Winterschlaf

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Der Braunbrustigel hält Winterschlaf mit Unterbrechungen

Als Winterschlaf oder Hibernation bezeichnet man einen lang währenden Ruhezustand, in den bestimmte homoiotherme Tiere – manche Säugetiere und wenige Vögel – unter Herabsetzung ihrer Körpertemperatur während der kalten Jahreszeit fallen. Winterschläfer senken im Herbst ihre Körpertemperatur auf ein niedrigeres Niveau ab, gleichzeitig verlangsamen sich auch Atem- und Pulsfrequenz sowie alle weiteren Stoffwechselaktivitäten. Da das Tier während des Winterschlafs keine Nahrung aufnimmt, stammt die Energie für alle Stoffwechselaktivität des Winterschläfers aus den während des Sommers angefressenen Fettdepots.

Einzelne Säugetiere wie der Siebenschläfer, die Haselmaus, der Braunbrustigel, das Murmeltier oder manche Fledermäuse[1][2] halten einen lang andauernden Winterschlaf mit wenigen kurzen Unterbrechungen; bleibt die normale Körperkerntemperatur während der Ruhephase unverändert erhalten, spricht man stattdessen von Winterruhe.[3] Allen Winterschläfern ist gemein, dass sie sich bei äußeren Störungen rasch auf Normaltemperatur erwärmen. Dies wird durch Hormonausschüttungen der Hypophyse gesteuert. Bei der Erwärmung verbrauchen sie erhebliche Mengen Fett, weshalb die Tiere nach häufigen Störungen des Winterschlafs verhungern können.

Mit der zeitlichen Organisation des Winterschlafs beschäftigt sich die Chronobiologie.

Das Verhalten der Winterschläfer in den kalten Jahreszeiten

Fledermaus beim Winterschlaf

Die Winterschläfer suchen im Herbst Orte auf, an denen sie vor der strengen Kälte geschützt sind (hohle Baumstämme, Erdhöhlen und dergleichen) und polstern sie mit Heu, Stroh, Blättern, Haaren, Wolle und anderen Materialien aus. In dem so ausstaffierten Unterschlupf verbringen sie meist zu mehreren Tieren mit zusammengezogenem, abgekugeltem Körper und geschlossenen Augenlidern den Winter in einem energetischen Sparzustand, dem so genannten Torpor. Ihre normale Körpertemperatur sinkt dabei meist auf Werte zwischen 9 und 1 °C ab (Thermoregulation). Alle Körperfunktionen sind in diesem Zustand stark vermindert. Die Atmung ist schwach, der Herzschlag verlangsamt und die Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen gering. Murmeltiere senken zum Beispiel während des Winterschlafs ihre Körpertemperatur von 39 auf bis zu 7 °C ab. Ihr Herz schlägt statt hundertmal nur noch zwei- bis dreimal pro Minute. Die Atempausen können bis zu eine Stunde betragen. Absonderungsprodukte des Darmkanals und der Leber sammeln sich bei Winterschläfern im unteren Teil des Darms an und werden gleich nach dem Erwachen ausgeschieden. Nahrung wird während der Zeit des Schlafes nicht aufgenommen, höchstens in den gelegentlichen Wachphasen. Die Tiere zehren stattdessen von ihren Fettreserven, welche sie sich im Herbst angefressen haben. Murmeltiere verkleinern während des Winterschlafes sogar Magen und Darm um die Hälfte, Leber und Nieren um etwa 30 Prozent. Ein spezielles braunes Fettgewebe, das insbesondere im Schulter- und Nackenbereich der Winterschläfer liegt, dient ausschließlich der Wärmeproduktion. In der Spätphase des Aufwachens wird der Körper zusätzlich durch Muskelzittern wieder auf Normaltemperatur gebracht. Je höher die Körpertemperatur wird, desto schneller atmen die Tiere.

Manche Winterschläfer wie die Murmeltiere halten einen sozialen Winterschlaf, bei dem in jedem Bau bis zu 20 Eltern- und Jungtiere eng nebeneinander ruhen, so dass sie sich gegenseitig aufwärmen können, wenn die winterlichen Temperaturen zu stark absinken. Das erhöht vor allem die Chancen der Jungtiere, die über weniger Energiereserven verfügen, auch härtere Winter zu überstehen.

Die Dauer des Winterschlafs

Die Dauer des Winterschlafs ist bei den einzelnen Winterschläfern unterschiedlich. Beim Igel sind es drei bis vier Monate; Siebenschläfer verbringen sechs bis sieben Monate im Winterschlaf (daher auch ihr deutscher Name). Man darf jedoch nicht der falschen Vorstellung unterliegen, dass es sich beim Winterschlaf um einen mehrmonatigen Dauerschlaf ohne Pause handelt. Vielmehr verläuft der Schlaf meist in Abschnitten, wobei sich längere Phasen der Ruhe mit stark reduziertem Stoffwechsel mit kurzen Wachphasen abwechseln. Während zum Beispiel Igel eine Torpordauer von 1 bis 3 Wochen haben, schlafen Siebenschläfer etwa 20 bis 33 Tage am Stück.[4] Zu oft dürfen die Tiere während des Winters allerdings nicht aufwachen, weil jede zwischenzeitliche Aufwachphase an den Energiereserven zehrt, so dass die Fettdepots zu früh aufgebraucht würden und für den eigentlichen Aufwachvorgang im Frühjahr nicht mehr zur Verfügung stünden.

Wissenschaftler haben für ein Experiment extra gemästete Haselmäuse länger als ein Jahr im Winterschlaf gehalten.

Mögliche Auslöser für den Winterschlaf

Als Auslöser für den lang anhaltenden Ruhezustand wurden traditionell äußere Faktoren wie das Sinken der Außentemperaturen oder der Nahrungsmangel im Herbst angeführt. Doch sollen nach Ansicht von Experten neben den kürzeren Tageslängen als Signalgeber vor allem innere Faktoren wie die Umstellung des Hormonhaushalts – ein Nachlassen der Bestrahlung mit ultraviolettem Licht durch die schwächere Sonne führt zu einer geringeren Erzeugung von Vitamin D, was Erstarrungshormone in Gang setzt – oder die innere Uhr, die einem jahreszeitlich bedingten Rhythmus unterworfen ist, für die Auslösung des Winterschlafs verantwortlich sein. So scheint die innere Uhr die Bildung von Fettdepots und dies wiederum die Schlafbereitschaft zu beeinflussen. Selbst der narkotisierende Einfluss einer höheren Kohlendioxidkonzentration in den Schlafhöhlen wurde als auslösender Faktor für den Winterschlaf diskutiert.

Das Aufwachen im Frühjahr

Die Ursache für das Aufwachen im Frühjahr ist immer noch nicht genau bekannt. Steigende Umgebungstemperaturen und die Anreicherung von Stoffwechselendprodukten im Körper könnten als Wecksignale dienen. Sind Wecksignale vorhanden, werden von der Hypophyse Hormone ausgeschüttet, die für Wärmeerzeugung durch das braune Fettgewebe sorgen. Hat sich die Körperkerntemperatur bis auf etwa 15 Grad Celsius erhöht, kann zusätzliches Muskelzittern zur weiteren Temperaturerhöhung beitragen. Der Kopf- und Rumpfbereich mit den lebenswichtigen Organen wird hierbei zuerst erwärmt, als letztes folgen die Extremitäten.

Auswirkungen des Winterschlafs

Einige Winterschläfer wie Fledermäuse, Siebenschläfer und Haselmäuse sterben, wenn sie gewaltsam am Winterschlaf gehindert werden. Dachse und Hamster können dagegen ohne die Winterschlafphase überleben.

Untersuchungen der Universität Wien an Zieseln haben gezeigt, dass der mehrmonatige Winterschlaf negative Auswirkungen auf die Gedächtnisleistungen der Winterschläfer hat. Im Vergleich zu Tieren, die keinen Winterschlaf gehalten hatten, waren die Ziesel nach ihrer langen Schlafphase nicht mehr in der Lage, vorher erlernte Aufgaben zu lösen (zum Beispiel einen Weg im Labyrinth zu finden oder den Hebel eines Futterautomaten zu bedienen).[5] Eine Erklärung dafür könnte die niedrige neuronale Aktivität während des Torpors sein. Man hat sogar nachgewiesen, dass Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn während des Winterschlafs abgebaut werden.

Abgrenzung

Winterruhe

Wird der Winterschlaf von mehreren Wachphasen unterbrochen, sowie die Körperkerntemperatur nicht abgesenkt[3], so bezeichnet man ihn als Winterruhe. In diesen Wachphasen kann die Schlafposition geändert, kleine Mengen Nahrung aufgenommen sowie Urin und Kot abgegeben werden.

Kältestarre

Abzugrenzen ist der Winterschlaf von der Kältestarre, wie sie bei vielen poikilothermen Tieren – den Reptilien, Amphibien und Fischen, aber auch Weichtieren und Gliederfüßern, in den gemäßigten Klimazonen vorkommt. Im Gegensatz zum Winterschlaf kann bei der Kältestarre die Körpertemperatur nicht geregelt werden, sondern sie entspricht der Umgebungstemperatur. Fällt diese zu stark, erfrieren wechselwarme Tiere. Glukose oder Harnstoff können bei leichtem Frost das Einfrieren der Körperflüssigkeiten mindern.

Teichmolche verbringen 3 bis 4 Monate, Blindschleichen und Kreuzottern 4 bis 5 Monate, Laubfrösche und Zauneidechsen 5 bis 6 Monate im Zustand der Winterstarre.

Winterliche Ruhezustände bei Hirschen

In jüngster Zeit wurde zur Winterzeit auch ein Ruhezustand mit einem Abfall der Körpertemperatur auf bis zu 15 Grad Celsius bei einheimischen Hirschen festgestellt. Durch die Herabsetzung ihrer Stoffwechselaktivität in der nächtlichen Ruhephase sind die Tiere in der Lage, die kalte Jahreszeit besser zu überstehen. Versuche der Veterinärmedizinischen Universität Wien ergaben, dass diese Regulationsmechanismen der Körpertemperatur und des Stoffwechsels vom Nahrungsangebot beeinflusst werden. Eiweißreiche Nahrung, die untypisch für die Winterzeit ist, könnte für unnötig hohe Stoffwechselaktivität im Winter verantwortlich sein. Eine nicht artgerechte Winterfütterung könnte so Hunger im Frühjahr erzeugen, da der Stoffwechsel nicht reduziert wurde, was wiederum zu Verbissschäden im Forst führe.

Die Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien gehen davon aus, dass die Abgrenzung des Winterschlafs von der Winterruhe nicht mehr haltbar ist, sondern eine Vielzahl von Säugetieren über eine Palette von ähnlich verlaufenden Regulationsmechanismen der Herabsetzung des Stoffwechsels und der Körpertemperatur verfügen, die möglicherweise auch von Seehunden und Walen bei längeren Tauchgängen genutzt werden.

Winterschlafähnliche Zustände bei Vögeln

Echter Winterschlaf kommt nur bei Säugetieren vor, aber auch bei einigen Vögeln kennt man winterschlafähnliche Zustände. Beschrieben wurde der Winterschlaf bei der Winternachtschwalbe.[6] Auch Kolibris reduzieren bei Nahrungsmangel oder Kälteeinbrüchen ihren Stoffwechsel und fallen in eine Starre. In unseren Breiten verfallen bei Hungerperioden junge Mauersegler während des Schlafes in einen Zustand mit leicht geminderter Körpertemperatur. Längere Zeiträume des Winterschlafs wie bei Säugetieren gibt es bei Vögeln jedoch nicht.

Literatur

  • Martin Eisentraut: Der Winterschlaf mit seinen ökologischen und physiologischen Begleiterscheinungen. Fischer, Jena 1956.
  • Ralf Elvert: Kardiorespiratorische und metabolische Reaktionen während des Eintritts in den Winterschlaf beim Siebenschläfer Glis glis. Görich und Weiershäuser, Marburg 2001, ISBN 3-89703-480-8.
  • Gerhard Körtner: Winterschlaf und seine Auswirkungen auf den Energiehaushalt beim Alpenmurmeltier (Marmota marmota). Diss. Marburg 1991.
  • Erwin Kulzer: Winterschlaf. Mit 7 Tabellen. Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart 1981.
  • Paul Raths: Tiere im Winterschlaf. Leipzig ²1977, 1979.
  • Lisa Warnecke: Das Geheimnis der Winterschläfer – Reisen in eine verborgene Welt. C.H. Beck Verlag, München 2017.
  • Ulrich Weber (Hrsg.): Biologie Oberstufe. Cornelsen, Berlin 2009, ISBN 978-3-464-17183-7.
Commons: Winterschlaf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Winterschlaf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Hibernation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gerhard Neuweiler: Biologie der Fledermäuse. 1. Auflage. Thieme, Stuttgart 1993, ISBN 978-3-13-787401-0.
  2. Franz Krapp: Die Fledermäuse Europas. 1. Auflage. AULA-Verlag, Wiebelsheim 2010, ISBN 978-3-89104-751-4.
  3. a b Herder-Lexikon der Biologie. Band 8 Spini-Zz, Seite 443, Stichwort Winterruhe. Spektrum-Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford 1994.
  4. Prof. Dr. Wolf Wünnenberg: Physiologie des Winterschlafes. Verlag Paul Parey, Hamburg/Berlin 1990, ISBN 3-490-12118-X, S. 40.
  5. Der Spiegel: Leben auf kleinster Flamme vom 2. Januar 2006, abgerufen am 23. Februar 2015
  6. Fred A. Ryser: Birds of the Great Basin: A Natural History. University of Nevada Press, 1985, ISBN 0-87417-080-X, S. 305.