V-Person

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V-Person (auch V-Mann, abgekürzt VP genannt, Mehrzahl auch V-Leute, in Österreich auch Konfident), bezeichnet eine Verbindungs- oder Vertrauensperson, die als ständiger Informant eines Nachrichtendienstes, des Zolls oder der Polizei arbeitet. Dabei agiert sie unerkannt etwa in vermeintlich politisch extremen oder kriminellen Organisationen oder kriminalitätsverdächtigen Milieus, etwa der Drogenszene oder dem Rotlichtmilieu.

Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren definieren eine V-Person als eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird.[1]

Die V-Person ist abzugrenzen vom Informanten, der lediglich im Einzelfall tätig wird, sowie vom verdeckten Ermittler, der Mitglied der Strafverfolgungsbehörden ist.

In jüngerer Zeit geriet die Praxis des Einsatzes von V-Personen in der rechtsextremen Szene durch deutsche Verfassungsschutz-Behörden vermehrt in die Kritik, insbesondere wegen des deshalb gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens und der ungeklärten Vorgänge um die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund.

Wortherkunft

Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt der Ausdruck V-Person als partielles Kurzwort für Vertrauensperson oder Verbindungsperson.[2] Die Lesart „Vertrauensperson“ ist im nachrichtendienstlichen und kriminalistischen Fachjargon ebenso üblich[3] wie in der Fachliteratur der Historiker[4], wobei nicht etwa eine Person gemeint ist, der man vertrauen und trauen kann, sondern eine Person, zu der eine vertrauliche, nämlich geheime Verbindung geknüpft wird.[5]

Bernadette Droste stellt in ihrem Handbuch des Verfassungsschutzrechts (2007) die These auf, das V stehe nicht für Verbindung oder Vertrauen, sondern für Vigilant.[6] Die von Droste angegebenen Quellen[7] treffen dazu keinerlei Aussage; sie verweisen aber auf den provokanten Ausspruch des Rechtsanwalts Adolf Arndt von 1961, dass „das V für Verrat, nicht für Vertrauen stehen sollte“[8] (ohne seine Meinung zu teilen). Gelegentlich wird auch an anderer Stelle zusätzlich auf die mögliche Herleitung aus Vigilant hingewiesen.[9] Tatsächlich wurde das Wort Vigilant bis ins 20. Jahrhundert hinein im Sinne von „Informant der Polizei, Spitzel“ verwendet.[10] Als Vorgänger des Ausdrucks V-Mann/V-Person ist es aber gleichwertig mit Wörtern wie Spitzel, Informant, Konfident oder Denunziant zu sehen, eine engere sprachliche Beziehung ist unbelegt.

Grundlage

Der Einsatz von V-Personen erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung, die in den einzelnen Bundesländern teils in unterschiedlichen Varianten in Kraft gesetzt wurden.

Arbeitsweise

Im Gegensatz zu einem verdeckten Ermittler gehört die V-Person nicht der Ermittlungsbehörde an, sondern ist eine Privatperson, die meist dem Milieu angehört, in dem sie eingesetzt wird. Die Motive für die Tätigkeit als Informant können vielfältig sein: Sie reichen vom finanziellen Interesse an den von Behörden gezahlten Belohnungen über ideelle und persönliche Motive wie Rache oder Konkurrenzneid bis hin zum Interesse an Vergünstigungen wie Unterlassen der Strafverfolgung. Dadurch, dass die V-Person in die Strukturen der jeweiligen Gruppe integriert ist, sollen Informationen der Gruppe aus erster Hand von ihr an den Auftraggeber weitergeleitet werden.

Eine Sonderform bildete der Inoffizielle Mitarbeiter (kurz IM, oft auch als Informeller Mitarbeiter bezeichnet) in der DDR. Der IM war eine Person, die verdeckt jegliche erworbene Information weisungsgemäß an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder „Stasi“) lieferte, ohne offiziell für diese Behörde zu arbeiten.

Eine V-Person kann zum Agent provocateur (Lockspitzel) werden; die Grenzen zur Mittäterschaft sind teilweise fließend.

V-Personen werden von einem speziell zugeordneten Mitarbeiter (VP-Führer) der für sie zuständigen Behörde geführt, handeln also im Auftrag nach deren Vorgaben. Dies vor allem unterscheidet sie von einem Denunzianten, der aus eigener Veranlassung einer Behörde Informationen andient.

Eine weitere Sonderform bildet der Counterman (CM), der für die eigene Seite sowie als Angehöriger eines fremden Nachrichtendienstes arbeitet.

Bezahlung

Nach Informationen der Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins stern existiert beim Bundeskriminalamt eine nichtöffentliche, jedoch offizielle Tarifordnung, die die Bezahlung der Informanten je nach Gewicht oder Anzahl der sichergestellten Objekte regelt. Die Tarifordnung trägt den Namen „Allgemeine Grundsätze zur Bezahlung von V-Personen und Informanten[11].

Bekannte Fälle

In den Fokus der Medien gerieten V-Leute des deutschen Verfassungsschutzes im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens durch zahlreiche Enttarnungen von V-Leuten in Führungspositionen der NPD.

Bekannt als V-Mann wurde Klaus Steinmetz, dem es gelang, Kontakt zur Kommandoebene der RAF zu bekommen.

Weitere bekannte V-Personen waren Ulrich Schmücker und Peter Urbach. Schmücker wurde infolge seiner Tätigkeit ermordet, die Ermittlungen und der nachfolgende Prozess gelten als Justizskandal. Urbach spielte eine bis heute nicht vollständig aufgeklärte Rolle bei der Entstehung der terroristischen RAF, außerdem besorgte er eine Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus durch die Tupamaros West-Berlin 1968[12]. Er erhielt nach seiner Enttarnung eine neue Identität im Ausland.

Adolf Hitler wurde im Jahre 1919 als V-Mann für die neu eingerichtete Nachrichten- und Aufklärungsabteilung des Gruppenkommandos des „Übergangsheeres“ unter Hauptmann Karl Mayr geschult, um unter den demobilisierten Soldaten als der Vertrauensmann zu agitieren und als V-Person politische Parteien zu überwachen. Im Rahmen eines solchen Einsatzes hatte er am 12. September 1919 den Auftrag, eine Versammlung der Deutschen Arbeiterpartei zu besuchen, der späteren NSDAP.[13]

Im Zuge der Ermittlungen zum NSU-Prozess und verschiedener parlamentarischer Untersuchungsausschüsse wurde die V-Mann-Tätigkeit mehrerer Personen im Umfeld der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund und ihrer Mordserie an Migranten aufgedeckt.

Politische Debatte in Deutschland

Der Einsatz von V-Personen als ständige Informanten erfordert im Unterschied zu verdeckten Ermittlern und gelegentlichen Informanten eine kontinuierliche Unterstützung mit Geld und andere Maßnahmen, die die Teilnahme an der Arbeit der überwachten Organisationen aufrechterhalten wie Straferlass, Kronzeugenregelung und Zurückhaltung von Informationen gegenüber anderen ermittelnden Behörden. Diese Unterstützung von V-Personen widerspricht dem Gerechtigkeitsgrundsatz der Justiz, ohne Ansehen der Person zu ermitteln und fördert die Arbeit der V-Personen für die überwachten Organisationen. Während im April 2013 Bündnis 90/Die Grünen die komplette Abschaffung von V-Personen forderten,[14] halten SPD, CDU/CSU und FDP am Einsatz von V-Personen fest.

Siehe auch

Literatur

  • Schleswig-Holstein: Richtlinien über die Inanspruchnahme von Informantinnen und Informanten und den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) im Rahmen der Strafverfolgung
  • Brandenburg: Inanspruchnahme von Informanten, Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern. Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums der Justiz (4110 - III. 15) und des Ministeriums des Innern (IV/2 - 2701) vom 21. Februar 1994
  • Klaus Detter: Einige Gedanken zu audiovisueller Vernehmung, V-Mann in der Hauptverhandlung und der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache El Motassadeq (PDF; 118 kB)
  • Volker Krey: Kriminalitätsbekämpfung um jeden Preis? – Zur kontinuierlichen Ausweitung des Bereichs verdeckter Ermittlungen (PDF; 127 kB)
  • Bettina Winsemann: Kafkaeske Verdächtigungen und Pimp my Überwachungsgrund. In: TELEPOLIS, Oktober 2009.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, Anlage D 2.2
  2. Duden, Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, Stichwort V-Mann (auch online); ebenso Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. 2011; ebenso Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 11. Aufl. 1986; Brockhaus Enzyklopädie online, Stichwort V-Leute, abgerufen am 27. Mai 2013.
  3. Onlineglossar des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Stichwort V-Leute, abgerufen am 27. Mai 2013; Kriminalistik-Lexikon, 4. Aufl., Heidelberg u. a. 2011, Stichwort Vertrauensperson; ebenso Wörterbuch der Polizei, 2. Aufl., München 2010.
  4. Exemplarisch: Weyrauch, Gestapo V-Leute, Frankfurt 1989; Mallmann, Die V-Leute der Gestapo, in: Paul/Mallmann, Die Gestapo – Mythos und Realität, Darmstadt 1995.
  5. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kapitel E, Randnummer 262.
  6. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, Stuttgart u. a. 2007, S. 266/267.
  7. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, Stuttgart u. a. 2007, S. 267, Fußnote 858: Borgs/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Stuttgart 1986, A §3 Rn. 157 [auch Randnummer 158]; Friedrichs, Der Einsatz von „V-Leuten“ durch die Ämter für Verfassungsschutz, Göttingen 1981; Gusy, Rechtsstellung und Betätigung von V-Leuten der Nachrichtendienste, RiA 1981, S. 101 ff. [gemeint ist 1982, Zeitschrift Recht im Amt, online, erster Absatz, Beleg Fn. 3].
  8. Arndt, Der Rechtsstaat und sein polizeilicher Verfassungsschutz, NJW 1961, S. 897 ff., hier S. 899, Fußnote 3.
  9. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kapitel E, Randnummer 262 mit Fußnote 314 beispielsweise verweist auf Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2000, Rdn. 629 mit Fn. 210 [gemeint ist Fn. 201], wo unbelegt auf weitere Stellen verwiesen wird: „Teilweise wird der Terminus [...] auf [...] ‚Vigilant‘ oder ‚Verbindungsperson‘ [...] zurückgeführt.“ Waechter verwendet ansonsten die Wörter Vertrauensperson und V-Person.
  10. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Stichwort Vigilant; Mackensen, Deutsches Wörterbuch, 11. Aufl. 1986; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007.
  11. Werner Mathes: Geheime BKA-"Tarifordnung"
  12. Steffen Mayer und Susanne Opalka: Bombenterror gegen jüdische Gemeinde – nach 30 Jahren packt der Täter aus. rbb-online, 10. November 2005
  13. Tobias Birzer, Adolf Hitlers Aufstieg in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, GRIN Verlag, München,2003, S. 2.
  14. Parteitag: Grüne wollen V-Leute komplett abschaffen. 27. April 2013, abgerufen am 29. April 2013.