Raynaud-Syndrom

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Typische weiße Finger bei Raynaud-Syndrom
Hände mit Raynaud

Das Raynaud-Syndrom (Morbus Raynaud, Raynaud-Phänomen) (Aussprache: [reɪˈnoʊ], vgl. Renault: [ʀəˈno]) ist ein anfallsweises Erblassen der Finger oder Zehen aufgrund von krampfartigen Verengungen der Blutgefäße (Vasospasmen). Unter Umständen können auch Nase und Ohren betroffen sein. In den USA leiden nach Schätzungen der National Institutes of Health etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung am Raynaud-Syndrom. Frauen sind fünfmal häufiger betroffen als Männer. Bei stillenden Frauen können auch die Brustwarzen betroffen sein, während des Stillens verfärbt sich die jeweilige Brustwarze weiß.[1]

Die Erkrankung ist nach ihrem Entdecker, dem französischen Arzt Maurice Raynaud (1834–1881), benannt. Umgangssprachlich wird sie auch als Weißfingerkrankheit oder Leichenfinger bezeichnet, andere Bezeichnungen hinsichtlich der Symptome sind Digitus mortuus (Totenfinger) oder Reilscher Finger.

Pathogenese

Normalerweise versucht der Körper im Falle einer Kälteexposition den Wärmeverlust zu minimieren, indem über die Aktivierung des autonomen Nervensystems mehr Blut von oberflächlichen Hautgefäßen in tiefere Körpervenen geleitet wird. Dem Raynaud-Syndrom liegt eine Fehlregulation durch den sympathischen Teil des autonomen Nervensystems zugrunde, der über Alpha-Adrenorezeptoren eine übermäßige Gefäßverengung (Gefäßkonstriktion) der Endarterien (Arteriolen) bewirkt. Durch den nachfolgenden Gefäßspasmus wird der Blutfluss in den betroffenen Arealen sehr stark eingeschränkt. Meist lösen sich diese Spasmen von selbst.

Symptome

Das Raynaud-Syndrom verläuft meist dreiphasig:

  1. Ischämie (blasse, weiße Haut) durch Minderdurchblutung mit Gefühllosigkeit, Schmerzen
  2. Zyanose (Blauverfärbung) durch Hypoxie
  3. reaktive Hyperämie (vermehrte Durchblutung) mit Rötung, Kribbeln und Klopfen

Das Auftreten dieser Farben wird in Anlehnung an die französische Flagge auch als Tricolore-Phänomen bezeichnet.

Bei längerem Bestehen können Sekundärschädigungen der Gefäßwände mit nachfolgender Nekrose und Gangrän auftreten.

Vorder- und Rückseite derselben Hand zum gleichen Moment des Auftretens des Raynaud-Syndroms

Formen

Primäres Raynaud-Syndrom

Vom primären Raynaud-Syndrom (Synonyme: Morbus Raynaud, Raynaud-Krankheit) spricht man, wenn die Symptome ohne erkennbare Grunderkrankung auftreten. Oft wird ein Anfall durch Kälteexposition oder psychische Belastung ausgelöst. Das Raynaud-Syndrom tritt zudem häufiger infolge einer Chemotherapie auf.[2]

Sekundäres Raynaud-Syndrom

Das sekundäre Raynaud-Syndrom (syn. Raynaud-Phänomen) tritt als Begleiterkrankung auf, z. B. bei

Diagnostik

Die akrale Oszillographie hilft mittels laser- bzw. lichtgesteuerter Impulse eine Minderdurchblutung zu objektivieren. In Zusammenhang mit einem Provokationstest, in dem der Patient einem Wärme- und/oder Kältebad ausgesetzt ist, können die Symptomatik und deren Ursache eingegrenzt werden. Im Falle eines sekundären Raynaud-Phänomens sind diagnostische Abklärungen der Grunderkrankung notwendig.

Therapie

Im Normalfall ist das Raynaud-Syndrom harmlos. Abhilfe wird erreicht durch warmhaltende Kleidung, überhaupt Körperwärme, Warmhalten der Finger und Zehen, Bewegung und durchblutungsfördernde Massage. Es gibt Hinweise, dass die Handgelenke eine bedeutsame Schaltstelle sind für die Durchblutung der Finger, daher hat sich das Tragen von Pulswärmern bewährt. Warm/kalt-Reize fördern die Durchblutung. Außerdem haben sich sowohl körperliches als auch geistiges Training im Sinne einer Stresskontrolle bewährt.

Medikamentös wird eine Vasodilatation durch Alpha-Rezeptorenblocker oder Calciumantagonisten, wie z. B. Nifedipin, erreicht. Diese Behandlung ist auch bei stillenden Müttern, deren Brustwarzen betroffen sind, in den USA als effektiv getestet worden.[1] In den letzten Jahren wird auch zunehmend das Prostaglandin-E1-Analogon Alprostadil eingesetzt.

Sollte diese Therapie versagen oder in schweren Fällen nicht ausreichend sein, zieht man in Erwägung, den Sympathikus, der die betreffenden Extremitäten innerviert, zu durchtrennen (Sympathektomie). Hierbei werden das Ganglion stellatum und das zweite und dritte Thorakalganglion ausgeschaltet. Allerdings stört man dadurch die Schweißregulation und bewirkt eine lokale Hyperämie. Außerdem ist die Operation aufgrund der Lage des sympathischen Grenzstrangs seitlich der Wirbelkörper im Brustkorb nicht ohne Risiko.

Beim sekundären Raynaud-Syndrom kann in schweren Fällen durch spezielle Apherese sowohl die ursächliche Erkrankung wie z. B. eine Autoimmunerkrankung, siehe auch Vaskulitis, behandelt als auch die Durchblutung des Gewebes angeregt werden, um eine Nekrose zu verhindern.

Ein neuerer Therapieversuch besteht in der Einnahme von Sildenafil, welches durch seine gefäßerweiternde Wirkung die Symptome lindert. Diese Therapieform befindet sich in Deutschland zurzeit in der klinischen Erprobung. Therapeutisch werden auch Prostacyclin und Prostacyclinanaloga, wie z. B. Ilomedin oder Iloprost, zur Behandlung des Raynaud-Syndroms eingesetzt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Jane E. Anderson, Nancy Held, Kara Wright: Raynaud’s Phenomenon of the Nipple: A Treatable Cause of Painful Breastfeeding. In: Pediatrics. Band 113, Nr. 4, April 2004, ISSN 0031-4005, S. e360–e364, PMID 15060268.
  2. Marianne Brydøy u. a.: Observational Study of Prevalence of Long-term Raynaud-Like Phenomena and Neurological Side Effects in Testicular Cancer Survivors. In: J Natl Cancer Inst. 2009;101, S. 1682–1695.