Vietnamesen in Deutschland

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Viên Giác Pagode, vietnamesisch-buddhistisches Glaubenszentrum in Hannover

Die Vietnamesen in Deutschland (auch Deutschvietnamesen, vietnam. Người Việt tại Đức) sind eine der zahlenmäßig kleineren Zuwanderergruppen in der Bundesrepublik.

Vietnamesische Näherinnen in Rostock, 1990

Überblick

Ende 2009 lebten knapp 85.000 vietnamesische Staatsbürger in Deutschland.[1] Hinzu kommen die zahlenmäßig nicht genau bekannten Gruppen, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben und derer, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Insgesamt wird von etwa 100.000[2] bis 125.000[3] Menschen vietnamesischer Abstammung in Deutschland ausgegangen. Die Zahl der Vietnamesen, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, wird auf über 40.000 geschätzt.[3] Damit sind die Vietnamesen noch vor den Chinesen in Deutschland die größte ostasiatische Einwanderergruppe in der Bundesrepublik. Ein kleiner Teil der vietnamesischen Gemeinde in Deutschland gehört den Hoa an, der chinesischen Minderheit in Vietnam.

Die vietnamesische Gemeinschaft ist zudem nicht isoliert, sondern ist u. a. durch europäische Binnenmigration mit den Vietnamesen in Tschechien und Polen stark verbunden. Ursache dafür ist auch die deutsche Rückführungspolitik in den neunziger Jahren, im Rahmen derer viele Vietnamesen nach Tschechien und Polen zogen.[4]

Bei den Ausschreitungen in Hoyerswerda (1991) und den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen (1992) wurden in Deutschland lebende Vietnamesen Opfer von rechtsextremistisch motivierter Gewalt.

Geschichte

Vietnamesischer Vertragsarbeiter in Erfurt, 1989
Gedenkstein in Hamburg mit Danksagung der vietnamesischen Flüchtlinge
Relative Häufigkeit der vietnamesischen Staatsangehörigkeit auf Kreisebene 2014 im Verhältnis zu anderen ausländischen Bevölkerungsgruppen

Größere Zahlen an vietnamesischen Zuwanderern kamen erst ab den 1970er-Jahren in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, nachdem sich die Bundesregierung bereit erklärt hatte, im Anschluss an die erste sogenannte Indochina-Flüchtlingskonferenz des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) im Juli 1979 vietnamesische Flüchtlinge (darunter viele Boat People) aufzunehmen. Das Kontingent für die Flüchtlinge wurde sukzessive auf rund 38.000 Personen aufgestockt. Ebenso wurden einige Hundert vietnamesische Kinder (zumeist Kriegswaisen) von westdeutschen Familien adoptiert.[5][6]

Vietnamesen waren auch eine der wenigen Zuwanderer-Gemeinden, die in der Deutschen Demokratischen Republik lebten. In den 1950er-Jahren wurden Studenten aus Nordvietnam in die DDR eingeladen, ab 1973 wurde die Kooperation zwischen den beiden Staaten weiter ausgebaut und etwa 10.000 Vietnamesen, meist Angehörige der sozialen Oberschicht, wurden in der DDR ausgebildet. Nach dem Ende des Vietnamkriegs, der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam und der Gründung der Sozialistischen Republik Vietnam wurden schließlich auch Menschen aus ganz Vietnam in die DDR eingeladen, die damals als besonders fortschrittlicher kommunistischer Staat galt.

Bis 1989 hatten schließlich mehr als 100.000 Vietnamesen permanent oder zeitweise in der DDR studiert, gelebt oder gearbeitet, insbesondere in Ost-Berlin, Rostock, Erfurt, Jena, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Leipzig und Dresden. Viele von ihnen waren als Vertragsarbeiter aus dem „sozialistischen BruderlandVietnam angeworben worden. Bis 1989 erreichte die Zahl der dauerhaft in der DDR lebenden Vietnamesen fast 60.000.[7] Bis zu diesem Zeitpunkt waren nach Westdeutschland ebenfalls zwischen 30.000 und 40.000 Menschen aus Vietnam eingewandert.[7]

Nach der deutschen Wiedervereinigung stieg die Zahl der Menschen ohne Arbeit in den ostdeutschen Bundesländern rasant an, darunter viele vietnamesische Vertragsarbeiter. Es kam – teils bis heute – zu Diskriminierungen, die in den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen gipfelten. Die Bundesregierung bot den damals in Ostdeutschland lebenden Vietnamesen an, die Kosten für eine Rückreise in ihre Heimat zu übernehmen, dennoch entschied sich der Großteil von ihnen zu bleiben.[8] Auch nach der Wiedervereinigung setzte sich die Einwanderung aus Vietnam nach Deutschland fort.

Heute werden Vietnamesen häufig als eine der am besten integrierten Einwanderer-Gruppen in Deutschland beschrieben, was jedoch nur schwer belegbar ist. Seit Jahren gehört Vietnam auch zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl an Asylbewerbern in Deutschland.[8] Viele von ihnen legen Wert auf gute Bildung; Kinder vietnamesischer Familien sind nicht selten gute Schüler.[9]

Die Mehrheit der Deutschvietnamesen bekennt sich heute zum Mahayana-Buddhismus, es gibt jedoch auch kleinere christlich-katholische[10] und atheistische bzw. agnostische Minderheiten. Für die vietnamesischen Buddhisten in Deutschland wurde im Jahr 1991 in Hannover die Pagode Viên Giác, eine der größten Pagoden in Europa, eröffnet.

Größere vietnamesische Gemeinden finden sich heute insbesondere in Rostock, Leipzig, Dresden, Erfurt, Berlin, München und Hannover.

Vietnamesen in Berlin

Vietnamstämmige sind in Berlin die größte ostasiatische Gemeinde und machen 1,16 % der Einwohner der Stadt aus. Gebiete mit signifikantem Bevölkerungsanteil sind vor allem im ehemaligen Ost-Berlin, so der Bezirk Lichtenberg, wo mindestens 3.800 Personen vietnamesischer Herkunft leben.[11]

Insgesamt sind 12.814 von ihnen in Vietnam geboren und haben die vietnamesische Staatsbürgerschaft,[12] 20.000 haben die deutsche Staatsbürgerschaft oder sind in Berlin geboren; es gibt auch eine unbekannte Anzahl an illegalen Einwanderern, häufig aus ländlichen Gebieten.[13] Die Gesamtzahl liegt bei 20.000 (0,6 % der Gesamtbevölkerung).[14]

Bekannte Menschen vietnamesischer Abstammung in Deutschland

Religion

In Deutschland existieren inzwischen elf vietnamesisch-buddhistische Pagoden (Chùa) (Stand: 31. Dezember 2015):

  • Chùa Phuoc Nghiem in Leipzig
  • Chùa Linh Thuu in Berlin
  • Chùa Tu An in Berlin
  • Chùa Bao Quang in Hamburg
  • Chùa Vien Giac in Hannover
  • Chùa Phuoc Duyen in Magdeburg
  • Chùa Bao Thanh in Koblenz
  • Chùa Phat Hue in Frankfurt/Main
  • Chùa Pho Bao in München
  • Chùa Tam Giac in Kirchseeon
  • Chùa Vinh Nghiem in Nürnberg

Siehe auch

Literatur

  • Martin Baumann: Migration – Religion – Integration: Buddhistische Vietnamesen und hinduistische Tamilen in Deutschland. Diagonal, Marburg 2000, ISBN 3-927165-67-0.
  • Uta Beth, Anja Tuckermann: Heimat ist da, wo man verstanden wird: Junge VietnamesInnen in Deutschland. Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2008, ISBN 978-3-940213-43-3.
  • Olaf Beuchling: Vom Bootsflüchtling zum Bundesbürger. Migration, Integration und schulischer Erfolg in einer vietnamesischen Exilgemeinschaft. Waxmann, Münster 2003, ISBN 3-8309-1278-1.
  • Olaf Beuchling: Vietnamesische Flüchtlinge in West-, Mittel- und Nordeuropa seit den 1970er Jahren. In: Klaus J. Bade, Pieter C. Emmer, Leo Lucassen, Jochen Oltmer (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Schöningh/ Fink, Paderborn/ München 2008, ISBN 978-3-506-75632-9, S. 1072–1076.
  • Kien Nghi Ha (Hrsg.): Asiatische Deutsche – Vietnamesische Diaspora and Beyond. Assoziation A, Berlin 2012, ISBN 978-3-86241-409-3.
  • Loc Ho: Vietnamesischer Buddhismus in Deutschland: Darstellung der Geschichte und Institutionalisierung. Vietnamesisch-Buddhistisches Sozio-Kulturzentrum, Hannover 1999.
  • Antonie Schmiz: Transnationalität als Ressource? Netzwerke vietnamesischer Migrantinnen und Migranten zwischen Berlin und Vietnam. Transcript, Bielefeld 2011, ISBN 978-3-8376-1765-8.
  • Karin Weiss, Mike Dennis (Hrsg.): Erfolg in der Nische?: Die Vietnamesen in der DDR und in Ostdeutschland. Lit, Berlin 2005, ISBN 3-8258-8779-0.

Rundfunkberichte

Weblinks

Commons: Vietnamesen in Deutschland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 2009.
  2. Vietnamesen in Deutschland: "Nur Bildung führt weg vom Reisfeld". auf: sueddeutsche.de.
  3. a b Bernd Wolf: The Vietnamese diaspora in Germany. (PDF-Datei; 206 kB); Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, 2007.
  4. Auf der Suche nach einem Traum. (Memento vom 11. Dezember 2013 im Internet Archive) Goethe-Institut.
  5. O. Beuchling: Vom Bootsflüchtling zum Bundesbürger. Migration, Integration und schulischer Erfolg in einer vietnamesischen Exilgemeinschaft. Waxmann, Münster 2003, S. 46–53.
  6. O. Beuchling: Vietnamesische Flüchtlinge in West-, Mittel- und Nordeuropa seit den 1970er Jahren. In: Klaus J. Bade u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Schöningh/ Fink, Paderborn/ München 2008, S. 1072ff.
  7. a b Felicitas Hillmann: Riders on the storm: Vietnamese in Germany’s two migration systems. In: Ernst Spaan, Felicitas Hillmann, A. L. van Naerssen: Asian Migrants and European Labour Markets Patterns and Processes of Immigrant Labour Market Insertion in Europe. Routledge, 2005, ISBN 0-415-36502-3, S. 80–100.
  8. a b Vietnamesen in Deutschland – Unauffällig an die Spitze. In: die tageszeitung. 22. Januar 2010.
  9. Freia Peters: Die besten deutschen Schüler stammen aus Vietnam. In: Welt Online. 6. Februar 2011.
  10. Martin Baumann: Migration – Religion – Integration: Buddhistische Vietnamesen und hinduistische Tamilen in Deutschland. Diagonal, Marburg 2000, ISBN 3-927165-67-0.
  11. Ausländer in Lichtenberg in: Berlin.de.
  12. Melderechtlich registrierte Ausländer im Land Berlin am 31. Dezember 2009 (PDF-Datei), Amt für Statistik Berlin-Brandenburg.
  13. Tanja Buntrock, Susanne Vieth-Entus, Sidney Gennies: Wie Vietnamensen in Berlin leben. In: Der Tagesspiegel, 16. September 2013, abgerufen am 29. Januar 2014.
  14. Die vietnamesische Diaspora in Berlin (PDF). In: GIZ.de.