Paradiesgärtlein

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Paradiesgärtlein (Oberrheinischer Meister)
Paradiesgärtlein
Oberrheinischer Meister, um 1410/20
Mischtechnik auf Holz
26,3 × 33,4 cm
Städel
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Das Paradiesgärtlein ist ein Gemälde des Oberrheinischen Meisters, das wahrscheinlich um 1410/1420 angefertigt wurde. Es wurde auf einer 26,3 Zentimeter hohen und 33,4 Zentimeter breiten Eichentafel gemalt und ist insgesamt in gutem Zustand. Das Gemälde zeigt eine lesende Madonna und ein Christuskind, das auf einem Psalterium spielt, umgeben von drei männlichen und drei weiblichen Heiligen in einem Garten. Dieser ist durch akkurate Tier- und Pflanzendarstellung belebt. Der genaue Bedeutungsgehalt und Inhalt ist jedoch nicht mehr nachvollziehbar, vor allem auch weil der ursprüngliche Kontext des Werks nicht überliefert ist. Das Paradiesgärtlein befindet sich im Besitz des Historischen Museums der Stadt Frankfurt und ist seit 1921 als Dauerleihgabe im Städel zu sehen.

Bildbeschreibung

In einem hinten und links durch eine Mauer abgeschlossenen Garten befinden sich Maria, das Jesuskind und jeweils drei männliche und drei weibliche Heilige. Nach vorne und links ist der Raum nicht begrenzt. Der Himmel ist tiefblau. Nur eine einzelne Baumkrone, die auf der Mittelachse über der Mauer sichtbar wird, deutet auf eine räumliche Umgebung hin. Die Muttergottes sitzt links der Mittelachse vor einer mit Holzplanken gefassten Rasenbank auf einem Kissen. Sie hat den Kopf geneigt und liest in einem Buch. Ihr Haupt trägt eine goldene Blätterkrone. Sie ist im Vergleich mit den anderen Figuren im Bild überproportional groß.

In der rechten unteren Bildecke befinden sich die drei männlichen Heiligen um einen Baum gruppiert. Ein Jüngling mit braunem Mantel umfasst den Baum und beugt sich hinunter, während ein Engel und ein Ritter am Boden sitzen. Hinter seinem Bein befindet sich eine Amsel. Der Engel und der Ritter sind die einzigen identifizierbaren Heiligen im Bild. Die Rüstung des letzteren ist stark tailliert, er trägt ein Kettenhemd und ein goldenes Wams. Auf dem Kopf trägt er eine Kappe aus Stroh. Er wendet dem Betrachter den Rücken zu, sein Gesicht ist im Profil gezeigt und er blickt auf Maria. Im Gras unter ihm liegt ein getöteter Drachen, der den Ritter als Heiligen Georg ausweist. Der Engel blickt als einzige Figur aus dem Bild heraus. Sein Kopf ruht sinnend auf seiner rechten Hand. Sein Mund ist geöffnet. Seine Flügel sind golden und bunt, die Blumenkrone weist seinen Rang aus. Das kleine Teufelchen zu seinen Füßen identifiziert ihn als den Erzengel Michael, der den Teufel bezwungen hat.

Auf der linken Seite befinden sich die drei weiblichen Heiligen und das Christuskind. In der linken, unteren Bildecke befindet sich eine durch eine Mauer eingefasste Quelle, in der sich Fische befinden, die sich auf den Ausfluss zu bewegen. Auf der Rinneneinfassung sitzt ein Eisvogel, der einen Fisch im Schnabel hält. Über die Quelle beugt sich eine in ein blaues Gewand gehüllte Heilige und schöpft mit einer am Becken verankerten Schöpfkelle Wasser. Ihr Haupt ist von einem weißen Schleier bedeckt. Rechts von ihr sitzt eine in rotes Gewand mit weißem Mantel gekleidete Heilige, deren Kopf von einer Blumenkrone bekrönt wird. Sie hält dem ganz in weiß gekleideten Christuskind das Psalterium hin, auf dem dieses zupft. In den Händen hält es zwei Plektren. Er trägt einen aus feinen, kreuzförmigen Strahlen gebildeten Nimbus, der der einzige im gesamten Bild ist. Zwischen den beiden vordere Heiligen befindet sich im Mittelgrund an linken Rand die dritte Heilige, die vor dem zweiten Baum des Gemäldes steht. Sie pflückt Kirschen und hat ihr rotes Übergewand gerafft, um die Früchte darin zu sammeln, so dass das weiße Untergewand zu sehen ist. Ihr Gesicht ist im Profil gezeigt. Zu ihren Füßen steht ein Korb, der mit weiteren Kirschen gefüllt ist.

Neben der Madonna befindet sich ein sechseckiger Steintisch. Auf ihm befindet sich ein Nuppenbecher mit Wein. In einer Obstschale liegen Äpfel bereit, zudem befindet sich ein einzelner Apfel, zudem Apfelschnitze, ein Kerngehäuse und die Schale. Der Garten ist angefüllt mit naturgenauen Darstellungen von Pflanzen und Tieren, die alle bestimmt werden können. So finden sich Akelei, Bachehrenpreis, Erdbeere, Frauenmantel, Gänseblümchen, Goldlack, Immergrün, Kirsche, Klee, Lilie, Märzbecher, Maiglöckchen, Malve, Margerite, Samtnelke, Pfingstrose, Rose, Schlüsselblume, Schwertlilie, Senf, Rote Taubnessel, Veilchen, Wegerich, Chrysantheme, Astern, Johanniskraut und Levkoje, sowie Eisvogel, Kohlmeise, Dompfaff, Pirol, Buchfink, Rotkehlchen, Buntspecht, Seidenschwanz, Distelfink, Schwanzmeise, Blaumeise, Wiedehopf, Libellen und Weißlinge.

Zustand und Gemäldetechnologie

Der Bildträger des Paradiesgärtleins ist eine leicht konvex gewölbte Eichentafel, die wahrscheinlich gedünnt worden ist. An der rechten Seite ist die Malkante erhalten, während an den übrigen Seiten dazu kein klarer Befund vorliegt. Jedoch sind Beschneidungen der Malfläche in größerem Ausmaß nicht anzunehmen.[1] Der Rand der Tafel und die Malkanten sind beigekittet und weisen auf rotem Grund eine Pudervergoldung auf. Darunter befinden sich Reste einer älteren Vergoldung. Der Zustand der Malerei ist insgesamt gut. Eine größere, ältere Retusche gibt es am oberen Rand des Himmels, die mit leicht grünlicher auf Silber aufgetragener oder mit Silberflitter gemischter Farbe ausgeführt wurde. Daneben wurden weitere kleinere Retuschen ausgeführt wie etwa über kleinen Ausbrüchen bei einzelnen Kirschen oder Fingergliedern und über Craqueluren. Verputzungen, die in den roten und in den Schattenpartien der blauen Gewänder ausgeführt wurden, führten zu einem Verlust an Plastizität der Malerei. Die Ölvergoldungen und Versilberungen sind teilweise abgerieben.

In Ausbrüchen im Himmel und den angrenzenden Partien der Zinnenmauer kommt eine silberne, zum Teil auch golden erscheinende Metallfolie zum Vorschein. Dies lässt vermuten, dass der Hintergrund des Paradiesgärtlein vom Künstler zunächst mit Blattsilber, das mit einer gelben Lasur überzogen wurde, angelegt worden ist. Damit sollte der Eindruck von Goldgrund erzeugt werden. Die Übermalung mit dem blauen Himmel, der aus einer unteren Malschicht aus Azurit und einer oberen Schicht aus Ultramarin besteht, ist jedoch ebenfalls original. Die Vögel und weitere Einzelheiten liegen auf diesem blauen Grund. Der Brustpanzer des Heiligen Georgs und die Flügel des Erzengels Michael sind aus poliertem Blattgold gearbeitet, die anderen goldenen Elemente sind dagegen mit einer Ölvergoldung versehen. Die Silberpartien wurden mit Blattsilber ausgeführt. Die Struktur des Kettenhemdes wurde durch Einritzungen in den Grund und Verwendung von Punzierungen hergestellt. Daneben wurden auch einige Binnenformen der Malerei vorgeritzt. Zudem lassen sich teilweise lineare Vorzeichnungen nachweisen.[1]

Auf der Rückseite der Tafel ist ein Blatt aufgeklebt, auf dem in großer Schrift des 19. Jahrhunderts "260", darunter "J: Burgmaier" und wieder darunter "55." geschrieben wurde. Der schmale, goldene Rahmen ist modern und stammt vom Konditormeister Prehn, in dessen Sammlung sich das Bild befand.

Forschungsgeschichte

Lokalisierung

Die erste wissenschaftliche Bearbeitung des Paradiesgärtleins nahm Franz Kugler 1841 vor, auch wenn die Erkenntnisse erst in seinen Schriften Geschichte der Malerei seit Constatin dem Großen 1847 und Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Zweiter Teil 1854 publiziert wurden. Kugler bezeichnete die Tafel bereits als Garten des Paradieses und lokalisierte sie in Köln. Er schrieb sie einem Zeitgenossen von Stefan Lochner zu, obwohl er zugleich auch Anklänge der Malweise des Veronika-Meisters in dem Bild ausmachte. Auch Heinrich Gustav Hotho und Johann David Passavant verorteten das Paradiesgärtlein in Köln.[2] Diese Lokalisierung war jedoch keinesfalls unumstritten. So setzte Alfred Lichtwark das Gemälde mit dem Altar der Frankfurter Peterskirche in Beziehung und verortete es am Mittelrhein. Carl Aldenhoven hielt das Gemälde für westfälisch.

1905 lokalisierte Carl Gebhardt in der Zeitschrift Repertorium für Kunstwissenschaft das Paradiesgärtlein erstmals am Oberrhein. Diese Verortung brauchte jedoch einige Zeit, um sich durchzusetzen. So ging Karl Simon 1911 davon aus, dass das Bild in Frankfurt am Main entstanden sei. Und auch Curt Glaser sah 1924 das Bild als mittelrheinisch mit burgundischen Einflüssen an. Die Lokalisierung am Oberrhein wurde hingegen von Ernst Buchner und 1926 von Ilse Futterer gestützt, die das Werk mit den Bildern der Innenseite des Staufener Altars aus Tennenbach in Beziehung setzte. Futter favorisierte Straßburg als Entstehungsort des Gemäldes. Die Lokalisierung an den Oberrhein und genauer nach Straßburg hat sich weitestgehend durchgesetzt.[3]

Einordnung in das Werk des oberrheinischen Meisters

Carl Gebhardt setzte 1905 erstmals das Paradiesgärtlein mit dem Bild Madonna mit den Erdbeeren im Kunstmuseum Solothurn in Verbindung. Er versuchte zudem eine vorsichtige Identifizierung des Meisters dieser Bilder mit Hans Tiefental, der sich in Basel, Straßburg und Schlettstadt dokumentieren lässt.[2] Ernst Buchner unterstützte die Zuordnung der Solothurner Madonna, während Ilse Futterer zwar große Ähnlichkeiten der beiden Gemälde herausstellte, aber jedoch nicht sicher dieselbe Hand annahm.[4] 1928 führte Walter Hugelshofer die Verkündigung in der Sammlung von Oskar Reinhart in Winterthur in die dem Meister des Paradiesgärtleins zugeschriebenen Werkgruppe ein. Im selben Jahr erweiterte Ilse Futterer diese Gruppe um die Bilder Josephs Zweifel und Geburt Mariens im Musée de l’Œuvre Notre-Dame in Straßburg.[4] Das Frankfurter Paradiesgärtlein und die beiden Straßburger Tafeln werden allgemein als eigenhändige Werke des Oberrheinischen Meister betrachtet, während die weiteren Werke teils ihm zugeschrieben werden, teils in seiner Werkstatt angesiedelt werden.

Interpretation

Für das Paradiesgärtlein gibt es bis heute keine in sich geschlossene und aufgehende Interpretation. Der nicht überlieferte Kontext sowie die Bildgestaltung laufen einer solchen zuwider. Viele Autoren machten in dem Gemälde eine Spannung zwischen religiösem und weltlichen Inhalt aus. So schrieb Lichtwark bereits 1899 von einer „Verquickung von Paradiesstimmung und Liebesgarten“.[3] Tatsächlich enthält das Bild Elemente, die sich etwa auf Stichen des Meister der Liebesgärten, die nur wenig später als das Paradiesgärtlein entstanden, finden lassen. Auch die erhöhte Lage des Gartens, erkennbar an dem über die Zinnen ragenden Baum, die Gartenbank und die Auswahl der Pflanzen deutet auf einen Burggarten hin. Daneben ist aber durch das Personal des Bildes ein ganz klarer religiöser Bezug gegeben.

Das Paradiesgärtlein entzieht sich der Zuordnung zu einem einzelnen, festgeschriebenen Bildtypus. Zwar klingen solche immer wieder im Bild an, werden dann aber wieder vom Künstler gebrochen. So ist das Bildthema dem Hortus conclusus verwandt, jedoch ist die Vorstellung des verschlossenen Gartens schon allein durch das Fehlen jeglicher Begrenzung zu zwei Bildseiten nur schwer aufrecht zu erhalten. Tatsächlich ist der Garten besonders offen, was zu der mentalitätsgeschichtlich noch nicht geprüften These führte, dass sich der Bildbetrachter in das Bld miteinbezogen fühlen sollte.[5] Auch der Bildtypus der Madonna im Rosenhag wurde in der Forschung als Bezugspunkt angeführt. Zwar sitzt die Madonna in diesem Typus auch vor einer Rasenbank auf einem Kissen und im Garten, jedoch ist sie durch die zentrale Position in der Mitte der Komposition deutlich betonter als im Paradiesgärtlein. Auch gehören namenlose Engel und keine Heiligen zum Personal solcher Bilder. Die Betonung der Rose als mariologisches Symbol gibt es im Frankfurter Bild nicht. Es ist sogar zweifelhaft, ob die pflanzliche Ausstattung des Paradiesgärtleins überhaupt mariologisch zu deuten ist.[6] Auch die Paradiesvorstellung ist nicht konsistent. Diese Interpretation wird schon durch die nur schwer mögliche Identifizierung der beiden Bäume als Baum des Lebens und Baum der Erkenntnis schwierig. Der Kirschbaum wurde oft als Baum des Lebens identifiziert, der fruchtlose als Baum der Erkenntnis, was aber in Anbetracht der biblischen Erzählung nicht überzeugend ist. Ebenso fehlt die komplette Umgrenzung des Garten Edens.[5] Noch irritierender für eine solche Interpretation ist jedoch die tierische Darstellung. So malte der Künstler im Vordergrund zwei Libellen, die im Volksglauben mit dem Bösen konnotiert waren, und deshalb in einer Paradiesdarstellung keinen Eingang gefunden hätten.[7] Ebenso unüblich ist die Darstellung des Jagens und Tötens wie sie durch den vom Eisvogel gefangenen Fisch oder der nach einem Insekt pickenden Blaumeise hinter Maria im Bild vertreten ist.

Provenienz

Die Herkunft des Paradiesgärtleins ist unbekannt und wird oftmals in einem klösterlichen Kontext verortet. Vor 1821 befand sich die Tafel im Besitz von Johann Valentin Prehn, einem Frankfurter Konditormeister. In seiner Sammlung war es Teil des Kleinen Gemäldekabinetts, II. Abteilung. Nach dem Tod Prehns 1821 ging das Bild in den Besitz seiner Kinder über. Bis 1834 gehörte es Ernst Friedrich Carl Prehn, dann anch seinem Tod Johanna Rosina Sänger, geborene Prehn, und ihrem Mann Johann Friedrich Sänger. Die beiden vermachten das Kleine Gemäldekabinett mit dem Paradiesgärtlein 1839 der Stadt Frankfurt. Diese zeigte das Gemälde ab 1842 in der Stadtbibliothek. 1878 wurde es in die Sammlung des Historischen Museums überführt. Seit 1922 befindet sich das Paradiesgärtlein schließlich als Dauerleihgabe im Städel.[2]

Literatur

  • Bodo Brinkmann und Stephan Kemperdick (Hrsg): Das Paradiesgärtlein in: Deutsche Gemälde im Städel: 1300 - 1500, Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut. Phillip von Zabern, Mainz 2002, S. 93 - 120.
  • Esther Gallwitz: Kleiner Kräutergarten: Kräuter und Blumen bei den Alten Meistern im Staedel. Frankfurt/M. 1992. Insel Taschenbuch.
  • Sabine Schulze (Hrsg): Gärten: Ordnung – Inspiration – Glück, Städel Museum, Frankfurt am Main & Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2006, ISBN 978-3-7757-1870-7

Einzelnachweise

  1. a b Bodo Brinkmann und Stephan Kemperdick (Hrsg): Das Paradiesgärtlein in: Deutsche Gemälde im Städel: 1300 - 1500, Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut. Phillip von Zabern, Mainz 2002, S. 93.
  2. a b c Brinkmann und Kemperdick, S. 97.
  3. a b Brinkmann und Kemperdick, S. 100.
  4. a b Brinkmann und Kemperdick, S. 98.
  5. a b Brinkmann und Kemperdick, S. 115.
  6. Brinkmann und Kemperdick, S. 114.
  7. Brinkmann und Kemperdick, S. 113.