Schiffsunglück vor Pylos 2023
Bei dem Schiffsunglück vor Pylos 2023 sank das Fischereischiff Adriana (a) (Heimathafen unbekannt) am 14. Juni 2023 im Ionischen Meer im Mittelmeer zwischen Griechenland, Libyen und Italien. An Bord war eine unbekannte Anzahl Migranten. Es kam durch den Untergang zu einer hohen Zahl von Todesopfern. Von den Schiffbrüchigen des mit Migranten mehrerer Nationalitäten überfüllten Schiffes, auf dem sich ersten Schätzungen zufolge 400 bis 750 Menschen befanden, konnten die griechische Küstenwache und andere Schiffe 104 Menschen retten.[1][2] Der Unglücksort befindet sich mit etwa 80 Kilometern Entfernung zur Küste zwar außerhalb der griechischen Hoheitsgewässer, jedoch in einem Abschnitt des Mittelmeeres, der durch Griechenland überwacht wird.
Vor dem Unglück hatte es Kontakte zu einem Boot der griechischen Küstenwache (Limeniko Soma) gegeben. Es ist bisher strittig, wie diese Kontakte abgelaufen sind.[3]
Die Überlebenden wurden in der Nacht kurze Zeit nach dem Schiffsuntergang durch die Mannschaft der Yacht Mayan Queen IV aus der See gerettet und in Kalamata, dem Hauptort des griechischen Bezirks Messinía, angelandet.[4] Aus dem Meer wurden 79 Tote geborgen.[5][6] Die Zahl der vermissten und wahrscheinlich ertrunkenen Personen wird mit mehreren Hundert Personen unterschiedlich hoch angegeben. Die griechische Regierung und die Präsidentin Katerina Sakellaropoulou kündigten eine dreitägige Nationaltrauer an.[7] Auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drückte ihr Bedauern über die Tragödie aus.[8] Bei den geretteten Schiffbrüchigen handelt es sich ausschließlich um Männer. Die Zahl der unter Deck in den ehemaligen Fischlagerräumen platzierten, umgekommenen minderjährigen Kinder und Frauen ist bisher unbekannt. Von überlebenden Schiffbrüchigen wird eine Gesamtzahl von 700 Personen an Bord genannt.[9]
Verschiedene Untersuchungen der Ursachen des Untergangs laufen noch.[10][11] Der Spiegel meldete, dass nach dem Schiffsunglück bei der Suche nach Schuldigen die griechischen Behörden die europäische Polizeibehörde Europol um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten haben.[12]
Siehe auch
- Flucht und Migration über das Mittelmeer in die EU
- Flüchtlingskrise in Europa 2015/2016
- Asylpolitik der Europäischen Union (EU) – insbesondere seit 2015
Filmbericht zum Stand der Untersuchungen
- Das Todesschiff: Chronik einer angekündigten Katastrophe. (Der Beitrag zeigt eine Chronologie der Ereignisse rund um dieses Schiffsunglück. Aufgrund zahlreicher Augenzeugenberichte und weiterer Recherchen der Kooperation gibt es massive Zweifel an den Statements der griechischen Küstenwache zum Verlauf des Untergangs und zur Rettungsaktion selbst. Notwendige Maßnahmen zur Seenotrettung wurden offenbar bewusst unterlassen. Schilderungen von Augenzeugen legen zudem nahe, dass das Sinken des Schiffs erst durch Abschlepp-Versuche der Küstenwache verursacht wurde – während Hilfe der EU-Grenzschutzagentur Frontex oder von privaten Seenotrettungsorganisationen nicht angefordert wurde. Unabhängige Untersuchungen zu dem Vorfall werden verhindert, Beweismaterial zurück gehalten.) Zusammenfassung des Inhaltes des Senders von Monitor, WDR, Mediathek, 16 min. vom 20. Juli 2023
Weblinks
- CNN investigation raises questions about Greek coast guard ... CNN, 2023/06/23 (englisch; Übersetzung des Titels: Die Untersuchung von CNN führt zu Fragen über die griechische Küstenwache)
- Stellungnahme der Refugee Support Aegean: Pylos shipwreck: Yet another tragedy – consequence of deterrence policies. (englisch; RSA ist eine griechische Nichtregierungsorganisation (NGO) zur Unterstützung von Migranten in Griechenland und Europa; Übersetzung des Titels: Eine weitere Tragödie als Folge der verheerenden Politik)
- EPD: Seenotretter kritisieren Behörden scharf. Vom 16. Juni 2023. (Nach dem verheerenden Bootsunglück vor Griechenland mit möglicherweise Hunderten Toten fordern das UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf einen regionalen Ausschiffungs- und Umverteilungsmechanismus. Die Rettung von Menschenleben müsse im Mittelpunkt stehen. Weitere Todesfälle wie bei dem schlimmsten Unglück im Mittelmeer seit mehreren Jahren müssten verhindert werden.)
- Ärzte-ohne-Grenzen, 30. Juni: MsF fordert Rechenschaft von Griechenland und von der Europäischen Union.
- Simon Langemann, Mitarb. von Asia Haidar, Safi Moh Seyhouni, Daphne Tolis: Schiffskatastrophe in Griechenland: Sind sie die Schuldigen?
- (Vor fünf Wochen sank vor Griechenland ein übervolles Migrantenschiff. Bereits am Tag nach der Schiffskatastrophe verhaftete die Polizei neun Männer, zwischen 20 und 40 Jahre alt. Die Ermittler werfen ihnen Menschenschmuggel vor. Doch je länger man sich umhört, desto uneindeutiger scheint ihre Rolle. Die neun Ägypter sollen als Schlepper mitverantwortlich sein für den Tod Hunderter Menschen. Doch Zeugen sagen: Die mutmaßlichen Täter waren selbst auf der Flucht. Über Prozesse in Griechenland mit der Anklage Schlepperei, illegale Einreise.) In: Die Zeit vom 20.7.23, Seite 3.
Fußnoten
Einzelnachweise
- ↑ Bild vom Schiff dazu, mit Beschreibung Uncredited/Hellenic Coast Guard/AP/dpa - verwendet zum Beispiel im Artikel des EPD vom 16. Juni 23
- ↑ Im Ionischen Becken des Mittelmeers befindet sich in der Nähe der Untergangsstelle mit dem so genannten Calypsotief eine Vertiefung, mit ca. 5.100 Metern die tiefste Stelle im Mittelmeer. Eine Bergung des Wracks wäre problematisch.
- ↑ Seenotretter kritisieren Behörden scharf. Vom 16. Juni 2023 beim Evangelischen Pressedienst (EPD)
- ↑ Link spectrumlocalnews.com/nys/watertown/ap-top-news/2023/06/17/piecing-together- … … though a coast guard vessel escorted the trawler for hours and watched helplessly as it sank. . . . … Below is a timeline of events based on reports from Greek authorities, a commercial ship, and activists who said they were in touch with passengers.
- ↑ IOM and UNHCR Call for Decisive Action Following Mediterranean Tragedy (Gemeinsame Erklärung von Internationale Organisation für Migration und UNHCR am 16. Juni 2023 (Genf); engl.)
- ↑ Nach Bootsunglück noch Hunderte Menschen vermisst. In: www.zeit.de. 14. Juni 2023, abgerufen am 15. Juni 2023.
- ↑ Helena Smith: At least 79 people drown as refugee boat sinks off Greece. In: theguardian.com. 14. Juni 2023, abgerufen am 15. Juni 2023 (englisch).
- ↑ Am 15. Juni für den Guardian.
- ↑ In der griechischen Zeitung Kathimerini in einem Artikel über die schwierige Identifizierung der Leichname vom 3. Juli gibt es auch Angaben zur Zahl der Passagiere: According to survivors, there were at least 700 passengers on the trawler, all migrants with the exception of a reported 15 working for human traffickers. This means that there are over 500 people unaccounted for and, in many cases, the presence of people on the doomed ship is only surmised, not documented.
- ↑ Nach cnn, 17. Juni 2023
- ↑ Niki Kitsantonis, Cora Engelbrecht: At Least 79 Die as Boat Carrying Migrants Sinks Near Greece In: The New York Times, 14. Juni 2023 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer | Das Ticket in den Tod kostete 7653 Dollar. spiegel.de, 18. Juni 2023, abgerufen am 12. Juli 2023.
- ↑ Matina Stevis-Gridneff, Karam Shoumali: Everyone Knew the Migrant Ship Was Doomed. No One Helped. In: The New York Times. 1. Juli 2023, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 16. Juli 2023]).
- ↑ Sophia Saifi, Immad Uddin, Rhea Mogul: Grief shrouds remote Pakistan mountain village after Greece migrant boat tragedy. CNN, 21. Juni 2023, abgerufen am 3. August 2023 (englisch).
- ↑ Moira Lavelle, Vedat Yeler: Survivors: ‘Greek coastguard was next to us when boat capsized’. Al Jazeera, abgerufen am 3. August 2023 (englisch).
- ↑ Simon Langemann: Sind sie die Schuldigen? Die Zeit, 22. Juli 2023, abgerufen am 3. August 2023.
- ↑ Cain Burdeau: Dozens drown in latest European migrant boat disaster. 14. Juni 2023, abgerufen am 5. August 2023 (englisch).