagio, je eine für die beiden Frauen Apollonia und Gasparina, Secco- und Accompagnato-Rezitativen und zwei Quartetten zum Abschluss der beiden Akte.[4] Sie enthält die folgenden Musiknummern:[5]

Erster Akt

  • Nr. 1. Arie (Apollonia) und Rezitativ: „Che visino delicato“ – Moderato, für zwei Flöten, zwei Hörner und Streicher
  • Nr. 2. Accompagnato (Don Pelagio): „Che mai far deggio?“ – Allegro di molto, für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher
  • Nr. 3. Arie (Don Pelagio): „Io sposar l’empio tiranno?“ – Allegro, für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher; Text aus Apostolo Zenos Libretto Lucio Vero (Originalfassung von 1699, Szene der Berenice, II:14)
  • Nr. 4. Accompagnato (Don Pelagio, Gasparina, Apollonia, später Ettore): „Che mai far deggio“ – [Allegro di molto], für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher, ab Takt 73 secco
  • Nr. 5. Quartett (Gasparina, Ettore, Apollonia, Don Pelagio): „Scellerata, mancatrice“ – Allegro di molto, für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher

Zweiter Akt

  • Nr. 6. Arie (Don Pelagio): „Signor mio l’ufficio suo“ – Allegro ma non troppo, für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher
  • Nr. 7. Arie (Gasparina): „Non v’è chi mi ajuta“ – Allegro di molto, für zwei Englischhörner, zwei Hörner und Streicher
  • Nr. 8. Accompagnato (Don Pelagio, Gasparina, Ettore, Apollonia): „O stelle, ajuto!“ – Adagio, für Streicher
  • Nr. 9. Chor (Quartett: Don Pelagio, Apollonia, Ettore, Gasparina): „Apri pur, mia dea terrestre“ – Moderato, für zwei Oboen, zwei Hörner und Streicher

Werkgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haydns komische Oper La canterina entstand während seiner Anstellung am Hof des Fürsten Nikolaus Esterházy. Es handelt sich um die einzige Oper seiner Frühzeit, die fast vollständig erhalten ist. Von den vorangegangenen Opern Acide (1763) und Marchese bzw. La marchesa Nespola (1763) sind lediglich Bruchstücke überliefert. Gänzlich verschollen sind Il dottore, La vedova und Il Scanarello.[1]

Der Autor des Librettos ist nicht bekannt. Es handelt sich um eine Bearbeitung eines vermutlich von Domenico Macchia stammenden Intermezzo-Textes aus dem Jahr 1754. Es erinnert an einigen Stellen an die Satire Il teatro alla moda (1720) von Benedetto Marcello. Die Grundzüge der Handlung und einige Textpassagen kamen bereits in Gregorio Scirolis Intermezzo Louisina e don Pelagio für Davide Perez’ Oper Farnace (Messina 1753) vor. Darin waren Apollonia („una serva vecchia“) und Don Ettore noch stumme Rollen. Die von Haydns Textdichter verwendete Vorlage war bereits von Nicola Conforto (in La commediante, Neapel 1754, Musik verschollen)[6] und Niccolò Piccinni (in L’Origille, Neapel 1760)[7] vertont worden. In beiden Fällen handelte es sich um Einlagen im dritten Akt der jeweiligen Oper. Für Haydns Intermezzo wurde der Text auf zwei Akte erweitert. Den Schluss bildete nun ein Quartett anstelle des ursprünglichen Duetts.[1]

Die Uraufführung fand höchstwahrscheinlich vor dem 11. September 1766 im privaten Rahmen in Schloss Esterházy in Eisenstadt statt. Dieses Datum trägt eine Rechnung für die „Opera la Canterina“. Möglicherweise handelte es sich um den 26. Juli, den Namenstag der Fürstinwitwe Maria Anna Esterházy, denn am folgenden Tag erhielten Haydn und die Sänger ein Geldgeschenk des Fürsten, wie es auch später nach erfolgreichen Opernaufführungen geschah.[1] Die erste öffentliche Aufführung gab es am 16. Februar 1767 in Pressburg zu Ehren der Erzherzogin Maria Christina und ihres Mannes Albert Kasimir von Sachsen-Teschen. Sie ist durch die Tagebuchaufzeichnungen des kaiserlichen Hofmeisters Johann Joseph von Khevenhüller-Metsch gut dokumentiert.[3]:133 Für die Aufführung stellte der Buchdrucker Johann Michael Landerer 200 Exemplare des Librettos im ungewöhnlich großen 4°-Format her. Die beiden Ehrengäste erhielten in Samt gehüllte Prachtexemplare.[3]:135 Die Sänger waren Maria Anna Weigl (Gasparina), Leopold Dichtler (Apollonia), Barbara Dichtler (Don Ettore) und Karl Frieberth (Don Pelagio).[4] Die Partie der Apollonia ist zwar dem Notenschlüssel zufolge für Sopran konzipiert, wurde aber laut Textbuch von einem Tenor gesungen.[5] Dass es sich dabei nicht um eine Verwechslung der beiden Dichtlers handelt, zeigt die bereits erwähnte Rechnung, die Männerschuhe für Madam Dichtler ausweist. Die musikalische Leitung hatte Haydn selbst.[8] Drei der Darsteller hatten wohl auch bereits die Uraufführung im Vorjahr bestritten.[1] Für die Ausstattung und Kostüme war mutmaßlich Hieronymus Bon zuständig.[3]:125

Die letzte historisch belegte Aufführung war am 28. September 1774 im Opernhaus des Schlosses Eszterháza. Der Wiener Theaterchronik zufolge wurde sie „so fürtrefflich gespielt und gesungen, daß der ganze Schluß wiederholt werden mußte“.[1]

Die Partitur ist weitgehend erhalten. Lediglich ein kurzes Solostück und der Beginn des Tutti am Anfang des zweiten Finales fehlen. Eine Ouvertüre gibt es nicht.[2] Für eine Wiederentdeckung sorgte 1936 der Musikwissenschaftler Karl Geiringer.[1] Seine Bearbeitung wurde am 29. November 1936 von Radio Lausanne ausgestrahlt.[5] Geiringer gab 1947 auch einen Klavierauszug heraus.[5] Die Partitur der Urfassung erschien 1959 im Rahmen der Haydn-Gesamtausgabe. Aufgrund der Kürze des Werks wird es üblicherweise zusammen mit anderen Stücken aufgeführt.[1]

Weitere nachweisbare Produktionen waren:

Aufnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: La canterina (Haydn) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Georg Feder: La canterina. In: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Band 2: Werke. Donizetti–Henze. Piper, München/Zürich 1987, ISBN 3-492-02412-2, S. 736–739.
  2. a b c Karl Geiringer: Joseph Haydn. Eine Biografie. Erweiterte Neuausgabe. Schott, Mainz 2009, ISBN 978-3-254-08047-9, S. 397–399.
  3. a b c d H. C. Robbins Landon: Haydn. Chronicle and Works – 2. Haydn at Eszterháza 1766–1790. Thames and Hudson, London 1978.
  4. a b Peter BranscombeCanterina, La. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  5. a b c d Anthony van Hoboken: Joseph Haydn – Thematisch-bibliographisches Werkverzeichnis. Band II. B. Schott’s Söhne, Mainz 1971, S. 349–351 (online im Internet Archive).
  6. La commediante (Nicolò Conforti) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna.
  7. L’Origille (Niccolò Piccinni) im Corago-Informationssystem der Universität Bologna.
  8. Hans-Josef Irmen: Joseph Haydn. Leben und Werk. Böhlau, Köln 2007, ISBN 978-3-412-20020-6, S. 105–108.
  9. The Songstress. In: Amanda Holden (Hrsg.): The Viking Opera Guide. Viking, London / New York 1993, ISBN 0-670-81292-7, S. 456.
  10. Programmheft der Aufführung in Toronto 1989 im Internet Archive.
  11. Archiv der Donaufestwochen im Strudengau, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  12. D. Weber: Rezension der Produktion in Eisenstadt 2001. In: Opernwelt Dezember 2001, S. 49, laut Gesamtregister Opernwelt.
  13. Hanspeter Renggli: Spannungen auf dem West-östlichen Diwan. Rezension der Produktion in Lausanne 2006. In: Opernwelt April 2006. Der Theaterverlag, Berlin 2006, S. 24 (eingeschränkte Vorschau; Abonnement für den vollständigen Text erforderlich).
  14. Informationen zur Aufführung in Bilbao 2012 auf der Website der Sängerin Annalisa Stroppa, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  15. a b Brühl: Haydn Festival 2015 auf am-cello.com, abgerufen am 16. Oktober 2022.
  16. a b c Franz Joseph Haydn. In: Andreas Ommer: Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen (= Zeno.org. Band 20). Directmedia, Berlin 2005.
  17. Das Große Musikalische Archiv – Joseph Haydn (1732–1809) auf Euro-Opera, abgerufen am 16. Oktober 2022.
  18. Video der Aufführung im Pariser Konservatorium auf YouTube.