Rudolf Aschenauer

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Rudolf Aschenauer (rechts) im Einsatzgruppen-Prozess (1947/48)

Rudolf Aschenauer (* 21. Dezember 1913 in Regensburg; † 28. Januar 1983 in Nürnberg[1]) war ein deutscher Jurist. Er wurde als Strafverteidiger in Kriegsverbrecherprozessen und NS-Prozessen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bekannt. Aschenauer vertrat hunderte von angeklagten Kriegsverbrechern, darunter Otto Ohlendorf im Einsatzgruppen-Prozess, Walther Funk während dessen Haft in Spandau und Wilhelm Boger im Auschwitzprozess. Aschenauer war als Publizist, Organisator und Vorsitzender der „Stillen Hilfe“ für viele Jahre im rechtsextremen Spektrum aktiv.[2]

Leben

Rudolf Aschenauer war vor dem Zweiten Weltkrieg ein „junger und ehrgeiziger Anwalt“ in München, der als strenggläubiger Katholik galt. Der Sohn eines Reichsbahnwerkmeisters leitete in jungen Jahren einen katholischen Kirchenchor und war Mitglied der Marianischen Studentenkongregation Westend und einer katholischen Studentenverbindung. Nach dem Abitur am Theresiengymnasium 1934 studierte Aschenauer Rechtswissenschaften in München. In dieser Zeit war er für anderthalb Jahre Mitglied des NSDStB. 1938 und 1941 legte Aschenauer die juristischen Staatsprüfungen jeweils mit „ausreichend“ ab. Am 1. Mai 1938 trat er der NSDAP bei.[3] Am 31. März 1942 trat er aus der Partei aus.[4] Nach Aschenauer lag es daran, dass „1941/42 (...) gegen Pater Franz Sales Aschenauer [ Franziskaner, 1946–1952 Provinzial der Bayerischen Franziskanerprovinz[5]] auf Betreiben von Gauleiter Fritz Wächtler ein Strafverfahren eingeleitet (wurde), in dem er freigesprochen wurde. In diesem Zusammenhang und bei meiner `Belastung' wurde die Post meiner Familie und von Pater Franz Sales durch die Gestapo kontrolliert. Diese Umstände führten mein Ausscheiden aus der Partei ... herbei“. Ab 1. April 1941 kam Aschenauer zur Wehrmacht in eine Artillerieeinheit am Ladogasee als Hilfsdolmetscher und Zahlmeister. Aschenauer arbeitete von 1939 bis 1945 für das Propagandaamt München, dem er als „zuverlässiger, einsatzbereiter und verwendungsfähiger Nationalsozialist“ galt, der „jederzeit rückhaltlos für Bewegung und Staat eintritt“. Dennoch wurde er problemlos entnazifiziert.[6]

Am 3. Januar 1947 wurde Aschenauer Verteidiger von Otto Ohlendorf im Einsatzgruppen-Prozess,[4][7] des bekanntesten Angeklagten aus dem Prozess. Er argumentierte, dass Massenexekutionen Präventivmaßnahmen gegen einen Angriff der Bolschewisten auf das deutsche Reich gewesen seien. Bis zur Hinrichtung von Ohlendorf 1951 versuchte Aschenauer eine Revision des Urteils oder eine Begnadigung zu erreichen. Dann trat er als Verteidiger des SS-Standartenführers Joachim Peiper im Malmedy-Prozess auf. Es wurde ihm seine aufsehenerregende Behauptung im Prozess widerlegt, dass die Angeklagten gefoltert worden seien. Nach einer Ausbildungszuweisung an die Kanzlei Fritz Schäffer in München erhielt er am 1. Februar 1949 eine Anwaltszulassung.

Zwischen 1948 und 1953 setzte sich Aschenauer als einer von mehreren Anwälten für den 1946 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilten Walther Funk ein. Dazu hatte ihn Funks Ehefrau Louise beauftragt, ein Mandat von Funk selbst besaß Aschenauer nicht, da entsprechende Briefe von Funk an Aschenauers Kanzlei von der sowjetischen Direktion des Kriegsverbrechergefängnisses Spandau zurückgehalten wurden.[8]

1949 kontaktierte Aschenauer (vermutlich mit der Hilfe von Deutsch-Amerikanern aus Wisconsin) den damals in den USA auf nationaler Ebene noch weithin unbekannten Senator Joseph McCarthy und behauptete, dass die Verurteilung im Malmedy-Prozess nur mit Hilfe von durch Folter erpressten Geständnissen zustande gekommen war. McCarthy brachte diese Anschuldigungen in einer Anhörung des US-Senats im Mai 1949 vor. Aschenauer wiederum benutzte diese Anhörung als Beleg für Veröffentlichungen in der deutschen Presse, welche die Rechtmäßigkeit aller Urteile gegen Kriegsverbrecher in Frage stellte.[9]

Aschenauer promovierte 1949 in Jura an der Universität Erlangen mit einer Dissertation zum Thema der Rechtsprechung der amerikanischen Militärgerichtshöfe in Nürnberg.[10]

Auf die Initiative von Aschenauer wurde 1949 das „Komitee für kirchliche Gefangenenhilfe“ gegründet. Die Gründungsversammlung fand am 26. November 1949 im Erzbischöflichen Ordinariat in München statt. An der Versammlung nahmen neben Aschenauer der Weihbischof Neuhäusler, Domkapitular Thalhamer und weitere hohe Kirchenfunktionäre teil. Die Büroleitung übernahm der ehemalige RSHA-Mitarbeiter Heinrich Malz.[11] Aschenauer war Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft“, München, die ebenfalls Pressearbeit und Unterstützung für angeklagte und verurteilte Kriegsverbrecher betrieb. Von 1950 bis 1953 veröffentlichte er die Zeitschrift Die Andere Seite,[12] deren Herausgeber die Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft war.[13] Weiter nahm Aschenauer ab 1949 an den vierteljährlichen Tagungen des Heidelberger Juristenkreises teil, der die Revision der Urteile aus den alliierten Kriegsverbrecher- und NS-Prozessen koordinierte.[14] 1951 war Aschenauer Mitglied des Gründungsvorstandes des Vereins „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“, eines weiteren Vereins mit diesem Ziel. Aschenauer trat als Anwalt und als Vertrauensmann der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) auf. Allerdings war er zu der Zeit sowohl (seit Frühjahr 1952) Mitarbeiter des Verfassungsschutzes[15] als auch des „Katholischen-Nachrichtendienstes“ als auch für die Naumann-Gruppe,[16] ein Netzwerk z.T. ehemals führender Nationalsozialisten, aktiv. Im Bestreben der Naumann-Gruppe, die Deutsche Reichspartei zu einer nationalen Sammlungspartei für die Bundestagswahl 1953 auszubauen, „misslangen“ zunächst alle Versuche der Führung der verbotenen Sozialistischen Reichspartei, sich neu zu organisieren. Beteiligt oder informiert über diese Versuche war jeweils Aschenauer.[17] Über den „Katholischen Nachrichtendienst“ besaß Aschenauer beste Kontakte bis hin zu Adenauer, den er ein Jahr später in einem gegen Adenauer von der Deutschen Reichspartei angestrengten Prozess sogar vertrat.[18] Da führende Mitglieder der Naumann-Gruppe im Frühjahr 1953 vom britischen Geheimdienst verhaftet wurden, kam es nicht mehr zu der angestrebten nationalen Sammlungspartei.

1958 verteidigte Aschenauer den Hauptangeklagten Werner Hersmann beim Ulmer Einsatzgruppen-Prozess.[19] 1960 war er Verteidiger von Max Simon, der im sogenannten Ansbacher Prozess wegen der Ermordung der Männer von Brettheim, die kurz vor Kriegsende die HJ entwaffnet hatten, angeklagt war.[20] Aschenauer erreichte in erster Instanz einen Freispruch, da die Kriegsgerichtsurteile formal korrekt gewesen seien, dieses Urteil wurde später vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

1964 war Aschenauer vor dem Landgericht München II Verteidiger von Karl Wolff, welcher der Beihilfe an der Ermordung von 300.000 Juden angeklagt war.[21] 1965 verteidigte er den Hauptangeklagten Wilhelm Boger im Auschwitzprozess. Aschenauer trat 1968 zusammen mit dem Anwalt Sauer als Verteidiger von Wilhelm Rosenbaum auf, der wegen gemeinschaftlichen Mordes an jüdischen Frauen, Kindern und Männern in 169 Fällen in der SD-Schule in Bad Rabka angeklagt war.[22]

1977 war Aschenauer Vorsitzender der „rechtslastige[n]“ Gesellschaft für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) und veröffentlichte in der rechtsextremistischen Zeitschrift „Nation und Europa“.[23] Aschenauers veröffentlichte Bücher erschienen entweder im Selbstverlag oder in der rechtsextremistisch geprägten Verlagsgesellschaft Berg bzw. im Damm-Verlag, München, der auch J. G. Burg, den Holocaust-Leugner Rassinier sowie den verurteilten Kriegsverbrecher Rendulic verlegte.

Veröffentlichungen

Als Autor

  • Zur Frage einer Revision der Kriegsverbrecher-Prozesse. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, Nürnberg 1949.
  • Um Recht und Wahrheit im Malmedy-Fall – Eine Stellungnahme zum Bericht eines Untersuchungsausschusses des amerikanischen Senats in Sachen Malmedy-Prozess. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, Nürnberg 1950.
  • Landsberg – ein dokumentarischer Bericht von deutscher Seite. Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft, München 1951. (Über die Justizvollzugsanstalt Landsberg, in der die Häftlinge aus den NS-Prozessen einsaßen.)
  • Macht gegen Recht – Unbekanntes Material aus der amerikanischen und britischen Kriegsverbrecher-Praxis. Arbeitsgemeinschaft für Recht und Wirtschaft, München 5, 1952
  • Der Malmedy-Fall – 7 Jahre nach dem Urteil. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, München 1953
  • Der Fall Schörner – Eine Klarstellung. Selbstverlag Rudolf Aschenauer, München 1962. (Über den Fall von Ferdinand Schörner.)
  • Der Fall Herbert Kappler – Ein Plädoyer für Recht, Wahrheit und Verstehen. Damm-Verlag, München 1968
  • Um Wahrheit und Gerechtigkeit im Fall Herbert Kappler. Damm-Verlag, München 1969. (Über den von Aschenauer vertretenen Herbert Kappler.)
  • Der Fall Reder – ein Plädoyer für Recht und Wahrheit. Vowinckel-Verlag, Berg am See 1978. ISBN 3-921625-13-0. (Eine Schrift über den Fall des in Italien verurteilten SS-Sturmbannführers Walter Reder, der allerdings nicht von Aschenauer verteidigt wurde, sondern vom italienischen Anwalt Schiró und dessen deutschem Kollegen Claus-Joachim von Heydebreck.)
  • Die Auslandsdeutschen – 100 Jahre Volkstumsarbeit, Leistung und Schicksal. Türmer-Verlag, Berg/Starnberger See 1981. ISBN 3-87829-065-9.
  • Krieg ohne Grenzen – der Partisanenkampf gegen Deutschland 1939–1945 . Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See 1982, ISBN 3-8061-1017-4.

Als Herausgeber

Literatur

  • Christoph Bachmann: Schuld und Sühne? Die Verfolgung von NS-Verbrechen durch oberbayerische Justizbehörden und ihre archivische Aufarbeitung im Staatsarchiv München, in: ZBLG Band 68 (2005), S. 1163ff.
  • Beate Baldow: Episode oder Gefahr – Die Naumann-Affäre; Dissertation; FU Berlin 2012[24]
  • Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial, 1945–1958: Atrocity, Law, and History. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-45608-1.
  • Norbert Frei: Vergangenheitspolitik: die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. Beck, München 1996, ISBN 3-406-41310-2.
  • Oliver Schröm und Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden: das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ch. Links Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-266-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Präzise Lebensdaten nach: Europa Ethnica, Band 40, 1983
  2. Martin A. Lee nennt Aschenauer in The Beast Reawakens, Taylor & Francis, 1999, ISBN 0-415-92546-0, einen attorney with close ties to Remer's SRP and the postwar Nazi underground (S. 70), pro-Nazi attorney (S. 83) und Germany's big-wheel ultranationalist attorney (S. 88). Sinngemäße Übersetzung: Anwalt mit engen Beziehungen zu Remers SRP und zur Altnazi-Untergrundbewegung, Pro-Nazi Anwalt, Deutschlands einflussreicher, nationalistischer Anwalt.
  3. Hilary Earl: The Nuremberg SS-Einsatzgruppen Trial. Cambridge University Press, Cambridge 2009, S. 271.
  4. a b Christoph Bachmann: Schuld und Sühne? ZBLG 68, S. 1163ff..
  5. Bayerische Franziskanerprovinz (Hrsg.): 1625 – 2010. Die Bayerische Franziskanerprovinz. Von ihren Anfängen bis heute. MDV Maristen Druck & Verlag, Furth 2010, S. 53.
  6. Oliver Schröm und Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden: das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ch. Links, Berlin 2002, S. 79–80.
  7. Records of the United States Nuremberg War Crimes Trials, Vol. 4, United States Government Printing Office, District of Columbia 1950, S. 11.
  8. Norman J. W. Goda: Tales from Spandau: Nazi criminals and the Cold War. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-86720-7, S. 65–66.
  9. Richard Halworth Rovere: Senator Joe McCarthy. University of California Press, Berkeley 1996, ISBN 0-520-20472-7, S. 112. (Reprint der Originalausgabe erschienen bei Harcourt, Brace, Jovanovich, New York 1959.)
  10. Um die Problematik des richterlichen Nachprüfungsrechtes und der richterlichen strafrechtlichen Haftung unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung an den amerikanischen Militärgerichtshöfen in Nürnberg. 1949. (Dissertation.) Erlangen, Jur. F., Diss. v. 15. Nov. 1949
  11. Ernst Klee: [1]. In: Die ZEIT, Nr. 9/1992 vom 21. Februar 1992.
  12. Martin A. Lee: The Beast Reawakens. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-92546-0, S. 88.
  13. Eintrag zu Die Andere Seite: ZDB-ID 704952-3.
  14. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Beck, München 1996, S. 163–167.
  15. Baldow, Beate; Episode oder Gefahr – Die Naumann-Affäre. S. 176, Anmerkung 1075
  16. zu beiden: Baldow; Beate; a.a.O.; ebenda
  17. Die Naumann-Gruppe, im Frühjahr 1953 vom Britischen Geheimdienst, juristisch allerdings folgenlos, enttarnt, lehnte die SRP als kontraproduktiv ab und Baldow vermutet demzufolge, dass Aschenauer z.B. den Spiegel über eine geplante „Tarnorganisation“ informiert haben könnte (Der Spiegel Nr.33 vom 13. August 1952, S. 7; Wenn das Verbot kommt.) Baldow, Beate; a.a.O.; ebenda - nach der Enttarnung der Naumann-Gruppe gelang es SRP-Mitgliedern um den ehemaligen SRP-Vorsitzenden Fritz Dorls dann plötzlich doch als Deutsche Aufbauvereinigung Wahlkampf in Niedersachsen und Hessen zu machen.
  18. Der Spiegel Nr. 44/1954; „Wenn niemand davon spricht.“ [2]
  19. Ulmer Geschichte(n): 'Der Ulmer Prozess'
  20. Simon-Verteidiger plädiert auf Freispruch. In: „Hamburger Abendblatt“, Nr. 215 vom 16. Juli 1960, S. 1.
  21. Heute Plädoyer im Wolff-Prozess, dpa-Meldung. In: „Hamburger Abendblatt“, Nr. 215 vom 15. September 1964, S. 1.
  22. Schlußwort im Hamburger Schwurgericht. In: Hamburger Abendblatt, Nr. 185 vom 10. August 1968, S. 5.
  23. Läuft bestens. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1977, S. 60 (online10. Oktober 1977).
  24. online (PDF, 2,17 MB)