Justus Wertmüller

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Justus Wertmüller (geboren um 1963) ist ein politischer Journalist und Redakteur der Berliner Zeitschrift Bahamas. Er galt als „namhafter Wortführer“ der antideutschen Strömung.[1] Seit der Bahamas-Konferenz 2009 distanzieren sich Wertmüller und die Bahamas von den „abgehangenen Attributen“ kommunistisch, israelsolidarisch und antideutsch[2] und haben die Begrifflichkeit „ideologiekritisch“ als neuen zentralen Bezugspunkt eingeführt.

Leben

Er war in den 1980er Jahren Mitglied der Grünen in München und später Mitglied im Kommunistischen Bund, bei dessen Monatszeitung Arbeiterkampf war er als Autor tätig. Er hat außerdem Artikel in den Zeitschriften Blätter des Iz3w, Konkret und Jungle World veröffentlicht. Justus Wertmüller ist Gründungsmitglied der Zeitschrift Bahamas, für die er annähernd 100 Beiträge verfasst hat. Unter dem Titel Verschwörungen gegen das Türkentum veröffentlichte 2017 der Berliner XS Verlag mehrere Aufsätze Wertmüllers zur Geschichte und Gegenwart der Türkei in Buchform.

Kontroversen um Auftritte

Am 12. November 2010 hielt Wertmüller auf einer Veranstaltung des AStA der Universität Bonn vor 200 Zuhörern den Vortrag „Der Sarrazin-Komplex – Warum seine Kritiker im Unrecht und seine Thesen trotzdem verkehrt sind“, der von einer antiimperialistischen Gruppe im Publikum gestört wurde. Als ein Zuschauer versuchte, ihn mit einem Laserpointer zu blenden, wurde ein sich dazwischen stellender Student aus Köln durch Verbrennungen am Auge verletzt. Nachdem die Polizei alarmiert worden war, verließen die meisten Störer die Veranstaltung.[3]

Eine für den 3. Juli 2012 an der Universität Rostock von der Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) geplante Vortragsveranstaltung mit Wertmüller als Referenten wurde von der Universitätsverwaltung wegen befürchteter „Störungen und Tumulte“ infolge verfassungsfeindlicher Äußerungen untersagt und musste in die Tagungsstätte der Heinrich-Böll-Stiftung verlegt werden. Auf zwei kleine Anfragen der Landtagsabgeordneten Johann-Georg Jaeger[4] und Peter Ritter[5] zu den Umständen der Absage erklärte die Landesregierung, die Universität habe „aufgrund vorliegender Verdachtsmomente auf einen extremistischen Hintergrund“ das Landesamt für Verfassungsschutz informiert, welches Wertmüller als „namhafte[n] Vertreter des ‚antideutschen Linksextremismus‘“ einstufte. Die DIG kritisierte das Verbot als Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit.[6]

Positionen

Während des Kosovokrieges 1999 trat er gegen die von Deutschland unterstützten Angriffe der NATO auf die Bundesrepublik Jugoslawien ein und wandte sich aus diesem Anlass gegen einen prinzipiellen Antinationalismus in Teilen der deutschen Linken. Er behauptete, „die“ Serben hätten eine furchtbare Niederlage bei der Bemühung um einen freundlicheren Balkan erlitten und eine uneingeschränkte Solidarisierung mit der Bundesrepublik Jugoslawien sei Pflicht. Serbien sei „nur eine normale, keine furchtbare Nation“, von der „der so grauenvoll umgebrachte Versuch, in einem Flecken der Welt den Ethnoschrecken zu Überwinden“ übrig bleiben werde.[7] Deshalb kritisierte er die Linken, die sich nicht bedingungslos hinter Serbien gestellt hatten,[8] und wandte sich gegen Versuche, das Mitführen von Bildern Slobodan Miloševićs auf Antikriegsdemonstrationen zu unterbinden.[9][7]

Wertmüller beschrieb den arabischen Antisemitismus der Al-Aqsa-Intifada als „Klerikalfaschismus“. Nachdem im Dezember 2000 eine neue Serie palästinensischer Selbstmordattentate einsetzte, verschärfte Wertmüller seine Analyse im Herbst 2002 in dem Aufsatz „Politische Theologie. Islamische Herrschaft als ideologische Synthese aus NS und Globalisierungskritik“.[10]

Wertmüller setzt sich für eine „bedingungslose Solidarität“ mit Israel ein. Mit den Worten von Karl Marx zieht er das „allgemeine Nützlichkeits- und Brauchbarkeitsverhältniss“ des Kapitalismus „einem auf Bluturenge, Natur und Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse gegründeten nur lokalen Zusammenhang“ vor, den Wertmüller für die arabischen Gesellschaften konstatiert und als regressive Zielvorstellung einer antisemitischen und antiamerikanischen Internationalen befürchtet. Dagegen müsse der richtig verstandene Kommunismus die „Aufhebung der kapitalistischen Welt auf ihrem höchsten Niveau“ sein.[11]

Wertmüllers Positionen sind häufig von verschiedenen Proponenten der politischen Linken kritisiert worden, auch von Wertkritikern wie Robert Kurz oder in der Zeitschrift Streifzüge.[12]

Beiträge (Auswahl)

  • Und immer noch kein Staatsfreund, Gespräch von Johannes Agnoli mit Clemens Nachtmann und Justus Wertmüller für die Zeitung Arbeiterkampf. In: Johannes Agnoli: 1968 und die Folgen. Ça-Ira-Verlag, Freiburg im Breisgau 1998, ISBN 3-924627-59-2, S. 237 ff.
  • Ein Steinmetz. In: Arbeitskreis Kritik des deutschen Antisemitismus (Hrsg.): Antisemitismus – die deutsche Normalität. Geschichte und Wirkungsweise des Vernichtungswahns. Ça-Ira-Verlag, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-924627-69-X, S. 237 ff.
  • Aufstand der Anständigen. Hat Israel noch eine Chance? In: Hermann L. Gremliza (Hrsg.): Hat Israel noch eine Chance? Palästina in der neuen Weltordnung. KVV Konkret, Hamburg 2001, ISBN 978-3-930786-32-9, S. 44–64.
  • Religion der Befreiung. Der Islam als Erweckungsbewegung In: Stephan Grigat, Simone Dinah Hartmann (Hrsg.): Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer. Studien-Verlag, Innsbruck / Wien / Bozen 2008, ISBN 978-3-7065-4599-0, S. 247–257.
  • Verschwörungen gegen das Türkentum. Der Weg der Türkei von der säkularen Erziehungsdiktatur zur islamistischen Volksdemokratie. Erstausgabe. XS Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-944503-11-0.

Einzelnachweise

  1. Stefan Kestler: Antisemitismus und das linksextremistische Spektrum in Deutschland nach 1945. In: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.): Neuer Antisemitismus? Konferenzbericht vom 5. Dezember 2005 (PDF; 1,63 MB) Abgerufen am 22. Februar 2010, S. 45.
  2. Ideologiekritisch und sonst nichts. aus: Bahamas. 57/2009 auf: redaktion-bahamas.org
  3. Rechenschaftsbericht des AStA 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/www.campusgruen-bonn.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF-Datei; 761 kB), AStA der Universität Bonn, 2010.
  4. Kleine Anfrage des Abgeordneten Johann-Georg Jaeger, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Absage einer politischen Vortragsveranstaltung der Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft durch die Universität Rostock nach Intervention des Landesverfassungsschutzes und Antwort der Landesregierung Drucksache 6/1158. (4 Seiten pdf; 95 kB), 12. Oktober 2012.
  5. Kleine Anfrage des Abgeordneten Peter Ritter, Fraktion Die Linke: Verhinderung eines politischen Vortrages, Drucksache 6/1163@1@2Vorlage:Toter Link/polit-x.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.. Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, 30. September 2012.
  6. DIG-Hochschulgruppe: DIG-Hochschulgruppe weist Ausfälle der Landesregierung gegen ihre Bildungsveranstaltung zurück. Pressemitteilung, 21. Oktober 2012.
  7. a b Ein starkes Stück Deutschland, Justus Wertmüller; Bahamas 29/1999, bei de.soc.politik.texte, Abschnitt: „Auf der animal farm“
  8. Patrick Hagen: Die Antideutschen und die Debatte über Israel 2004, 3.4. „Der Kosovo-Krieg – antinational vs. antideutsch“, S. 38
  9. Justus Wertmüller: Autonom auf Kriegskurs. In: Jungle World, 2. Juni 1999.
  10. Vergl. auch: Bundesamt für Verfassungsschutz: Massiver ideologischer Streit zum Nahost-Konflikt unter Linksextremisten. In: Bundesministerium des Innern: Extremismus in Deutschland. Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. (Texte zu Inneren Sicherheit). Berlin 2004, S. 205–206.
  11. Justus Wertmüller: Wir Freunde des amerikanischen Krieges. In: Bahamas. 42, 2003. Auf Redaktion-Bahamas.org, abgerufen am 21. Mai 2021.
  12. Bernhard Schmid: Von vermeintlichen Linken und ihren Vorbildern. In: Streifzüge. 3/2003, 1. November 2003.