Geschichte

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Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen diejenigen Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren.[1]

Im engeren Sinne ist Geschichte die Entwicklung der Menschheit, weshalb auch von Menschheitsgeschichte gesprochen wird (im Unterschied etwa zur Naturgeschichte). In diesem Zusammenhang wird Geschichte gelegentlich synonym mit Vergangenheit gebraucht. Daneben bedeutet Geschichte als Historie aber auch die Betrachtung der Vergangenheit im Gedenken, im Erzählen und in der Geschichtsschreibung. Forscher, die sich der Geschichtswissenschaft widmen, nennt man Historiker.

Schließlich bezeichnet man mit Geschichte auch das Schulfach Geschichte, das über den Ablauf der Vergangenheit informiert und einen Überblick über Ereignisse der Welt-, Landes-, Regional-, Personen-, Politik-, Religions- und Kulturgeschichte gibt.

Einführung

Wenn man Geschichte als Vergangenheit betrachtet, lassen sich folgende Bereiche unterscheiden:

  • Die Geschichte des Universums: Sie wird von Astronomen, Astrophysikern, Geologen, Biologen und anderen Naturwissenschaftlern betrachtet (Urknall, Kosmologie, Erdgeschichte, Naturgeschichte), nicht von Historikern. Dies betrifft auch die Entstehung des Homo sapiens.
  • Die Geschichte des Menschen: Damit setzt eine Entwicklung ein, die kulturelle Faktoren beinhaltet. Der Mensch veränderte von jeher seine Umwelt, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. Diese Art Geschichte ist Gegenstand von Archäologie, Ethnologie und Sozialgeografie. Zeiträume, aus denen keine Schriftquellen vorliegen, werden als Urgeschichte, Perioden mit nur sehr wenigen (meist nicht einheimischen) Schriftquellen als Frühgeschichte bezeichnet.
  • Die Geschichte des Menschen seit der Erfindung der Schrift (im 4. Jahrtausend v. Chr.).

Nur die Geschichte in diesem dritten, engsten Bereich ist Gegenstand der Geschichtswissenschaft mit ihrer spezifischen Methode, denn erst über Schriftzeugnisse wird das fassbar, was der Mensch aus dem Erfahrenen als seine Geschichte versteht und wie er sich diese angeeignet hat. Im Mittelpunkt der Beschäftigung mit Geschichte, der Erkundung (griechisch: Historie) der Vergangenheit, stehen dabei die Quellen, d. h. zeitnahe schriftliche Aufzeichnungen und Dokumente.

Dabei ist zu unterscheiden zwischen Geschichte als Geschehen und dem Geschichtsbewusstsein, dem Bild des Gewesenen, das sich einerseits im Selbstverständnis der historischen Personen widerspiegelt, andererseits sich bei der Erforschung und Darstellung aufgrund der vorhandenen Überlieferungen für den Betrachter ergibt, der das Geschehen zu erfassen versucht (vgl. Geschichtsschreibung und Geschichte der Geschichtsschreibung). Diese nachträgliche Geschichtserkenntnis gründet sich auf Überreste und Tradition. Solche Erkenntnis ist allerdings nie völlig objektiv, sondern abhängig von der historischen Situation, der Perspektive des Betrachters und den verfügbaren Quellen. Eine bestimmte Perspektive gegen andere Perspektiven durchzusetzen (aber auch der Versuch, Multiperspektivität zu ermöglichen) ist Sache der Geschichtspolitik.

Dagegen hat sich Geschichtsdidaktik die Aufgabe gestellt, den Zugang zu den wichtigsten Bereichen von Geschichte zu erleichtern und ein mehrdimensionales Geschichtsbewusstsein zu ermöglichen. Der Geschichtsunterricht ist der Versuch der praktischen Umsetzung von Geschichtsdidaktik. Im Idealfall sollen inhaltlich nicht nur die bisherigen Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft, sondern zumindest in Ansätzen auch historisch-kritische Methodenkenntnisse vermittelt werden – dies umso mehr, als das in der Schule vermittelte Geschichtswissen an sich stets nur eine Rekonstruktion ist, die keinen Wahrheitsanspruch erheben kann.

Einen Zugriff auf Geschichte von den verschiedenen Geschichtsräumen und Nationalgeschichten aus verschafft das Portal:Geschichte. Den Zugriff auf spezifische Sachbereiche der Geschichte ermöglichen die verschiedenen Disziplinen der Geschichtswissenschaft.

Betrachtungsweisen und Funktionen der Geschichte

Gordon A. Craig sagte 1981 in Münster:[2]

„Denn Geschichte ist nicht „exakte Wissenschaft“ – sie ist eine humanistische Disziplin. Ihr Hauptgegenstand sind Menschen, und Geschichte ist, wie Thukydides vor langer Zeit sagte, das Studium nicht von Umständen, sondern von Menschen in Umständen. Wer das vergißt, weil er in sein eigenes spezielles Interessengebiet verliebt ist oder fasziniert von den modellbildenden Aktivitäten und Idealtypen der Behaviouristen, kann nur als einfältig bezeichnet werden.“

Gordon A. Craig

Wissenschaftliche Betrachtungsweisen

Leopold von Ranke gilt als einer der Gründerväter der modernen Geschichtswissenschaft, der sich um eine möglichst große Objektivität bei der Wiedergabe der Geschichte bemühte.

Geschichte kann als Resultat wissenschaftlicher Forschung gesehen werden. Mitunter wird vorgeschlagen, die Darstellung der Ergebnisse und Zusammenhänge als eine künstlerische Tätigkeit zu betrachten. Der Historiker soll dem Leser auf eine nachvollziehbare, objektive und überzeugende Weise den Gang der Ereignisse sowie deren Ursachen und Wirkungen, ein alltagsweltliches Geschichtsbewusstsein präsentieren. Die Geschichtsphilosophie versucht, den Gang der Handlungen in einen übergeordneten Zusammenhang, ein Geschichtsbild, zu bringen. Das ist vorwiegend der Ansatz der Geisteswissenschaften. Wesentliche Ordnungskriterien- und Hilfsmittel dabei sind Chronologie und Periodisierung.

Die Erforschung der Geschichte der Natur oder die Erdgeschichte wird größtenteils von der Naturwissenschaft betrieben. Hier geht es hauptsächlich darum, auf Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnismethoden die Naturgeschichte beziehungsweise die Geschichte der Erde nachvollziehbar zu machen.

Einen weiteren Ansatz verfolgt die Historiometrie, welche zeitliche Geschehnisse in einer metrischen Übersicht darzustellen versucht.

Geschichte als Konstruktion

Die Geschichtswissenschaft diskutiert auch die Frage, wie weit das von ihr entworfene Bild von der Vergangenheit überhaupt in der Lage ist, die tatsächliche Vergangenheit abzubilden. Das bezieht sich nicht allein auf die Unmöglichkeit, historische Situationen und Prozesse in ihrer Gesamtheit oder Totalität abzubilden, sondern hängt auch mit Zweifeln in ihre Quellen (ganz abgesehen von den Fälschungen) zusammen. Während man im 19. Jahrhundert bemüht war, gegensätzliche Aussagen aus verschiedenen Quellen weitestgehend zu harmonisieren, findet man sich heute eher damit ab, dass der vergangene Sachverhalt bis zum Fund neuer Quellen unrekonstruierbar verschwunden ist. Bekanntes Beispiel für diesen Wandel ist die Darstellung der Krönung Karls des Großen in Rom zum Kaiser, die in den päpstlichen Quellen anders geschildert wird als in den Quellen, die nördlich der Alpen entstanden sind. Während in diesem Falle die Nichtrekonstruierbarkeit angesichts sich widersprechender Quellen heute allgemein akzeptiert wird, ist es bei Quellen, denen keine abweichende oder von ihr unabhängige Darstellung gegenübersteht, eine viel diskutierte Frage, ob das Bild, das auf Grund dieser Quellen von der Vergangenheit gezeichnet wird, nicht eine Konstruktion ist, die mit den wirklichen Geschehnissen wenig oder möglicherweise nichts zu tun hat. Hier können der Prozess Jesu oder die Hintergründe der konstantinischen Wende als Beispiel dienen. Dabei wird zum einen die Frage diskutiert, ob der Versuch einer Rekonstruktion in derartigen Fällen nicht ebenfalls unterbleiben sollte, und zum anderen, ob eine solche Unterscheidung zwischen „wirklicher“ und „rekonstruierter“ Wirklichkeit überhaupt einen Sinn hat und ob nicht die Maxime genügt, dass die rekonstruierte Geschichte so lange als Wirklichkeit gilt, bis neue Erkenntnisse eine Korrektur erfordern.

Der Annales-Historiker Fernand Braudel beschrieb Grenzen der Objektivität, denen alle unterliegen, die Geschichte darstellen, einmal so: „In der Tat tritt der Historiker niemals aus der Dimension der geschichtlichen Zeit heraus; die Zeit klebt an seinme Denken wie die Erde am Spaten des Gärtners. Trotzdem träumt er davon, sich ihr zu entziehen.“[3]

Historische Rekonstruktion mit sprachlichen Mitteln

Das Bemühen um wissenschaftliche Rekonstruktion von Geschichte kommt – schon allein wegen der sprachlichen Bestimmtheit ihrer Vermittlung – nicht ohne konstruierende Anteile aus. Der Rohstoff der Geschichte, die Gesamtheit des Vergangenen, kann erst durch Benennung, Bewertung und geistige Ordnung im Medium der Sprache sichtbar bzw. begreiflich gemacht werden. Demnach ist Geschichte (auch) das Erzeugnis der Historiker und der sich auf die Vergangenheit besinnenden Menschen. „Nur soweit diese Besinnung stattfindet und sich artikuliert, gibt es Geschichte. Außerhalb dieses Bereichs ist nur noch Gegenwart ohne Tiefendimension und totes Material.“[4]

Künstlerische Betrachtungsweisen

Indem die Darstellung der Geschichte auch als eine künstlerische Aufgabe betrachtet werden kann, kommt es umgekehrt zur künstlerischen bzw. literarischen Verarbeitung von geschichtlichen Themen, ohne dass vorrangig ein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse besteht. So sind zum Beispiel das Drama Wallenstein von Friedrich von Schiller oder der Torquato Tasso von Johann Wolfgang von Goethe literarische Werke auf der Grundlage des historischen Stoffes, ohne zugleich als Geschichtswerke im wissenschaftlichen Sinn verstanden werden zu können.

Neben den literarischen Betrachtungsweisen gibt es Formen künstlerischer Auseinandersetzung mit Geschichte auch in der bildenden Kunst, speziell in der Historienmalerei, mitunter auch in monumentalen Formen wie im Falle des Bauernkriegspanoramas.

Geschichtspolitik

Haus der Geschichte in Bonn

Die gezielt von politischen Interessen geleitete Darstellung von Geschichte ist Gegenstand der Geschichtspolitik, die auch von manchen Historikern aktiv mit betrieben wird. Geschichtspolitik dient der Einflussnahme auf die allgemeine Meinungsbildung in der Gesellschaft, insbesondere in totalitären Systemen. Sie hat in Abhängigkeit vom politischen System zeittypische Auswirkungen auf Geschichtsdidaktik und Geschichtspädagogik, insbesondere Geschichtsunterricht, Museumspädagogik und Gedenkstätten.

Die Mittel von Geschichtspolitik sind vielfältig. Zu den diesbezüglichen Begriffen gehören: Geschichtlichkeit, Geschichtsbewusstsein, Geschichtsraum, Geschichtsperspektive, Historisierung, Erinnerungskultur, Glorifizierung beziehungsweise Geschichtsfälschung.

Daneben gibt es Formen geschichtlicher Wissensvermittlung durch Museumspädagogik und durch Unterhaltungsmedien bis hin zum Histotainment (wie zum Beispiel Mittelaltermärkte), ein Spektrum, das von didaktischer Wissensvermittlung bis zur bloßen Unterhaltung reicht und auch in mancherlei Kombinationen anzutreffen ist.

Siehe auch

Portal: Geschichte – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Geschichte

Literatur

Weblinks

Commons: Geschichte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Geschichtswissenschaft – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Geschichte – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Regal:Geschichte – Lern- und Lehrmaterialien
Wikiversity: Fach Geschichte – Kursmaterialien

Wege zu Geschichtsdarstellungen für Laien und für schulische Zwecke

Anmerkungen

  1. Friedrich Jaeger: Lexikon Philosophie – Hundert Grundbegriffe. Reclam, 2011, S. 109.
  2. Gordon A. Craig: Der Historiker und sein Publikum. Rede am 7. November 1981 im Festsaal des Rathauses zu Münster, hg. vom Presseamt der Stadt Münster, S. 56 f., zitiert nach Wilhelm Ribhegge: Geschichte der Universität Münster. Europa in Westfalen. Regensberg, Münster 1985, S. 238 (GoogleBooks).
  3. Zitiert nach: Winfried Schulze: Einführung in die neuere Geschichte. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Stuttgart 2010, S. 51 f.
  4. Michael Stolleis: Staat und Staatsraison in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 1990, S. 8