Abu Walaa

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Ahmad Abdulaziz Abdullah Abdullah (arabisch أحمد عبد العزيز عبد الله عبد الله, DMG Aḥmad ʿAbd al-ʿAzīz ʿAbd Allāh ʿAbd Allāh; * 1984), genannt Abu Walaa (arabisch أبو ولاء, DMG Abū Walāʾ), ist ein aus dem Irak stammender und in Deutschland aktiver salafistischer Prediger. Er ist der mutmaßlich höchste Vertreter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Deutschland und hat junge Muslime in Deutschland für den IS angeworben.[1] Er wurde im November 2016 verhaftet; im September 2017 wurde der Strafprozess eröffnet. Am 24. Februar 2021 wurde er wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt – das Urteil ist nach Zurückweisung der Revision rechtskräftig.[2]

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises (DIK) in Hildesheim

Abu Walaa stammt aus Kirkuk und reiste 2001 nach Deutschland ein, wo er einen Asylantrag stellte.[3] Nachdem er sich als Jeansverkäufer und Vertreter eines Softdrinks versucht hatte, betätigte er sich in Hildesheim als islamischer Prediger und war durch seine Videopredigten überregional vielen Muslimen bekannt.[4] Er predigte in der 2012 gegründeten Moschee des Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V. (DIK). Gegen den Verein lief seit einer Razzia im Juli 2016 ein vom Niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius eingeleitetes Verbotsverfahren. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof teilte mit, Abu Walaa sei bei zahlreichen salafistischen Veranstaltungen als Redner aufgetreten. Er geht davon aus, dass das Ziel des von ihm angeführten Netzwerks gewesen sei, Personen an den IS nach Syrien zu vermitteln. Am 14. März 2017 verbot Innenminister Pistorius den Verein.[5]

Abu Walaa hatte auf seiner Facebook-Seite rund 25.000 Fans. Auch auf verschiedenen anderen islamistischen Seiten auf Facebook war er zu sehen. Bekannt wurde er als „Prediger ohne Gesicht“, weil er in seinen Videos meist nur von hinten zu sehen ist. Oft trägt er einen schwarzen Umhang mit Kapuze, ähnlich der Darstellung des Propheten Mohammed in der islamischen Ikonografie. Walaa lag mit anderen salafistischen Predigern wie Abdul Adhim Kamouss und Pierre Vogel im Streit. Beide vertreten zwar ein fundamentalistisches Weltbild, lehnen den IS aber entschieden ab und warnen ihre Anhänger davor, sich der Terrormiliz anzuschließen. Der IS rief seine Anhänger daher zur Tötung von Vogel auf.[6] Vogel postete nach der Festnahme Walaas auf seiner Facebookseite: „Möge Allah uns vor dem Übel des ‚Abu Walaa‘ und seinen Lügen bewahren.“[7]

Ermittlungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl die Behörden schon länger gegen Abu Walaa ermittelten und der Verfassungsschutz ihn beobachtete, konnten ihm über einen langen Zeitraum keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden. Die Bundesanwaltschaft fand schließlich im Deutsch-Türken Anil O. (Jahrgang 1994) einen Kronzeugen. Er berichtete, wie Abu Walaa ihn in seiner Hildesheimer Moschee für den Dschihad begeisterte. O. war im August 2015 mit seiner Familie aus Deutschland über die Türkei nach Syrien gereist und hatte sich der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Dort wurde er im Umgang mit Waffen ausgebildet. Er forderte von Syrien aus Muslime in Deutschland auf, ebenfalls in das vom IS kontrollierte Gebiet zu kommen. Der Generalbundesanwalt ließ O. Ende September 2016 bei seiner Rückkehr aus Syrien am Flughafen Düsseldorf festnehmen.

Anis Amri, der 2016 den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche verübte, soll zum Netzwerk Walaas gehört haben.[1] Auch Dasbar W., der wegen IS-Mitgliedschaft zu fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde,[8] hat bei Walaa ein Seminar im mittlerweile verbotenen Moschee-Verein Deutschsprachiger Islamkreis (DIK) in Hildesheim besucht.[9]

Festnahme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Morgen des 8. November 2016 nahm die Polizei Abu Walaa in Bad Salzdetfurth und vier mutmaßliche Komplizen in Hildesheim sowie Nordrhein-Westfalen fest.[7][10] Ihnen wurde die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB vorgeworfen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger sagte nach der Festnahme: „Uns ist ein empfindlicher Schlag gegen Chefideologen der salafistischen Szene in Deutschland gelungen. […] Es ist heute zum Abschluss gekommen, was über viele Monate in guter Zusammenarbeit der Landeskriminalämter in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und der Bundesanwaltschaft ermittelt wurde.“[11]

Prozess[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle begann am 26. September 2017 der Strafprozess gegen Abu Walaa und vier weitere mutmaßliche Islamisten seines Netzwerks. Sie sollen Jugendliche als Kämpfer für den IS motiviert und sie auf den Weg in den Nahen Osten gebracht haben. Die Anklage des Generalbundesanwalts wirft Walaa eine Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor, den anderen vier Angeklagten die Unterstützung dieser ausländischen terroristischen Vereinigung.[12][13] Das Verfahren gegen den vierten Mitangeklagten wurde nach dessen Geständnis vom Verfahren abgekoppelt und hat im April 2020 zu einer Verurteilung zu drei Jahren und drei Monaten Haft geführt. Noch im September 2020 lief der Prozess gegen Abu Walaa und drei Mitangeklagte.[14] Am 24. Februar 2021 wurde er wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt.[15] Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt,[16] welche vom Bundesgerichtshof abgewiesen wurde. Somit wurde das Urteil im September 2022 rechtskräftig.[17]

2024 wurde bekannt, dass der Landkreis Viersen beabsichtigt, den in der Justizvollzugsanstalt Willich I einsitzenden Abu Walaa ausweisen. Dagegen reichte er eine Klage und einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf ein.[18]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Heil: The Berlin Attack and the “Abu Walaa” Islamic State Recruitment Network. In: CTC Sentinel, Band 10, Heft 2 (Februar 2017), S. 1–11 (online).
  • Lino Klevesath, Annemieke Munderloh, Marvin Hild, Joris Sprengeler: Der "Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim". Eine radikalislamische Moscheegemeinde im Kontext von Behörden und Stadtgesellschaft, Göttingen 2022 (online).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Christoph Elflein: Anis Amri und Abu Walaa: Ermittlungsakten zeigen Radikalisierungsmethoden. In: Focus Online. 31. Dezember 2016, abgerufen am 14. Oktober 2018.
  2. LTO: Urteil gegen IS-Deutschlandchef: BGH vewirft Revision. Abgerufen am 13. September 2022.
  3. Markus Decker: „Prediger ohne Gesicht“: Hassprediger Abu Walaa in Celle vor Gericht. In: Mitteldeutsche Zeitung, 26. September 2017.
  4. Alexander Haneke: Ferienlager vor dem Krieg. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. September 2017.
  5. Innenministerium verbietet Salafisten-Verein. In: Spiegel Online, 14. März 2016.
  6. Mordaufruf gegen Salafisten: Pierre Vogel steht auf IS-Abschussliste. In: n-tv.de, 14. April 2016.
  7. a b Christoph Sydow: Polizei stellt den „Prediger ohne Gesicht“. In: Spiegel Online, 8. November 2016, abgerufen am 30. September 2019.
  8. Nach zwei Jahren: Urteil im Eiszeit-Prozess gefallen. 2. Dezember 2020, abgerufen am 25. Februar 2021.
  9. Karlsruher Terrorverdächtiger hatte Kontakt zu Hassprediger Abu Walaa. 17. Januar 2018, abgerufen am 14. März 2023.
  10. Mitglieder eines überregionalen salafistisch-jihadistischen Netzwerks festgenommen. (Memento vom 18. Februar 2017 im Internet Archive) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Pressemitteilung 55/2016, 8. November 2016.
  11. Reinhard Bingener, Reiner Burger: Terrorverdächtige festgenommen: Das Netz des Abu Walaa. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 8. November 2016 (faz.net [abgerufen am 9. November 2016]).
  12. Prozessauftakt in Celle: „Prediger ohne Gesicht“ vor Gericht. Deutschlandfunk, 26. September 2017.
  13. Oberlandesgericht Celle – Pressemitt. 18. September 2017: Verfahren gegen Ahmad Abdulaziz Abdullah A. u. a.
  14. Abu-Walaa-Prozess: V-Mann kommt nicht zu Zeugenaussage. Süddeutsche Zeitung, 16. September 2020, abgerufen am 14. März 2023.
  15. Jonas Hermann: Der IS-Deutschland-Chef Abu Walaa wird zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Neue Zürcher Zeitung, 24. Februar 2021, abgerufen am 14. März 2023.
  16. Abu Walaas Verteidiger legt Revision gegen Urteil ein. Spiegel.de, 3. März 2021, abgerufen am 3. März 2021.
  17. Bundesgerichtshof bestätigt Urteil gegen IS-Anwerber Abu Walaa. zeit.de, 12. Sepbemter 2022, abgerufen am 27. Dezember 2022
  18. Hassprediger "Abu Walaa" wehrt sich gegen Abschiebung, NDR, 29. Januar 2024