„Sebastian Edathy“ – Versionsunterschied
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Version vom 16. März 2014, 18:49 Uhr
Sebastian Edathy (* 5. September 1969 in Hannover als Sebastian Edathiparambil)[1] ist ein deutscher Politiker (SPD). Er gehörte von 1998 bis 2014 dem Deutschen Bundestag an. Dort war er von 2005 bis 2009 Vorsitzender des Innenausschusses, von 2009 bis 2013 Mitglied des Rechtsausschusses. Ab 2012 leitete er den Untersuchungsausschuss zur Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund. Zum 7. Februar 2014 legte er sein Mandat kurz vor dem Bekanntwerden der Edathy-Affäre nieder.[2][3]
Leben
Edathy wurde in Hannover als Sohn des aus Kerala in Indien stammenden lutherischen Pastors Mathew Edathiparambil und dessen deutscher Frau[1] geboren. Nach dem Abitur 1989 am Gymnasium Stolzenau leistete Edathy den Zivildienst ab und absolvierte anschließend ein Studium der Soziologie und der deutschen Sprachwissenschaft an der Universität Hannover, das er als Magister Artium beendete. Sebastian Edathy ist ledig und wohnhaft in Rehburg-Loccum.
Arbeit für die Partei
Seit 1990 ist Edathy Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war er Vorsitzender der Jusos im Landkreis Nienburg. Seit 1993 gehört er dem Vorstand des SPD-Unterbezirks Nienburg an. Edathy war von 1990 bis 1993 Mitarbeiter der niedersächsischen Landtagsabgeordneten Bärbel Tewes und von 1993 bis 1998 persönlicher Referent des Bundestagsabgeordneten Ernst Kastning.
Abgeordneter
Von 1998 bis zum 7. Februar 2014 war Edathy Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort gehörte er seit 2000 dem Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion an. Von 2000 bis 2005 war er Sprecher der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus der SPD-Fraktion. Er gehörte dem Netzwerk Berlin an. Von 2005 bis 2009 war Edathy Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. In der 17. Wahlperiode war er Mitglied des Bundestags-Rechtsausschusses. Seit 1998 ist er Mitglied des parlamentarischen Beirates des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Von 2003 bis 2007 war er Vorsitzender der deutsch-indischen Parlamentariergruppe, von 2007 bis 2009 leitete er die deutsch-südasiatische Parlamentariergruppe (zuständig für Afghanistan, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka). In der 17. Wahlperiode saß er von 2009 bis 2011 wieder der deutsch-indischen Parlamentariergruppe vor.
Von 2010 bis 2011 war Edathy stellvertretender Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses „Gorleben“ und Mitglied der SPD-Arbeitsgruppe „Gorleben“ in der SPD-Bundestagsfraktion.
Edathy ist stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Nienburg II – Schaumburg in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte er dort 44,64 % der Erststimmen (1998: 51,8 %, 2002: 53,9 %, 2005: 51,6 %, 2009: 41,39 %).
Seit Januar 2012 war Edathy Vorsitzender des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode „Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund“ und Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages untersuchte die neonazistischen Verbrechen der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund und das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung und Verhinderung der Verbrechen.[4]
Am 8. Februar 2014 teilte Edathy mit, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen dazu entschieden, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Über diese Entscheidung hat er am 7. Februar 2014 den Bundestagspräsidenten informiert. Der Mandatsverzicht ist damit wirksam geworden.[3] Für ihn rückte Gabriele Groneberg in den Bundestag nach.
Politische Positionen
Staatsbürgerschaftsrecht
Im August 2008 bezeichnete Edathy in einem Interview mit der Zeitung Die Welt die Vorstellungen der CDU zur Ausgestaltung des Staatsbürgerschaftsrechts als von „Biologismus und völkischer Ideologie“ geprägt.[5] In der Debatte um das sogenannte Optionsmodell hatten sich mehrere Unionspolitiker für die Wiedereinführung des Abstammungsprinzips (lateinisch ius sanguinis) ausgesprochen. Erst im Jahr 2000 war das Staatsbürgerschaftsrecht mit der Einführung des Geburtsortsprinzips (lateinisch ius soli) geändert worden. Edathy verwies bei seiner Anspielung auf das Erstarken völkischen Denkens in konservativen Kreisen nach der Gründung des Deutschen Reiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Als Folge seiner Äußerung wurde von Seiten der christdemokratischen Bundestagsabgeordneten Kristina Schröder der Rücktritt Edathys als Vorsitzender des Innenausschusses gefordert; gleichzeitig ging ein Protestschreiben der Union an SPD-Fraktionschef Peter Struck. Edathy erklärte seine Vorwürfe gegen die Union Anfang September 2008 in der Leipziger Volkszeitung.[6] Völkisches Denken habe seine Wurzeln in der deutschen konservativen Politik des 19. Jahrhunderts, habe jedoch zuvor nicht als Leitmotiv für Fragen des Staatsangehörigkeitsrechtes Verwendung gefunden.
Vorratsdatenspeicherung
Edathy unterstützte 2007 das 2010 für verfassungswidrig erklärte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.
Kontroversen
Urheberrechtsverletzung
Im September 2011 wurde bekannt, dass Edathy auf seiner Facebook-Seite Hinweise eines Benutzers auf mögliche Urheberrechtsverletzungen durch das Präsentieren von Fotos verschiedener Politiker auf seiner Facebook-Seite mit den Worten „verklagen Sie mich doch“ und schließlich mit „Sie können mich mal kreuzweise“ beantwortet hatte. Die Onlineausgabe der Zeitschrift Journalist[7] sowie weitere Medien kritisierten sein Vorgehen.[8] Edathy lehnte eine Entschuldigung ab, kündigte aber an, „zukünftig auf Fotos Dritter zu verzichten.“[9]
„Edathy-Affäre“
Am 10. Februar 2014 durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft Hannover Wohnungen und Büros Edathys. Die Staatsanwaltschaft teilte vier Tage später mit, Edathy habe nach ihren Erkenntnissen Material im „Grenzbereich zu dem, was Justiz unter Kinderpornografie versteht,“ über das Internet bestellt.[10] Das Bundeskriminalamt stufte in einer ersten Auswertung des sichergestellten Materials nichts davon als eindeutig kinderpornografisch ein.[11] Bereits im Zuge erster Voruntersuchungen hatte das BKA das von Edathy über das Internet bestellte Material im Oktober 2013 als „strafrechtlich irrelevant“ eingestuft.[12] Edathy dementierte zudem den Erwerb und den Besitz von kinderpornografischen Schriften.[13]
Im Zuge der Ermittlungen wurde im Februar 2014 bekannt, dass Hans-Peter Friedrich (CSU) in seiner damaligen Funktion als Bundesinnenminister im Oktober 2013 den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über die Vorwürfe gegen Edathy informiert hatte.[14][15] Am 14. Februar 2014 trat Friedrich in diesem Zusammenhang vom Amt des Bundeslandwirtschaftsministers zurück.[16] Der Parteivorstand der SPD beschloss am 17. Februar 2014 die Mitgliedsrechte Edathys ruhen zu lassen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erklärte, dass „unabhängig von strafrechtlicher Relevanz“ Vorstand und Präsidium „fassungslos“ darüber seien, dass Edathy Bilder unbekleideter Jugendlicher erworben habe. Dies ist nach Ansicht Gabriels „unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und passt nicht zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“.[17]
Im Gespräch mit dem Spiegel erklärte Edathy, mehrmals Morddrohungen erhalten zu haben und daher vorerst nicht nach Deutschland zurückkehren zu wollen.[18]
Schriften
- „Was alle betrifft, muss von allen beschlossen werden“ – Warum die Einführung des allgemeinen kommunalen Ausländerwahlrechts verfassungsrechtlich machbar und integrationspolitisch notwendig ist. In: Marvin Oppong (Hrsg.): Migranten in der deutschen Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-531-17057-2, S. 25–31, doi:10.1007/978-3-531-93316-0_2.
- mit Bernd Sommer: Die zwei Gesichter des Rechtsextremismus in Deutschland – Themen, Machtressourcen und Mobilisierungspotentiale der extremen Rechten. In: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15911-9, S. 45–57, doi:10.1007/978-3-531-91708-5_3.
- Mehr Demokratie und mehr Teilhabe. Pfeiler sozialdemokratischer Innenpolitik im 21. Jahrhundert. In: Matthias Platzeck, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier (Hrsg.): Auf der Höhe der Zeit. Soziale Demokratie und Fortschritt im 21. Jahrhundert. Vorwärts-Buch, Berlin 2007, ISBN 978-3-86602-629-2, S. 247–251, online (PDF; 54,2 KB).
- Der Feldforscher – Frank Jansen. In: Maybrit Illner, Hajo Schumacher (Hrsg.): Schmierfinken. Politiker über Journalisten. Heyne, München 2009, ISBN 978-3-453-62037-7, S. 34–38.
- „Wo immer auch unsere Wiege gestanden hat“. Parlamentarische Debatten über die deutsche Staatsbürgerschaft 1870–1999 (= ZwischenWelten. Theorien, Prozesse und Migrationen. Band 5). IKO – Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-88939-369-1.
Weblinks
- Website
- Biographie beim Deutschen Bundestag
- Sebastian Edathy auf abgeordnetenwatch.de
- Literatur von und über Sebastian Edathy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ a b Auszug aus "Einbürgerung", herausgegeben von Canan Topcu. In: Edathy.de. Sebastian Edathy, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Pressemitteilung auf seiner Homepage
- ↑ a b Gesundheitliche Gründe: Innenexperte Edathy zieht sich aus Bundestag zurück. Spiegel Online, 8. Februar 2014, abgerufen am 8. Februar 2014.
- ↑ Marcel Fürstenau: NSU-Aufklärung: Die Zeit wird knapp. In: Deutsche Welle (Onlineausgabe). 16. Januar 2013, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Thorsten Jungholt, Martin Lutz: Edathy wirft der Union völkische Ideologie vor. In: Die Welt (Onlineausgabe). 19. August 2008, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ LVZ: Edathy erneuert den Vorwurf der „völkischen Gesinnung“ an Adresse der Union / Grindel: Mit Edathy sind keine verlässlichen Absprachen möglich. In: Presseportal.de. news aktuell-Presseportal, 2. September 2008, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Heike Rost: Entgleisungen auf Facebook - „Sie können mich mal - kreuzweise!“ In: Journalist (Onlineausgabe). 9. September 2011, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Christine Kensche, Alan Posener: Warum SPD-Jungstar Edathy auf Facebook ausrastet. In: Die Welt (Onlineausgabe). 9. September 2011, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Antworten auf die Fragen des Welt-Redakteurs A. Posner. (PDF; 38 kB) In: Edathy.de. Sebastian Edathy, 11. September 2011, abgerufen am 18. Januar 2013.
- ↑ Funde bei Edathy: Staatsanwälte sprechen von „Grenzbereich zu Kinderpornografie“. Der Spiegel vom 14. Februar 2014.
- ↑ Jörg Fröhlich, Leiter der Staatsanwalt Hannover auf der Pressekonferenz am 14. Februar 2014, PHOENIX vor Ort-Video auf Youtube.
- ↑ Hans Leyendecker und Tanjev Schultz: Fall Edathy – Wie aus „strafrechtlich irrelevant“ eine Razzia wurde. sueddeutsche.de, 15. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
- ↑ Edathy weist Verdacht auf Besitz von Kinderpornos zurück. Zeit online vom 11. Februar 2014.
- ↑ Linke und FDP fordern Friedrichs Entlassung. sueddeutsche.de, 14. Februar 2014, abgerufen am 14. Februar 2014.
- ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-02/edathy-ermittlungen-staatsanwaltschaft-hans-peter-friedrich
- ↑ Agrarminister Friedrich tritt zurück, heute.de, 14. Februar 2014
- ↑ SPD-Ordnungsverfahren: Edathy droht Parteiausschluss, SPON abgerufen am 18. Februar 2014
- ↑ Kinderporno-Affäre: Morddrohungen gegen SPD-Politiker Edathy, Spiegel online, 23. Februar 2014
Personendaten | |
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NAME | Edathy, Sebastian |
ALTERNATIVNAMEN | Edathiparambil, Sebastian (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdB |
GEBURTSDATUM | 5. September 1969 |
GEBURTSORT | Hannover |