Wasserkirche

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Die Wasserkirche auf der Altartafel von Hans Leu dem Älteren, Ende 15. Jahrhundert
Der Chor der Wasserkirche mit dem Zwingli-Denkmal und dem an die Kirche angebauten Helmhaus
Grossmünster (Grablege), Wasserkirche (Hinrichtungsstätte) und Fraumünster (Reliquien) bildeten im Mittelalter eine Prozessionsachse, ausgehend vom Lindenhof, im Herzen der Stadt Zürich. Murerplan von 1576.
Sicht vom Karlsturm des Grossmünsters auf Wasserkirche und Helmhaus, im Hintergrund die Limmat, im Vordergrund das Limmatquai, rechts die Münsterbrücke

Die Wasserkirche ist eine Kirche am rechten Ufer der Limmat in der Altstadt in der Schweizer Stadt Zürich.

Ursprünglich stand die Kirche auf einer kleinen Insel in der Limmat, woraus der Name herkommt. Heute wird die Kirche nur noch auf einer Seite von der Limmat begrenzt, da bei der Aufschüttung des Limmatquais die Insellage zerstört wurde. Vor der Reformation spielte die Wasserkirche eine wichtige Rolle für die Verehrung der Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula, da sie deren Hinrichtungsstätte bezeichnete.

Geschichte

Vor der Reformation

Archäologische Funde in der Krypta der Wasserkirche lassen darauf schliessen, dass sich bereits im Altertum eine religiöse Kultanlage auf der kleinen Insel in der Limmat befand. Der Legende nach sollen um 300 n. Chr. die späteren Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula auf einem Findling auf der Insel hingerichtet worden sein. Sie waren als Angehörige der Thebäischen Legion zum Christentum übergetreten und starben deswegen den Märtyrertod.

Wohl um das Jahr 1000 wurde auf der Insel eine kleine romanische Kirche errichtet, die zusammen mit dem Grossmünster und dem Fraumünster eine Prozessionsachse zur Verehrung der Heiligen Felix und Regula bildete. Zentraler Kultort in der Wasserkirche war der Hinrichtungsstein, der heute noch in der Krypta erhalten ist. Urkundlich erwähnt wird eine ecclesia Aquatica Turicensi (Latein, sinngemäss: Wasserkirche Zürich) erstmals 1250. Der deutsche Name wazzirkilcha erscheint erst 1256 in einer anderen Urkunde.

Die frühe Bedeutung der Kirche ist unklar. Die Annahme, dass sie die älteste Kirche Zürichs sei, scheint widerlegt durch ihre schlechte Dotierung, die nicht einmal für einen ständigen Priester reichte. Eine These besagt, dass die Gerichtsstätte vor der Kirche, das sogenannte Stangen- oder Volksgericht, darauf hinweise, dass die Wasserkirche ursprünglich die Taufkirche des Grossmünsters war. Eine ähnliche Situation bestand in Basel mit der St. Johanneskapelle. 1256 gelangte die Wasserkirche jedenfalls durch Vergabung der Grafen von Kyburg und der Ritter von Hottingen an die Propstei des Grossmünsters.

Im 13. Jahrhundert wurde die romanische Wasserkirche im gotischen Stil umgebaut. Vom romanischen Vorgängerbau sind nur wenige Reste erhalten. Bereits 1477 entschloss sich der Stadtrat von Zürich, die Wasserkirche abzureissen und ihrer Bedeutung angemessen in prunkvollerem Stil neu aufzurichten. Unter dem Baumeister Hans Felder entstand der heutige spätgotische Bau, der um 1486 geweiht wurde. Die Innenräume wurden mit kostbaren Fresken und Verzierungen ausgestattet, die nur als Fragmente erhalten sind. Beim Bau wurde eine schwefelhaltige Quelle entdeckt, der Heilkräfte zugeschrieben wurden. Als «Gesundbrunnen» diente die Quelle danach den Pilgern zur Heilung von Krankheiten und Beschwerden. Seit ihrer Neuerrichtung diente die Kirche auch als Aufbewahrungsort für die im Schwabenkrieg und den Mailänder Kriegen von Zürich erbeuteten Banner.

Während der Reformation wurden 1524 die Bilder, Altäre und die Orgel aus der Wasserkirche entfernt. Die erbeuteten Banner gelangten ins Zeughaus, die Heilquelle wurde zugeschüttet. Das Gebäude diente danach als Lagerhaus und wurde deshalb mit zwei Zwischenböden versehen – die langen, hohen Spitzbogenfenster in zwei kleinere Fenster unterteilt. Im Erdgeschoss fand zeitweise ein Markt statt.

Stadtbibliothek

1634 wurde die Wasserkirche erneut umgenutzt. Sie wurde zur «Gemeinen Bürger-Bücherei» umgestaltet, der ersten Stadtbibliothek von Zürich. 1717 liess der Stadtrat die Zwischenböden ausbrechen und das Innere mit einer barocken hölzernen Galerie versehen. Damit wurde die Höhenwirkung des Gebäudes wiederhergestellt. 1791 wurde auch die Quelle erneut gefunden. 1839 wurde beim Neubau des Limmatquais der Wassergraben zwischen der Insel und der Stadt endgültig zugeschüttet. Die Stadtbibliothek zog aus der Kirche erst 1917 wieder aus, als die Gebäude der neuen Zentralbibliothek am Zähringerplatz eingeweiht wurden. Dort sind noch einzelne Objekte des Bibliotheksmobiliars der Wasserkirche zu sehen.

Wiederherstellung als Kirche

1928 und 1940 wurde die Wasserkirche nach langem Streit gründlich renoviert, wobei man versuchte, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Die ursprüngliche Fenstereinteilung wurde rekonstruiert, die Zwischenböden entfernt und das nördlich angebaute sogenannte «Wasserhaus» abgerissen. Dabei wurden die barocken Holzgalerien der Bibliothek zerstört. Drei Fenster des Chors wurden von Augusto Giacometti gestaltet. Seither wird die Kirche wieder als evangelisch-reformiertes Gotteshaus genutzt.

Ausstattung

Glocke

Im Dachreiter hängt eine Glocke im Ton c″.

Orgel

Blick auf die Orgel

Die Orgel wurde 1943 durch Orgelbau Kuhn erbaut. Das Schleifladen-Instrument hat 28 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind pneumatisch.[1][2]

I Rückpositiv C–g3
Salicet 8′
Gedackt 8′
Principal 4′
Rohrflöte 4′
Sesquialtera II 22/3
Superoctave 2′
Waldflöte 2′
Larigot 11/3
Cimbel III–IV 11/3
Regal 16′
Schalmey 8′
Tremulant
I Hauptwerk C–g3
Quintatön 16′
Principal 8′
Gemshorn 8′
Hohlflöte 8′
Octave 4′
Nachthorn 4′
Octave 2′
Mixtur IV 11/3
Trompete 8′
Pedalwerk C–f1
Subbass 16′
Gedackt 16′
Praestant 8′
Rohrflöte 8′
Choralbass 4′
Mixtur V 4′
Fagott 16′
Zinke 8′

Krypta

Die Krypta der ersten, im 10. Jahrhundert errichteten Wasserkirche, war als Unterkirche rund um einen Findling gebaut, der als Hinrichtungsstein von Felix und Regula verehrt wurde. Nach Umbauarbeiten in der Krypta wegen eindringenden Wassers und Erweiterungen der Oberkirche war der verehrte Stein bald nur noch über einen Schacht zugänglich. Weiter finden sich in der Krypta noch Gräber von Adligen aus dem frühen 11. Jahrhundert.[3][4]

Ab 1940 wurden erstmals Grabungen in der Krypta durchgeführt. Seit 1988 ist die Krypta der Wasserkirche öffentlich zugänglich. In den Jahren 2004 und 2005 wurden erneut archäologische Untersuchungen durchgeführt. 2006 wurde die archäologische Ausstellung in der Krypta wiedereröffnet.[5]

Helmhaus

Ansicht von der Wühre auf das Helmhaus, im Vordergrund die Münsterbrücke

Das Helmhaus ist auf der nördlichen Seite an die Wasserkirche angebaut. Urkundlich wurde es erstmals 1253 als Gerichtsstätte erwähnt. Die Lage auf einer Insel, bei einer Quelle und einer wohl bereits vorchristlichen Kultstätte lässt vermuten, dass die Gerichtsstätte eine lange Tradition aufweist.

Ursprünglich war das Helmhaus nur eine gedeckte Erweiterung der Münsterbrücke vor der Wasserkirche. 1563/1564 wurde durch Conrad Bodmer ein grösseres Holzgebäude errichtet, um dem ebenfalls hier abgehaltenen Leinwandmarkt mehr Platz zu verschaffen. In der Markthalle im Erdgeschoss befand sich das Urmass der Zürcher Elle und eine Statue des Erbauers, die heute im Schweizerischen Landesmuseum zu besichtigen ist. Das heute noch bestehende Steingebäude erbaute Hans Conrad Bluntschli d. Ä. 1791–1794. Die Situation des Gebäudes veränderte sich 1838 durch den Neubau der Münsterbrücke drastisch, da seither die Strasse vor dem Helmhaus verläuft und nicht mehr durch das Erdgeschoss hindurch. Der immer noch sichtbare breitere Bogen auf der Limmatseite war der ursprüngliche Durchlass für die Strasse.

Heute ist das Helmhaus ein bedeutendes Museum für zeitgenössische Kunst, das vor allem Werke Schweizer Künstler oder von Künstlern, die in der Schweiz leben, zeigt.

Wasserhaus

An der Ostseite der Wasserkirche war bis 1940 das Wasserhaus angebaut. Ursprünglich stand ein Waaghaus, das nachweislich 1570 durch ein Kaufhaus ersetzt wurde. Der Name «Wasserhaus» rührt von seiner Lage über dem Wasser zwischen der Kirche auf der Insel und der damaligen Reichsstrasse (heute Limmatquai). 1794 wurde das Gebäude abgerissen und neuer Anbau für die Bürger-Bibliothek errichtet, der 1940 entfernt wurde, um die Ostseite der Wasserkirche freizulegen und das Limmatquai zu erweitern.

Zwingli-Denkmal

Einweihung des Zwingli-Denkmals 1885

1885 wurde ausserhalb der Kirche in der Verlängerung des Chors ein Huldrych Zwingli geweihtes Denkmal eingeweiht; das 400. Jubiläum seines Geburtstags verpasste man knapp. Geschaffen wurde die überlebensgrosse Skulptur vom österreichischen Bildhauer Heinrich Natter. Zwingli wurde als Kriegsmann und Reformator dargestellt, der in seinen Händen ein Schwert und eine Bibel hält, was auch an seinen Tod im Krieg erinnert.[6] Ergänzend zum Denkmal, das nur Name und Lebensdaten bekanntgab, wurde 2005 eine Informationstafel mit einigen weiteren Informationen zum Zürcher Reformator und seiner Bedeutung für die Stadt angebracht.[7]

Der Platz des Zwingli-Denkmals hinter der Kirche wurde auch als Standort für eine Gedenktafel für die 75 Frauen und vier Männer, die zwischen 1478 und 1701 in Zürich als Hexen zum Tode verurteilt wurden, vorgeschlagen. Von diesem Ort – der damals aber noch mitten in der Limmat lag – seien sie wie andere Angeklagte in den Wellenberg überführt worden, wo sie eingesperrt und gefoltert wurden, bevor man sie verbrannte.[8][9]

Bilder

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Escher: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Band. IV, Die Stadt Zürich, Erster Teil. Basel 1939, S. 300–310.
  • Dieter Nievergelt, Jürg E. Schneider: Wasserkirche und Helmhaus zu Zürich. (Schweizerischer Kunstführer, Serie 44, Nr. 435/436). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 2003, ISBN 978-3-85782-435-7.
  • E. Vogt und H. Herter: Wasserkirche und Helmhaus in Zürich. Baugeschichte im Auftrag der Stadt Zürich verfasst von E. Vogt und H. Herter. Zürich 1943.
  • Ulrich Helfenstein: Geschichte der Wasserkirche und der Stadtbibliothek in Zürich. Mit Wiedergabe des Originaltitels von Salomon Vögelin aus dem Jahre 1848. Zürich 1961.

Weblinks

Commons: Wasserkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zur Orgel im Orgelverzeichnis Zürich.
  2. Orgelporträt auf der Website der Erbauerfirma, abgerufen am 6. Mai 2014.
  3. Wasserkirche – Hinrichtungsstätte. In: Eine Stadt und ihre Märtyrer. Universität Zürich, Philosophische Fakultät, abgerufen am 6. November 2013.
  4. Wasserkirche Archäologische Krypta. (PDF; 394 kB) In: Stadtarchäologie. Abgerufen am 6. November 2013.
  5. Wasserkirche Krypta. In: Stadtarchäologie. Abgerufen am 6. November 2013.
  6. Regine Schindler: Alexander Schweizer und die Zürcher literarischen Kreise. In: Emidio Campi, Ralph Kunz, Christian Moser (Hrsg.): Alexander Schweizer (1808-1888) und seine Zeit. Theologischer Verlag Zürich, Zürich 2008, ISBN 978-3-290-17493-4, S. 317–346 (Auszüge auf Google Books).
  7. Geburtstagsgeschenk für Zwingli. Pressecommuniqué. In: Reformierte Kirche Kanton Zürich. , abgerufen am 5. November 2013.
  8. Hélène Arnet: Denkmal für die Zürcher Opfer von Hexenverfolgungen. In: Tages-Anzeiger. 5. November 2013, abgerufen am 5. November 2013.
  9. Otto Sigg: Hexenprozesse mit Todesurteil: Justizmorde der Zunftstadt Zürich. 2. Auflage. Selbstverlag, Zürich 2013, ISBN 978-3-907496-79-4.
  10. Martin Germann: Arte et Marte : durch Wissenschaft und Waffen : die Gründungsidee der Bürgerbibliothek Zürich (1629). In: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1981. S. 25–45.

Koordinaten: 47° 22′ 10,7″ N, 8° 32′ 35,5″ O; CH1903: 683428 / 247120