Theodulf von Orléans

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Kirche von Germigny-des-Prés: Das in der Kalotte der Ostapsis angebrachte, einzig erhaltene karolingische Mosaik nördlich der Alpen zeigt die von Engeln umgebene Bundeslade

Theodulf von Orléans (lat. Theodulfus Aurelianensis, * um 750(/60); † 821 in Le Mans oder Angers) war ein westgotischer Gelehrter und Dichter, Berater Karls des Großen, Bischof von Orléans und Abt von Fleury.

Theodulfs Nachruhm beruht vor allem auf seinen Gedichten, von denen rund 80 noch erhalten sind. Über seine Herkunft, wahrscheinlich aus westgotischem Adel Spaniens, und über seine Ausbildung, die jedenfalls juristische Kenntnisse einschloss und ihn in seinen sprachlich-stilistischen Fähigkeiten über die Zeitgenossen heraushebt, liegen keine genauen Angaben vor. Theodulf avancierte am Hof Karls des Großen und wurde von ihm vor Juli 798 zum Abt von Fleury und zum Bischof von Orléans ernannt. 798 war er gemeinsam mit Leidrad von Lyon als missus dominicus, d. h. richterlicher Stellvertreter des Königs, in Südfrankreich, visitierte dort Septimanien und amtierte vorwiegend in Narbonne. Die Reise schildert er in seinem Carmen contra judices, das die Verhältnisse im südlichen Frankenreich kritisiert und in seinen Ermahnungen an die Richter und Führer der Region eine Art Fürstenspiegel darstellt. Ebenfalls 798 schlug Alkuin Karl vor, Theodulf an der Prüfung der Schriften des Bischofs Felix von Urgell gegen den Adoptianismus zu beteiligen, eine Schrift Theodulfs ist hierzu jedoch nicht erhalten. Die lange umstrittene Frage, ob er an der Entstehung der Libri Carolini beteiligt war, in denen Karl eine Stellungnahme gegen die Beschlüsse des 2. Konzils von Nicäa (787) zum Bilderstreit ausarbeiten ließ, dürfte mit der Neuedition von Ann Freeman zu seinen Gunsten entschieden sein. Unabhängig von Alkuin veranstaltete Theodulf um 800 eine eigene Revision des lateinischen Bibeltexts der Vulgata des Hieronymus. Dieser Arbeit, die in sechs Codices erhalten ist, werden von der modernen Forschung beachtliche Qualitäten zuerkannt. Im Unterschied zu Alkuins Text blieb sie jedoch weitgehend folgenlos.

Im Jahr 800 empfing Theodulf Karl in Orléans und begleitete ihn nach Rom, wo er Papst Leo III. gegen seine römischen Ankläger verteidigte und an der Krönung Karls teilnahm. Um 800 und zwischen 800 und 813 ließ er zur Neuordnung seiner Diözese zwei Kapitularien ausarbeiten, von denen das erste großen Einfluss in den mittelalterlichen Kapitularien und Kanones erlangte und auch ins Altenglische übersetzt wurde. Unter den Kirchen, die er in seiner Diözese erbauen ließ, befindet sich die am 3. Januar 805 oder 806 geweihte Kirche von Germigny-des-Prés, heute einer der ältesten erhaltenen Kirchenbauten Frankreichs, errichtet auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes nach dem Vorbild des Aachener Doms. In Germigny-des-Prés kann man noch heute die im Jahr 1820 wiederentdeckten und seither restaurierten Mosaike byzantinischen Stils betrachten, die auf ein von Theodulf beauftragtes Bildprogramm zurückgehen dürften.

Theodulf verfasste für Karl ein Gutachten De processione spiritus sanctu zum Streit über das „filioque“, der auf der Aachener Synode von 809 beraten wurde (wobei Kaiser Karl dann aber dem Gegengutachten des Arn von Salzburg den Vorzug gab), desgleichen um 812 ein Gutachten De ordine baptismi. Als Karl 814 starb, war Theodulf unter den Zeugen seines Testaments. Auch zu Karls Sohn und Nachfolger Ludwig dem Frommen stand er zunächst in guter Beziehung. Als Papst Stephan IV. zur Krönung Ludwigs 816 nach Reims kam, gehörte Theodulf zu den geistlichen Würdenträgern, die dem Papst entgegengeschickt wurden. Kurz darauf fiel er jedoch in Ungnade. Er wurde 817 der Mitwisserschaft an der Verschwörung von Ludwigs Neffen Bernhard von Italien bezichtigt, 818 auf einer Synode in Aachen verurteilt und seiner Ämter enthoben und verbrachte die letzten drei Jahre seines Lebens in Haft und Exil.

Auf dem Land waren die Priester nach einer Verordnung Theodulfs von Orléans verpflichtet, Schulen zu halten, in denen sie Lese- und Schreibunterricht anboten. Solch eine Schule ist um 820 im unterrätischen Gerichtsort Rankweil durch die Nennung eines Lehrers (magister) Andreas und zweier Schüpler Valerius und Vigilius bezeugt.[1]

Sein liturgisch bedeutsamer Hymnus Gloria, laus et honor, der am Palmsonntag gesungen wird, soll nach einer von Jacobus de Voragine in die Legenda aurea übernommenen Legende während der Haft in Angers entstanden und von Theodulf am Fenster seiner Zelle so ergreifend gesungen worden sein, dass Ludwig, der in der Palmsonntagprozession von 821 unter dem Fenster vorüberkam, ihn aus der Haft begnadigte und wieder in sein Bischofsamt einsetzte.

  • J. P. Migne: PL. 105,105–380 (Nachdruck der Ausgabe der Opera omnia von Jacques Sirmond, Paris 1646.)
  • Theodulfi Carmina. In: Poetae Latini medii aevi 1: Poetae Latini aevi Carolini (I). Herausgegeben von Ernst Dümmler. Berlin 1881, S. 437–581 (Monumenta Germaniae Historica, Digitalisat)
  • Guido Maria Dreves, Hymnographi latini / Lateinische Hymnendichter des Mittelalters, Zweite Folge, Leipzig 1907 (= Analecta hymnica medii aevi, 50), p.159–163
  • Hubert Bastgen: Libri Carolini sive Caroli Magni Capitulare de imaginibus. Hannover 1924 [Nachdr. 1979] (= MGH Concilia, Suppl. 2).
  • Ann Freeman / Paul Meyvaert, Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini), Hannover 1998 (= MGH Concilia, T. 2, Suppl. 1) [ersetzt die Ausgabe von Bastgen]
  • Harald Willjung, Das Konzil von Aachen 809, Hannover 1998 (= MGH Concilia, T. 2, Suppl. 2), p.313–382 (Libellus de lite)
  • Peter Brommer, MGH Capitula episcoporum, Teil 1, Hannover 1984, p.73–184
  • Arthur S. Napier, An Old English version of the Capitula of Theodulf together with the Latin Original, London 1916 (= Early English Text Society, Original Series, 150)
  • Hans Sauer, Theodulfi Capitula in England: die altenglischen Übersetzungen zusammen mit dem lateinischen Text, München 1978 (= Texte und Untersuchungen zur Englischen Philologie, 8)
  • Susan A. Keefe, Water and the Word: baptism and the education of the clergy in the Carolingian empire, II: Texts and Notes, Notre Dame 2002, p.280–321 (De ordine baptismi)

Einzelnachweise

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  1. Peter Erhart: Auf dem Land. In: Stiftarchiv Sankt Gallen (Hrsg.): Lebenswelten des frühen Mittelalters in 36 Kapiteln. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2019, ISBN 978-3-95976-182-6, S. 25.
VorgängerAmtNachfolger
EucheriusBischof von Orléans
798–813
Jonas