Ständerbauweise

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Ständerbau in Quedlinburg (Wordgasse 3 von 1349) (Detailansicht Zapfenschloss)

Die Ständer- oder Gefügebauweise ist eine Form des Fachwerkbaus, bei der Ständer durchgehend von der Schwelle bis zum Dach das tragende System eines Gebäudes bilden und gleichzeitig die Seitenwände darstellen.[1] Diesem statischen Prinzip wird die Gebäudegestaltung untergeordnet. Die Konstruktion besteht traditionell aus Holz, sie kann jedoch auch aus Stahl hergestellt werden. Zusammen mit anderen Bauweisen, wie etwa Blockbau, Rahmenbau, Skelettbau und Tafelbau, zählt der Ständerbau zu den grundlegenden Holzbausystemen.[2] Im Unterschied zur ähnlich aussehenden Skelettbauweise sind beim Ständerbau die Abstände zwischen den Ständern bedeutend geringer sowie die Geschossdeckenanschlüsse an die Ständer unterschiedlich ausgeführt.

Geschichtliche Entwicklung

Konstruktionsweise von Zwei-, Drei- und Vierständerhaus
Mittelalterliche Ständerbauweise im Vergleich zur Rähmbauweise
Fachwerkkirche in Ständerbauweise in Kernbach von 1687

Die Ständerbauweise entwickelte sich im 13. Jahrhundert aus der primitiveren Pfostenbauweise.[3] Diese bereits seit der Jungsteinzeit bekannte Bauweise weist gegenüber der Ständerbauweise eine geringere Haltbarkeit auf, da die Pfosten in den Untergrund getrieben wurden und aus diesem Grund rasch abfaulten. Zudem war die Stabilität des statischen Systems der Pfostenhäuser aufgrund fehlender Aussteifung schlecht ausgeprägt. Diese Unzulänglichkeiten wurden durch die Ständerbauweise behoben.

Aufgrund der besseren statischen Voraussetzungen ermöglichte die Ständerbauweise im Mittelalter die Errichtung mehrerer Stockwerke bzw. Geschosse. Daher wird die Ständerbauweise auch als Geschossbauweise bezeichnet. Die von der Schwelle bis zum Dachgebälk durchlaufenden Ständer tragen die gesamten Lasten über mehrere Stockwerke ab. Gebäude mit mehreren Stockwerken wurden daraufhin als Langständerbau bezeichnet. Die auf einem gemauerten Sockel errichteten Ständer waren durch waagrechte Balken, die so genannten Ankerbalken, miteinander verbunden. Die Ankerbalken dienten gleichzeitig als Auflage für die Deckenkonstruktion der einzelnen Geschosse. Als Versteifung dienten Schwertungen, diagonal über mehrere Geschosse verlaufende Verstrebungen, die von Ständer zu Ständer reichen. Bekannte Gebäudetypen, die in Ständerbauweise errichtet wurden, sind die niederdeutschen Hallenhäuser. Je nach Anzahl der Ständer wurden sie als Zwei-, Drei-, oder Vierständerbau bezeichnet. Allen gemeinsam ist das Sparrendach. Ein anderer regional typischer Bautyp ist der Ständerbohlenbau oder Bohlenständerbau im süddeutschen und Schweizer Raum. Ständerbauten mit Pfettendach haben Firstständer.

Die Ständerbauweise in diesem Sinne war die ursprüngliche, im Mittelalter gebräuchliche Fachwerkbauweise. Sie wurde Ende des Mittelalters (ab dem 16. Jahrhundert), vor allem im alemannischen Fachwerk, durch die Rähmbauweise abgelöst. Bei ihr werden Ständer verwendet, die nur die Höhe eines Stockwerkes besitzen. Diese Konstruktion wird als Rähm- oder Stockwerksbauweise bezeichnet, da die auf der Schwelle stehenden Ständer oben mit einem Rähm abgeschlossen werden. In anderen Regionen, beispielsweise im fränkischen Fachwerk, hielt sich die Ständerbauweise allerdings bis ins neunzehnte Jahrhundert.

Bohlenständerhaus in Hedingen

Verbreitung

Schweiz

Im Spätmittelalter herrschten drei verschiedene Bautypen vor. Von Norden her reichte die Fachwerkbauweise bis in den Raum Winterthur. Im Schweizer Mittelland dominierte die Ständerbauweise, in den Voralpen und Alpen der Blockbau. Im Ständerbaugebiet gab es im Flachland die strohgedeckten Steildächer und in den Voralpen die schindelgedeckten, flachgiebeligen Tätschdächer. Die großen Städte bildeten die Ausnahme, da sie wegen der Brandgefahr bereits im 15. Jh. vorwiegend Steinbauten mit Ziegeldächern besaßen.

Mehrreihenständerbau Kehlhof Schwamendingen mit 7 Jochen, 1555-57 erbaut
Jakob Gujer Geburtshaus, Wertmatswil ZH: Mehrreihenständerbau von 1660

Mehrreihenständerbau

Beim Mehrreihenständerbau, der sich ab dem 16. Jahrhundert entwickelte, wurde die zum Dachbalken (Firstpfette) führende Mittelständerreihe (Hochstud) durch zwei innere Hochständerreihen ersetzt, die von der Schwelle bis zur Mittelpfette reichten. Im gleichen Zeitraum wurden die Schindel- und Strohdächer durch das steile Ziegeldach ersetzt. Mit diesem speziellen Bautyp konnten breitere und größere Gebäude errichtet und die Raumteilung (Grundriss) von zwei auf drei Räume (Stube, offene Herdstelle, Kammer) erhöht werden. Dieser Grundrissstandard hielt sich bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Die symmetrische Anordnung der inneren Ständerreihen führte dazu, dass Stube und Kammer die gleiche Raumbreite aufwiesen. Der mittlere Raum konnte durch den Abstand der beiden Innenständer variiert werden. In Längsrichtung konnte das Gerüstsystem flexibler gestaltet werden. Die länglichen, durch Gebinde abgegrenzten Raumgevierte wurden Joche genannt. Das kleinstmögliche Mehrreihenständerhaus umfasste vier Gebinde mit drei Jochen, in denen Wohnteil, Tenn (immer in der Mitte) und Stall untergebracht wurden. Bei Bedarf konnten zusätzliche Joche angebaut werden.

Bohlenständerbau und Blockständerbau

Der Bohlenständerbau ist eine Wandbauweise, bei der waagrechte Bretter oder Bohlen zwischen die tragenden, lotrechten und mit einer Nut versehenen Ständer oder Stiele eingefügt werden.

Beim Blockständerbau werden als Wandausfachung 10-12 cm dicke Blockhölzer nahezu bündig oder bündig eingelassen. Damit erreicht die Wandfüllung im Gegensatz zum Bohlenständerbau annähernd die Stärke der Ständer. [4]

Die im Mittelalter sehr verbreiteten Bohlenständerhäuser waren billiger als Steinhäuser; sie konnten auch demontiert und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Als nachteilig erwies sich die erhöhte Brandgefahr, die von diesen Bauten ausging. Das abgebildete Bohlenständerhaus in Hedingen wurde im Jahre 1983 an seinem bisherigen Standort in einem Industriegebiet zerlegt, jeder Balken nummeriert, umgezogen und in einem Weiler neben einem Zeitgenossen, einem Blockständerbau aus dem Jahre 1804, wieder aufgebaut.

Moderne Ständerbauweise

In Mitteleuropa ist mit Beginn der Industrialisierung die herkömmliche Ständer- und Rähmbauweise praktisch zum Erliegen gekommen und hauptsächlich durch die Massivbauweise ersetzt worden. Erst mit dem Aufkeimen der Fertighausindustrie sowie der Einführung plattenartiger Wandbaustoffe wie Gipskartonplatte erfolgte eine Renaissance der Holzbauweise in Form des Holzrahmenbaues. Umgangssprachlich wird der moderne Holzrahmenbau auch als Holzständerbauweise bezeichnet, obwohl diese Bauweise in der Regel mit der ursprünglichen Holzständerbauweise nicht vergleichbar ist, sondern eher mit der spätmittelalterlichen Rähmbauweise.

In Nordamerika ist seit jeher die Holzbauweise im Wohnungsbau von großer Bedeutung. Die lange vorherrschende Bauweise, das Balloon Framing, ist eine Ständerbauweise im klassischen Sinn. Doch seit etwa Mitte des letzten Jahrhunderts verdrängte die Holzbauweise des Platform Framing – eine moderne Art der Rähmbauweise – fast vollständig die ehemalige Ständerbauweise.

Beim Ausbau von Gebäuden kommen Ständerkonstruktionen häufig auch zum Herstellen von leichten Trennwänden zum Einsatz, und zwar auch in Stahlbeton- oder Mauerwerksbauten. Die Trennwände sind häufig außen mit Holzwerkstoff-Platten, mit Brettern oder mit Gipskarton-Platten beplankt. Gerade bei Ständerwänden, die mit Gipskarton-Platten beplänkt werden, hat sich inzwischen durchgesetzt, das Ständerwerk in der Regel aus Metall-Profilen herzustellen. Im Vergleich zu Konstruktionen aus Mauerwerk oder Beton spricht man hier von Trockenbau- oder Montage-Wänden, weil sie ohne feuchte Materialien (wie etwa Mörtel, Lehm oder Beton) zusammengefügt / montiert werden.

Siehe auch

Literatur

  • Manfred Gerner: Fachwerk, Entwicklung, Gefüge, Instandsetzung. DVA, München 2007, ISBN 978-3-421-03575-2.
  • Manfred Gerner, Marion Schneider, Margit Schöppner: Fachwerklexikon. Handbuch für Fachwerk und Holzkonstruktionen. DVA, Stuttgart 1997, ISBN 3-421-03146-0.

Einzelnachweise

  1. Dietmar Grütze: Bau-Lexikon. Carl Hanser Verlag, München 2007, ISBN 3-446-40472-4, S. 256.
  2. Josef Kolb: Systembau mit Holz. Baufachverlag AG, Zürich 1992, ISBN 3-85565-226-0, S. 15.
  3. Sonja Steiner-Welz: Die deutsche Stadt. Reinhard Welz Vermittler Verlag, Mannheim, ISBN 3-86656-538-0, S. 10.
  4. http://www.laendliche-baukultur.de/index.php?lexikon=b Lexikon der ländlichen Baukultur, Berlin Brandenburg

Weblinks

Wiktionary: Ständerbauweise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen