Winter of Discontent

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. September 2014 um 15:34 Uhr durch Dexbot (Diskussion | Beiträge) (Bot: entferne Vorlage:Link GA, da die Auszeichnungen nach Wikidata übertragen wurden). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Bezeichnung Winter of Discontent (englisch für Winter der Unzufriedenheit) für den Winter von 1978–79 im Vereinigten Königreich geht auf die Eingangszeilen von William Shakespeares Drama Richard III. zurück: Vorlage:"-en. (In der klassischen Übersetzung von Richard III. durch August Wilhelm Schlegel lautet Shakespeares Wendung „Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens“.)[Anm. 1]

Sie wurde erstmals von Larry Lamb, dem damaligen Chefredakteur der Zeitung The Sun, in einem Leitartikel zu den Streiks dieses Winters verwendet.

Anfang 1977 kam der britische Schatzkanzler Denis Healey nicht umhin, zur Vermeidung eines finanziellen Ruins seines Landes harte wirtschaftspolitische Auflagen seitens des IWF in Washington zu akzeptieren, als Gegenleistung für einen 3,9-Milliarden-Dollar-Kredit. Der derart aufgezwungene Sparkurs war innerhalb der Regierungspartei Labour umstritten, da speziell vom linken Parteiflügel dessen Aufgabe gefordert wurde, nachdem Gewinne durch neuentdeckte Ölfelder in der Nordsee das Problem zu lösen schienen.[1]

Eine Zusammenarbeit zwischen der Labour-Regierung und den Gewerkschaften hatte zu jener Zeit mit dem Ziel der Bekämpfung einer problematischen Inflation − 1977 betrug sie 17 Prozent − in einem Sozialvertrag bestanden, dessen zweite Phase, die den durchschnittlichen Lohnzuwachs bei 4,5 Prozent halten sollte, im Juli 1977 auslief und eigentlich verlängert werden sollte. Gewerkschaftsführer Jack Jones konnte allerdings selbst mit einem ernstgemeinten Appell an die Vernunft der Organisierten nicht verhindern, dass nun wieder Forderungen nach Lohnerhöhungen um bis zu 90 Prozent im Raum standen. Premierminister James Callaghan musste eingestehen: „Der Sozialvertrag ist kaputt.“[2]

Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg sank 1977 der Lebensstandard[3] und es kam im Winter 1978–79 zu ausgedehnten Streiks der Gewerkschaften, die Lohnsteigerungen und die Einführung einer 35-Stunden-Woche forderten. Die Streiks waren die Reaktion auf den fortgesetzten Versuch der Regierung der Labour Party unter Premierminister James Callaghan, die Lohnsteigerungen unter 5 Prozent zu halten. Arbeiter des Automobilherstellers Ford legten die Arbeit für mehr als zwei Monate nieder und brachten damit die Firma zum Stillstand – was schließlich in einer Lohnerhöhung von 16 Prozent resultierte. Moss Evans, ein Mann mit eher beschränktem Verständnis größerer wirtschaftlicher oder politischer Zusammenhänge,[4] war 1978 Jack Jones als Generalsekretär der mächtigen Transportarbeitergewerkschaft nachgefolgt und hatte seinen Wahlkampf hierfür hauptsächlich mit der Forderung nach völlig freien Tarifverhandlungen ohne Einmischung der Regierung bestritten.[5] Aus der Sicht der Öffentlichkeit wurden die Gewerkschaften zunehmend zum „eigentlichen Beherrscher von Land und Wirtschaft“.[6] Mit dem sogenannten „secondary picketing“ wurden durch Blockade von Hafenausfahrten, Betriebsgeländen und Lagerhallen auch solche Bereiche betroffen, die schwerlich in einen Arbeitskampf hineinzuziehen waren.[7] Mehrere Wochen streikten sogar die Totengräber, so dass keine Beerdigungen möglich waren. Die Streikaktionen der Müllabfuhr führten zu großen Müllhalden in öffentlichen Parks.

Letztlich führten diese Streiks zum Rücktritt von James Callaghan und zum Wahlsieg von Margaret Thatcher am 3. Mai 1979. Dieser Regierungswechsel läutete eine konservative Ära ein (Thatcher bis November 1990; John Major bis Mai 1997). Der Regierungswechsel im Jahr 1979 gilt allgemein auch als das Ende des sogenannten „Nachkriegskonsens“.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

Einzelnachweise
  1. Volle Kassen, Der Spiegel, Nr. 41/1977
  2. Zum Teufel, Der Spiegel, Nr. 29/1977 S. 92−94
  3. Lewis Baston u. Anthony Seldon: Das Ende des konservativen Jahrhunderts, in: Hans Kastendiek u. a. (Hrsg.): Großbritannien. Campus Verlag, 2. Aufl. Frankfurt / New York 1999, ISBN 3-593-36193-0, S. 269
  4. Kenneth O. Morgan: Britain Since 1945. The People's Peace, Oxford University Press, 3. Aufl. Oxford u. a. 2001, ISBN 0-19-280225-9, S. 415
  5. Wilfried Kratz: Wenn die Dämme brechen, Die Zeit, 19. Januar 1979, Nr. 04 [1]
  6. Das kranke England, Der Spiegel 6/1979, S. 167
  7. Rudolf Walter Leonhardt: England in Not, Callaghan hilflos, Die Zeit, 26. Januar 1979, Nr. 05 [2]
Anmerkungen
  1. Darauf griff Stefan Heym zurück, als er die Zeit zwischen der Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR am 16. November 1976 und dem Heiligabend desselben Jahres als Der Winter unsers Mißvergnügens bezeichnete und in seinem gleichnamigen Buch beschrieb. (Heym: Der Winter unsers Mißvergnügens. Aus den Aufzeichnungen des OV Diversant. München 1996, ISBN 3-442-72366-3.) Darin präsentierte Heym eigene Aufzeichnungen und Stasi-Unterlagen, überwiegend zu den Diskussionen von DDR-Intellektuellen und ihrer Bespitzelung durch die Stasi. Im Rückblick deutete er nach 20 Jahren die Erfahrungen jener Wochen als erste Anzeichen für die Wende von 1989 und das Ende der DDR:

    „Und doch – in jenem Winter unsers Mißvergnügens war etwas Neues entstanden. Ein Bruch hatte sich gezeigt in dem scheinbar so fest gefügten System, ein Bruch, der nicht mehr verdeckt werden konnte, ein innerer Widerstand, […] ankündigend das Ende des real existierenden Sozialismus […], das Ende dieser mißratenen Revolution, dieser Republik ohne eigene Legitimierung.“

    Heym: Winter …, S. 14.