Benutzer:Dreisam/Zeitpunkt des Exodus

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Der Exodus der Israeliten aus Ägypten wird im 2. Buch Mose der Bibel erzählt. Eine Gruppe von Sklaven folgt dem Religionsstifter Moses in die Wüste, um in das gelobte Land Kanaan zu gelangen. Die Erzählung vom Auszug der Hebräer aus Ägypten kann als der eigentliche Gründungsmythos der Juden betrachtet werden, in dem ihre Vorfahren von Moses mit der Gottheit JHWH vertraut gemacht werden. Wahrscheinlich enthält die Geschichte vom Exodus einen historischen Kern.

Diverse Autoren haben versucht, den Zeitpunkt des Exodus innerhalb der Chronologie des Neuen Reiches genauer zu bestimmen. In verschiedenen Arbeiten wurden sehr unterschiedliche Antworten vorgestellt.

Zeitpunkt des Exodus im 12. Jahrhundert BCE[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pharao des Exodus: Ramses III. (20. Dynastie, 1187 bis 1156 BCE)

Ein sehr spätes Datum für den Exodus hat Gary Rendsburg vorgeschlagen. Er legt den Auszug aus Ägypten in die Jahrzehnte vor 1150 BCE. Seine Überlegung basiert auf der Textstelle Ex 13,17 EU. Dort wird gesagt, dass JHWH die Israeliten nicht durch das Land der Philister schickte, um sie nicht mit dem dort stattfindenden Krieg zu erschrecken. Rendsburg meint, dass in dieser Textstelle die Invasion der Seevölker anklingt. Weil die Invasion für das 12. Jahrhundert BCE datiert wird, hätte der Exodus zur gleichen Zeit stattfinden müssen. Die meisten anderen Autoren folgen Rendsburg jedoch nicht in seiner Argumentation. Vielmehr sehen sie in Ex 13,17 einen textlichen Zusatz, der erst später bei der Niederschrift der Erzählung eingefügt wurde[1].

Zeitpunkt des Exodus im 13. Jahrhundert BCE („späte Datierung“)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pharao des Exodus: Ramses II. (19. Dynastie, 1279 bis 1213 BCE) oder Merenptah (19. Dynastie, 1213 bis 1204 BCE)

Für den Zeitpunkt des Exodus wird häufig der Zeitraum in den Jahrzehnten vor 1200 BCE angegeben. Nach der derzeit gültigen ägyptischen Chronologie herrschten damals die Pharaonen der 19. Dynastie. Eine Verbindung zum Exodus wurde im frühen 20. Jahrhundert auch durch die Merenptah-Stele belegt. Auf dieser Hieroglyphen-Tafel findet sich eine Erwähnung von Israel (Jjsrjr). Der Ägyptologe Flinders Petrie zog daraus eine Verbindung zum Exodus. Er meinte, die Stele würde von einer militärischen Auseinandersetzung mit den ausziehenden Israeliten berichten[2]. Laut der Hieroglyphen wäre dann allerdings der Pharao Merenptah siegreich aus der Konfrontation hervorgegangen. Das würde natürlich der biblischen Erzählung widersprechen. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass auf der Merenptah-Stele einfach von einer militärischen Expedition in das Land Kanaan berichtet wird. Dort – und eben nicht auf dem Weg dorthin – bekämpften die Truppen von Merenptah unter anderem eine Volksgruppe, die Israel genannt wurde (siehe Landnahme Kanaans#Die Stele des Merenptah).

Zeitliche Einordnung von Ra’amses und Pitom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hauptargument für den Auszug während der späten 19. Dynastie liegt in der biblischen Erwähnung der beiden Städte Ra’amses (Ex 12,37 EU; Num 33,3.5 EU, Num 33,5 EU) und Pitom (Ex 1,11 EU). Dort sollen die Israeliten Vorratshäuser gebaut haben. Pitom wird mit Per-Atum und Ra’amses mit Pi-Ramesse gleichgesetzt. Pi-Ramesse war die neue Hauptstadt des ägyptischen Reiches, die unter der Regierung von Ramses II. am pelusischen Nilarm gebaut worden war. Einige Jahrzehnte nach ihrer Fertigstellung verlagerte sich jedoch der Nilarm und damit der Hauptversorgungsweg der Stadt. Vermutlich deshalb wurde die Siedlung gegen Ende der 20. Dynastie allmählich aufgegeben. Schon während der 21. Dynastie diente sie als Steinbruch für jüngere Bauprojekte.

Wegen der eben dargestellten Stadtgeschichte wurde die Meinung vertreten, dass Pi-Ramesse schon etwa 200 Jahre nach ihrer Gründung wieder in Vergessenheit geraten war. Aus dieser Meinung können zwei Argumentationslinien abgeleitet werde, um den Exodus-Zeitpunkt festzustellen. Nur die erste stützt aber die Datierung für das späte 13. Jahrhundert BCE:

  1. Die Exodus-Erzählung basiert tatsächlich auf Ereignissen des späten 13. Jahrhunderts BCE, denn zu einem späteren Zeitpunkt wäre Ra’amses längst vergessen worden. Aus dem gleichen Grund müssen wesentliche Anteile der Erzählung auch bereits vor dem Jahr 1000 BCE niedergeschrieben worden sein[3].
  2. Die Exodus-Erzählung basiert auf Ereignissen, die weiter als das späte 13. Jahrhundert zurückliegen. Die Städte Pitom und Ra’amses wurden jedoch nachträglich in die Überlieferung eingefügt. Ihre Einfügung muss geschehen sein, bevor Pi-Ramesse dem Vergessen anheim fiel, also vor dem 10. Jahrundert BCE. Wenn die Städtenamen erst nachträglich eingefügt worden waren, können die historischen Städte Per-Atum und Pi-Ramesse nicht die Bauprojekte gewesen sein, an denen die Moses-Gruppe mitwirkte. Denn erst Ramses II. ließ Pi-Ramesse errichten. Stattdessen geht diese Argumentationslinie davon aus, dass die Erwähnung von Pitom und Ra’amses weiter ausgelegt werden muss. Nämlich als Ort der späteren Städte Per-Amun und Pi-Ramesse[4].

Neuere Forschung machte jedoch deutlich, dass Pi-Ramesse nicht so schnell vergessen wurde. Denn die Ramsesstadt wurde noch in Texten des ersten Jahrtausends BCE (1000 bis 1 BCE) erwähnt [5]. Die Niederschrift von Pitom und Ra’amses kann also auch noch im 1. Jahrtausend BCE erfolgt sein. Für eine späte Niederschrift sprechen noch zwei weitere Indizien:

  • Im Hebräischen wird Ra’amses mit s-Laut geschrieben. Das entspricht der Phonetik des 1. Jahrtausends BCE. Wäre der Name – beziehungsweise die Schreibweise – älter, wäre ein š-Laut verwendet worden (wie zum Beispiel im phonetisch alten Namen Mošæ).
  • In Ex 12,37 EU wird das hebräische Wort miskənôt (Vorratshäuser) verwendet. Dabei handelt es sich um ein akkadisches Lehnwort, das dem hebräischen Schreiber frühestens ab dem 8. Jahrhundert BCE (799 BCE oder jünger) geläufig gewesen sein dürfte[6].

Durch das Wort miskənôt kann Ex 12,37 EU frühestens aus dem 8. Jahrundert BCE stammen. Die Verwendung von Ra’amses widerspricht dieser Deutung nicht, weil diese Stadt eben nicht schon um die Jahrtausendwende vergessen worden war. Eine so späte Niederschrift lässt eine ganze Bandbreite von Exodus-Zeitpunkten zu. Wenn eine späte (19. Dynastie) oder sehr späte Datierung (20. Dynastie) favorisiert wird, sollten mit Pitom und Ra’amses die Städte Per-Atum und Pi-Ramesse gemeint sein. Wenn eine späte frühe (späte 18. Dynastie), frühe (mittlere 18. Dynastie) oder sehr frühe Datierung (frühe 18. Dynastie) bevorzugt wird, sollte mit Pitom und Ra’amses der Ort der späteren Städte Per-Amun und Pi-Ramesse und nicht die eigentlichen Städte gemeint sein.

Zeitpunkt des Exodus 1405 BCE[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pharao des Exodus: Amenophis II. (18. Dynastie, 1425 bis 1397 BCE)

Werden verschiedene Stellen des Alte Testaments möglichst wörtlich verstanden, sollte der Auszug aus Ägypten eigentlich im späten 15. Jahrhundert BCE stattgefunden haben. Für die genaue Festlegung des Zeitpunkts kommt es aber darauf an, welche Version des Alten Testaments zu Rate gezogen wird. Denn die entscheidende Textstelle in der ersten griechischen Übersetzung (Septuaginta) besitzt einen anderen Wortlaut als der heute verfügbare, hebräische masoretische Text. Dabei ist die Septuaginta älter als die Textkonzeption der Masoreten. Nach der Septuaginta soll der Auszug aus Ägypten 440 Jahre vor dem Bau des ersten Tempels in Jerusalem unter König Salomon erfolgt sein (6,1 LXX), das heißt 1405 BCE. Wenn die Israeliten tatsächlich 40 Jahre durch die Wüste wanderten ((Dtn 2,7 EU, Dtn 29,4 EU, Jos 5,6 EU), erreichten sie Kanaan im Jahr 1365 BCE. Daraufhin begannen sie die kriegerische Landnahme. Auf diese Weise könnten die in Kanaan mordenden und brandschatzenden Hebräer vielleicht mit den 'apiru gleichgesetzt werden, die als Unruhestifter/Räuber im Staatsarchiv der Pharaonen der 18. Dynastie vom Tell el-Amarna erwähnt werden[7]. Die ältesten erhaltenen Briefe stammen dabei aus der Herrschaftszeit von Amenophis III., der von 1388 bis 1351 BCE regierte. Gegen diese These spricht allerdings, dass zum gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion eine linguistische Verwandtschaft zwischen Hebräer und ’apiru abgelehnt wird[8]. Andererseits kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Kanaaniter, die in ihrer Not nach Amarna schrieben, in den einfallenden Israeliten 'apiru im Sinne von Räubern sahen.

Zeitpunkt des Exodus 1445 BCE (’’frühe Datierung’’)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pharao des Exodus: Thutmosis III. (18. Dynastie, 1479 bis 1425 BCE)

Wenn statt der Septuaginta eher dem masoretischen Text gefolgt wird, kann für den Exodus das Datum 1445 BCE errechnet werden, obwohl dies derzeit nur von wenigen Autoren vertreten wird[9][10]. Es wird sich vor allem auf zwei Bibelstellen berufen:

  • 1 Kön 6,1 EU: Nach dem masoretischen Text soll der Auszug aus Ägypten 480 Jahre vor dem Bau des salomonischen Tempels erfolgt sein.
  • Ri 11,26 EU: Zur Zeit des Richters Jiftach hielt das Volk Israel bereits seit 300 Jahren Gebiete im Ostjordanland besetzt.

Als Argument gegen eine frühe Datierung des Exodus wurde häufig angeführt, dass aus dem 15. Jahrhundert BCE keine archäologischen Spuren bekannt waren, die auf Bautätigkeiten in der Gegend von Per-Atum und Pi-Ramesse hindeuteten. Inzwischen sind jedoch solche Spuren in Tell el-Dab’a gefunden worden. Der Tell liegt in der Nähe der Fundstätten von Pi-Ramesse. Die Funde stammen aus der ersten Hälfte der 18. Dynastie. Hier ließen die Ägypter bis etwa 1450 BCE Speichereinrichtungen bauen, nachdem sie das Gebiet einige Jahrzehnte vorher von den Hyksos zurückerobert hatten. Speicher sind natürlich genau die Art von Gebäuden, die von den Israeliten nach Ex 12,37 EU in dieser Gegend gebaut worden sein sollen[11].

Zeitpunkte des Exodus nach Hyksos-Hypothesen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pharao des Exodus: Ahmose I. (18. Dynastie, 1550 bis 1525 BCE)

Einige Autoren möchten eine Verbindung sehen zwischen der Moses-Gruppe und den Hyksos. Die Hyksos waren ein semitisches Volk, das aus der Levante eingewandert war. Für 108 Jahre hielt es die Herrschaft über das östliche Unterägypten und Mittelägypten. Unter militärischem Druck wurden sie von Ahmose I. gezwungen, 1533 BCE das Land wieder zu verlassen. Für eine Verbindung zwischen biblischer Moses-Gruppe und Hyksos sprechen mehrere Punkte:

  • Die ersten Hyksos siedelten während der 11. Dynastie und 12. Dynastie in Unterägypten. Bis zu ihrer Vertreibung vergingen mehrere Jahrhunderte. Ihre Aufenthaltsdauer entspricht demnach ungefähr den biblisch überlieferten 430 Jahren (Ex 12,40 EU) (dem widersprechend aber Gen 15,16 EU).
  • Die Hyksos kehrten zurück nach Kanaan.
  • Die zurückweichenden Hyksos besaßen wahrscheinlich eine Größe, mit der eine Landnahme Kanaans gelingen konnte.
  • Die Sommerresidenz der Hyksos-Herrscher wurde im östlichen Nildelta erbaut in der Stadt Avaris. Die Ruinen von Avaris lagen in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt Pi-Ramesse, die Ramses II. ungefähr 300 Jahre später erbauen ließ. Mit Pitom und Ra’amses aus Ex 12,37 EU könnte die Gegend um Avaris gemeint sein.

Nach herkömmlicher Datierung geschah der Abzug der Hyksos im Jahr 1532 BCE. Das liegt 80 bis 100 Jahre vor jedem anderen Datierungsversuch. Der zeitliche Abstand ist so gewaltig, dass eine Gleichsetzung der Hyksos mit der Moses-Gruppe auf dem ersten Blick schwerlich nachvollziehbar wirkt.

Die beiden Archäologen Finkelstein und Silberman favorisieren deshalb bloß eine literarische Verquickung. Für sie basiert ein Teil der biblischen Erzählung auf die Rückkehr der Hyksos nach Kanaan und den damit wahrscheinlich einhergehenden kriegerischen Auseinandersetzungen. Die Hyksos wurden zum Vorbild der vieltausendköpfigen Schar der Israeliten des Auszugs aus Ägypten und der Landnahme Kanaans, wie sie in der Bibel erzählt werden. Ein anderer Teil der biblischen Erzählung geht wahrscheinlich auf eine viel kleinere Gruppe entlaufener Sklaven zurück, die von Moses zum Glauben an JHWH bekehrt wurde. Diese Gruppe sickerte erst später in Kanaan ein. Nun besaß Ägypten viele Sklaven, importierte häufig Sklaven aus der Levante und Nomaden und Handelszüge zogen ständig zwischen Unterägypten, Sinai und Kanaan hin und her. Die Existenz einer kleinen Moses-Gruppe scheint also nicht unwahrscheinlich[12].

Im Kontrast zu Finkelstein und Silberman sieht der britische Ägyptologe David Rohl in den Hyksos tatsächlich die Gruppe, die unter Moses in Richtung Kanaan aufbrach. Damit erschafft er sich selbstverständlich ein großes Datierungsproblem. Er versucht es zu lösen, indem er eine neue Chronologie entwickelte. Mit seiner neuen Chronologie würde das ägyptische Altertum um einige Jahrhunderte zusammen schrumpfen[13][14]. Rohls Chronologie hat jedoch keine weite Verbreitung gefunden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung scheinen alle Versuche, die Geschichte des Alten Ägypten nennenswert zu kürzen, kaum tragfähig[15].

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Inhalt dieses Wikipedia-Artikels basiert zu einem nicht unwesentlichen Teil auf Vorarbeiten von Autoren des Artikels Auszug aus Ägypten.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rendsburg G: The date of the Exodus and the Conquest/Settlement, the Case for the 1100s. In: Vetus Testamentum 42(1992): 510–517
  2. F. Petrie: Egypt and Israel. London 1912; R. Driver: The Book of the Exodus. Cambridge 1911 (zit. in J. K. Hoffmeier: Israel in Egypt: 124)
  3. Schmidt WH: Exodus, Sinai und Mose. Erwägungen zu Ex 1-19 und 24. Darmstadt 1983: 26-28
  4. J. K. Hoffmeier: Israel in Egypt: 123
  5. Gertz JC: Mose – Der historische Mose. In: Bauks M, Koenen K (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Stuttgart 2007. URL: http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/28069#h4
  6. Gertz JC: Mose – Der historische Mose. In: Bauks M, Koenen K (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet. Stuttgart 2007. URL: http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/28069#h4
  7. Weippert M: Die Landnahme der israelitischen Stämme. Göttingen 1967: 66-102
  8. Rainey AF: Canaanite in the Amarna Tablets: A Linguistic Analysis of the Mixed Dialect Used by Scribes from Canaan. Leiden 1996
  9. Bimson JJ: Reading the Exodus and Conquest. Sheffield 1978
  10. Align CF: Egypt and Bible History. Grand Rapids Mich 1981
  11. Bietak M: Avaris, The capital of the Hyksos. The British Museum, London 1996
  12. Finkelstein I, Silberman NA: Keine Posaunen vor Jericho. Princeton 1992: 78-82.
  13. Rohl D: A Test of Time: The Bible from Myth to History. London 1995
  14. Rohl D: The Lords of Avaris: Uncovering the Legendary Origins of Western Civilisation. London 2007
  15. Depuydt L: Wann regierte Echnaton? In: Spektrum der Wissenschaft 12/2008: 78-87

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