Pythagoreisches Komma

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Diatonische Intervalle
Prime
Sekunde
Terz
Quarte
Quinte
Sexte
Septime
Oktave
None
Dezime
Undezime
Duodezime
Tredezime
Halbton/Ganzton
Besondere Intervalle
Mikrointervall
Komma
Diësis
Limma
Apotome
Ditonus
Tritonus
Wolfsquinte
Naturseptime
Maßeinheiten
Cent
Millioktave
Oktave
Savart

Das pythagoreische Komma ist in der Musik ein Intervall von etwa einem Achtelton, welches nicht als selbständiger musikalischer Tonschritt gebraucht wird. Während in der heute gebräuchlicheren gleichstufigen Stimmung sieben Oktaven genau zwölf Quinten entsprechen, gibt es in der frühen Pythagoreischen Stimmung (oder auch der reinen Stimmung) einen Unterschied zwischen sieben Oktaven und zwölf Quinten.

Nach Definition: pythagoreisches Komma = 12 Quinten – 7 Oktaven.

Dieser Unterschied wird in der gleichstufigen Stimmung auf die zwölf Quinten verteilt. Man erhält dabei eine Temperierung, bei der sich die Quinten (700 Cent) nur unwesentlich von den reinen Quinten (702 Cent) unterscheiden. Jedoch unterscheiden sich die gleichstufigen Terzen – und das wird häufig übersehen – deutlich hörbar von den reinen Terzen. Dieser Unterschied bei den Terzen – das syntonische Komma – ist fast gleich dem pythagoreischen Komma.

Praktische Relevanz erhält das Komma beim Stimmen von Instrumenten mit festen Tonhöhen. Darunter fallen zum Beispiel Tasteninstrumente sowie Saiteninstrumente mit Bünden.


Frequenzverhältnis und Größe in Cent

Siehe: Struktur des Intervallraumes.

Da bei der Addition bzw. Subtraktion von Intervallen die Frequenzverhältnisse multipliziert bzw. dividiert werden, errechnet sich das Frequenzverhältnis des pythagoreischen Kommas zu:

Die Größe in Cent errechnet sich auch direkt aus der Definitionsgleichung:

pythagoreisches Komma = 12 Quinten – 7 Oktaven = 12·701,955 Cent – 7·1200 Cent = 23,46 Cent.

Das pythagoreische Komma als Problem beim Stimmen von Tasteninstrumenten

Ein Instrument (wie die modernen Tasteninstrumente), das pro Oktave nur zwölf verschiedene Töne erzeugen kann, lässt sich nicht so stimmen, dass es in allen Tonarten mit absolut reinen Intervallen gespielt werden kann. Einerseits gibt es verschieden große Ganztöne, die sich um ein syntonisches Komma unterscheiden, andererseits unterscheiden sich zwölf Quinten von sieben Oktaven um das pythagoreische Komma. In der Praxis wird versucht, beim Stimmen von Tasteninstrumenten das syntonische und das pythagoreische Komma möglichst sinnvoll auf alle Töne zu verteilen. Nach verschiedenen Theorien ergeben sich dann die verschiedenen musikalischen Stimmungen. Es gab auch Versuche mit Tasteninstrumenten, deren Oktave mehr als zwölf Töne umfasst (z. B. geteilte schwarze Tasten).

Zwölf reine Quinten (2:3) ergeben 8423,46 Cent, sieben Oktaven dagegen nur 8400 Cent. Damit sich in gleichstufig-temperierter Stimmung die Quintenspirale nach sieben Oktaven zum Quintenzirkel schließt, muss das pythagoreische Komma beim Stimmen auf die zwölf Quinten verteilt werden. Damit wird die reine Quinte von 701,9550 Cent nur geringfügig um 1,9550 Cent auf 700 Cent verkleinert.

In der Gregorianik und der Musik bis ins Spätmittelalter wurde die pythagoreische Stimmung verwendet. Die in der pythagoreischen Stimmung ergebende pythagoräische Terz spielte bei ein- oder zweistimmiger (Quinten, Quarten) Musik keine Rolle. Mit dem Aufkommen der in der Mehrstimmigkeit sich bildenden Akkordverbindungen wurde bald die reine Terz mit dem Frequenzverhältnis 5/4 als Konsonanz anerkannt. Damit wurde die pythagoreische Stimmung unbrauchbar. Lange Zeit verwendete man mitteltönige Stimmungen, die die reine Stimmung am besten wiedergaben, jedoch viele Tonarten ausschlossen. Zu J.S. Bachs Zeit wuchs das Bedürfnis, in allen Tonarten spielen zu können. Über unzählige Versuche mit wohltemperierten Stimmungen hat sich heutzutage fast durchgängig die gleichstufige Stimmung bei Tasteninstrumenten durchgesetzt. Und hier schließt sich der Kreis: Man verwendet wieder die – um das pythagoreische Komma korrigierte – pythagoreische Stimmung. Die um nur 2 Cent verstimmten Quinten hört man durch ihre Schwebungen etwas „gefärbt“, die immerhin um 14 Cent erhöhte große Terz wird als „geschärft“ notgedrungen in Kauf genommen.

Reine Quinte: , Gleichstufige Quinte: 700 Cent.

Reine große Terz: , Gleichstufige große Terz: 400 Cent.

Geschichte

Als erster definierte der Pythagoreer Philolaos das pythagoreische Komma. Er orientierte sich an der Stimmung einer Lyra und ordnete Verhältnissen von Saitenlängen Quotienten zu:

für die Oktave, für die Quinte und für die Quarte[1]

Den Ganzton erklärt er als Differenz zwischen Quarte und Quinte. Da der Addition von Intervallen die Multiplikation und der Subtraktion die Division der zugehörigen Verhältnisse entspricht, ergibt sich folgende Rechnung:

Dem Ganzton = Quinte – Quarte entspricht das Frequenzverhältnis = .

Philolaos definiert nun den (kleinen) Halbton als Differenz zwischen einer Quarte und zwei Ganztönen.

Dem (kleinen) Halbton = Quarte – 2·Ganzton entspricht das Frequenzverhältnis .

Zwei pythagoreische Halbtöne ergeben aber zusammen noch keinen Ganzton. Den Unterschied definiert Philolaos als (pythagoreisches) Komma.

Dem pythagoreischen Komma = Ganzton – 2· (kleiner) Halbton entspricht demnach das Frequenzverhältnis .

Philolaos definiert zwar den Ganzton und den kleinen Halbton (von ihm als Diesis bezeichnet, später Limma genannt), berechnet aber die zugehörigen Verhältnisse nicht. Die erste Nennung der Komma-Proportion 531441:524288 findet sich bei Euklid. Er stellt fest, dass 6 Ganztöne ein größeres Intervall bilden als eine Oktave. Die Differenz ist wieder das pythagoreische Komma.

Dem pythagoreischen Komma = 6·Ganzton – Oktave entspricht nach dieser Definition ebenfalls das Frequenzverhältnis .

Literatur

  • Euklid: Katatome kanonos (lat. Sectio canonis). Engl. Übers. in: Andrew Barker (Hrsg.): Greek Musical Writings. Vol. 2: Harmonic and Acoustic Theory, Cambridge Mass.: Cambridge University Press, 2004, S. 190–208, hier: S. 199.
  • Hermann Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker, 1. Band. 2. Auflage. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1906

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Es handelt sich hier um die Frequenzverhältnisse. Ursprünglich wurden bei den Saitenverhältnissen die Kehrwerte notiert.