Künstlerhaus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. März 2023 um 09:20 Uhr durch Tfjt (Diskussion | Beiträge) (In Deutschland). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Künstlerhaus ist im Deutschen eine Bezeichnung mit fünf unterschiedlichen Bedeutungsschwerpunkten, teils in Mischformen, und setzt das Vorhandensein eines oder mehrerer atelierartiger Räume oder Werkstätten voraus.

Definitionsvarianten

Unter einem Künstlerhaus versteht man:

  • ein Bauwerk, welches sowohl Wohnräume als auch ein Atelier oder eine Werkstatt umfasst und durch den Künstler oder Architekten selber oder für ihn errichtet wurde (vgl. Rubenshaus oder Palazzo Zuccari)[1],
  • das Geburts-, Eltern- oder Wohnhaus/Residenz mit Atelier eines Künstlers und oft zugleich seine Hauptwirkungsstätte während eines bedeutenden Lebensabschnittes (Max Liebermanns Atelier im Palais Liebermann neben dem Brandenburger Tor in Berlin oder auch seine Sommervilla am Wannsee; Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg; Lenbachhaus in München; Münterhaus in Murnau; Claude Monets Domizil in Giverny),
  • ein Gebäude oder zusammenliegende Baukörper mit einer Anzahl von Ateliers/Werkstätten, die meist von einer Vielzahl von Künstlern privat angemietet werden (Bateau-Lavoir, in dem Picasso in seinen frühen Pariser Jahren tätig war; La Ruche in Paris),
  • zahlreiche im deutschsprachigen Raum als Künstlerhaus bezeichnete Einrichtungen/Gebäude, teilweise auch mehrere solcher Einrichtungen bzw. Gebäude in derselben Stadt in unterschiedlicher Trägerschaft, z. B. durch Vereine oder Stiftungen: diese Gebäude dienen als Arbeits- und Begegnungsstätte für Kulturschaffende in den Bereichen wie Bildende Kunst und Kunsthandwerk, Literatur und Musik, teils Darstellende Kunst und sind mit Ateliers, Werkstätten und Kommunikationsräumen unterschiedlichster Art und zuweilen mit Gästewohnungen für begrenzte Künstleraufenthalte ausgestattet. Solche Häuser öffnen sich meist gezielt der umgebenden Wohnbevölkerung und übernehmen oft eine innerörtliche und auch überörtliche Image- und Identitätsfunktion für den Stadtteil oder den Ort.
  • Gebäude und Einrichtungen, die professionellen Künstlern aus unterschiedlichen Ländern meist in Verbindung mit einem Arbeitsstipendium für eine begrenzte Zeit ein Atelier oder eine Werkstatt und eine Atelierwohnung zur Verfügung stellen, damit die Teilnehmer möglichst in einem international geprägten Umfeld kreativ arbeiten können. Diese Art der Förderung wird als Artist in Residence bezeichnet (Villa Romana in Florenz). Solche Einrichtungen werden oft über Stiftungen finanziert.

Begriffsabweichungen

Von diesen fünf Charakterisierungen des Künstlerhauses sind zu unterscheiden:

  • die Künstlerkolonie: dieser Begriff ist historisch mit außerstädtischen Zusammenschlüssen assoziiert. Gleichwohl übernehmen gegenwärtig eine größere Anzahl von Einrichtungen diese Bezeichnung für sich, die im eigentlichen Sinne als Künstlerhaus bezeichnet werden könnten und ein räumliches und kreatives Zusammenwirken verschiedener Künstler in städtischem Rahmen ermöglichen.
  • das Kunsthaus:

Geschichte

Künstlerhäuser entstanden in der Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen deutschen Städten. Sie wurden konzipiert von Künstlervereinen, die eine Verbesserung der Vermittlung und Vermarktung von Werken ihrer Mitglieder suchten und für diesen Zweck geeignete Räumlichkeiten einrichteten. Hier konnten einerseits regelmäßige Ausstellungen zu optimalen Bedingungen gefördert, auf der anderen Seite gesellige Zusammenkünfte und Veranstaltungen organisiert werden. Die ersten Künstlerhäuser entstanden 1844 in Stuttgart mit der Glocke und in 1848 gegründet mit dem Malkasten in Düsseldorf. Auch die Künstler in Hannover verfügten bereits seit 1856 über eigene Räumlichkeiten im Museum für Kunst und Wissenschaft, das später den Namen Künstlerhaus erhielt. In der bayerischen Landeshauptstadt München beschäftigte sich ab dem Jahre 1850 der Künstlerunterstützungsverein mit Plänen für ein Künstlerhaus.[2]

Liste von Künstlerhäusern

Die hier gegebene Auflistung hat nur exemplarischen Charakter:

In Deutschland

Ort Name Gegründet Bemerkung
Ahrenshoop Künstlerhaus Lukas
Bad Ems Internationales Künstlerhaus Schloß Balmoral
Bamberg Internationales Künstlerhaus Villa Concordia
Berlin Ateliergebäude Bleibtreustraße 7 1897 Umbau 1932
Ateliergebäude Kantstraße 149 1892 Wohnungen und Ateliers
Atelierhaus Eisenacherstraße 103 vor 1903 Ateliers im Hinterhaus, später zu 15 Atelierwohnungen umgebaut. 1981 Abriss begonnen und besetzt, bis heute bewohnt (Stand: Februar 2019)
Atelierhaus Lützowstraße 82 1890 Ateliers im Hinterhaus, ab 1907 abschnittsweise zur Fabrik umgebaut, in den 1940ern zerstört
Atelierhaus des Vereins Berliner Künstlerinnen 1911
Bethanien
Künstlerhaus St. Lukas 1890
Bremen Künstlerhaus Bremen 1992
Frankfurt am Main Künstlerhaus Mousonturm 1988
Gelsenkirchen Künstlersiedlung Halfmannshof 1931
Dortmund Künstlerhaus Dortmund
Dresden Künstlerhaus Dresden-Loschwitz 1898
Düsseldorf Wunderbau vor 1875 Ateliergebäude, welches einundzwanzig Künstlern Raum bot. 1943 zerstört.
Künstler Atelier-Haus 1907/1908 Wurde gestiftet vom Verein der Düsseldorfer Künstler mit Ateliers und Werkstätten für professionelle Künstler gegen eine geringe Miete.
Atelierhaus Franz-Jürgens-Straße 12 1936/37 Das als „Künstlergemeinschaftshaus mit 12 Ateliers und einem Ausstellungsraum“ konzipierte Gebäudeensemble, entstanden zur Reichsausstellung Schaffendes Volk von 1937, befindet sich im Eigentum der Stadt Düsseldorf und ist Bestandteil einer bis heute bestehenden „Künstlersiedlung“ in Düsseldorf-Golzheim.
Eckernförde Schleswig-Holsteinisches Künstlerhaus 1998
Edenkoben bei Heidelberg Künstlerhaus Edenkoben
Feldafing bei München Künstlerhaus Villa Waldberta
Föhren bei Trier Künstlerhaus ANNAMALT 1997 das Gesamtkunstwerk beinhaltet Wohnhaus und Atelier der Künstler ANNAMALT und Edward Naujok
Gladenbach bei Marburg Künstlerhaus Lenz
Grimma bei Leipzig Denkmalschmiede Höfgen 1976
Hannover Künstlerhaus Hannover
Hamburg Künstlerhaus Sootbörn
Karlsruhe Künstlerhaus Karlsruhe vor 1907
Kempten Künstlerhaus Kempten 2004
Krefeld Künstlerhaus Krefeld
Leipzig Künstlerhaus (Leipzig) 1900 1943 zerstört
Mannheim Künstlerhaus zeitraumexit 2000
Marktoberdorf Künstlerhaus Marktoberdorf 2001
Meinersen Künstlerhaus Meinersen 1989
München Künstlerhaus am Lenbachplatz 1900
München Künstlerhaus der Landeshauptstadt München 1980
Neumünster Künstlerhaus Stadttöpferei Neumünster 1987
Nürnberg Künstlerhaus Nürnberg
Regensburg Künstlerhaus Andreasstadel 2004 siehe Salzstadel (Stadtamhof)
Rheda-Wiedenbrück Künstlerhaus Wiedenbrück
Saarbrücken Saarländisches Künstlerhaus
Lauenburg/Elbe Künstlerhaus Lauenburg 1986
Schöppingen nahe Münster Stiftung Künstlerdorf Schöppingen
Stuttgart Künstlerhaus Stuttgart 1978
Weimar Künstlerheim Weimar 1887 1945 zerstört
Wiepersdorf südlich Berlins Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf
Wustrow Künstlerhof Schreyahn

In Österreich

Ort Name Gegründet Bemerkung
Bregenz Künstlerhaus Bregenz 1984
Klagenfurt Künstlerhaus Klagenfurt
Salzburg Künstlerhaus Salzburg 1885
Wien Künstlerhaus Wien 1868
Graz Künstlerhaus Graz 1952

In der Schweiz

Ort Name Gegründet Bemerkung
Boswil Künstlerhaus Boswil 1954
Zürich Atelierhaus Wuhrstrasse 1953/1954 Baugenossenschaft Maler und Bildhauer, 8 Wohnungen und 12 Ateliers

Sonstige Staaten

Staat Ort Name Gegründet Bemerkung
Frankreich Paris Bateau-Lavoir 1892 1970 ausgebrannt, 1978 renoviert
La Ruche 1902 Gebäude ursprünglich für die Weltausstellung Paris 1900 errichtet

Literatur

  • Melanie Klier: KünstlerHäuser. Prestel Verlag, München 2006, ISBN 978-3-7913-3525-4
  • Gérard-Georges Lemaire (Texte); Jean-Claude Amiel (Fotografien): Künstler und ihre Häuser. Knesebeck Verlag, München 2004, ISBN 3-89660-208-X

Einzelnachweise

  1. Ernst Seidl (Hg.): Lexikon der Bautypen. Funktionen und Formen der Architektur. Stuttgart: Philipp Reclam jun. Verlag, 2006, ISBN 978-3-15-010572-6
  2. Siegfried Kett: Das Nürnberger Künstlerhaus, Nürnberg 1992, Verlag Nürnberger Presse, ISBN 3-920701-89-5, S. 9.