Bernsteinstraße

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Die Bernsteinstraße

Bernsteinstraße ist die Bezeichnung verschiedener Handelswege des Altertums (Altstraßen), auf denen (u.a.) Bernstein von der Nord- und Ostsee nach Süden in den adriatischen Mittelmeerraum gelangte.

Geschichte

Es gab außerhalb des Römischen Reichs einige wenige Handelswege, entlang welcher Bernstein seit der Vorzeit in die Alpenregion und nach Italien gelangte. Durch die Ausweitung des Imperium Romanum bis an die Donau wurde wahrscheinlich bereits unter Augustus und Tiberius zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. eine derartige Handelsroute als Staatsstraße (Römerstraße) auf dem Gebiet des Römischen Reichs ausgebaut.

Die wintersichere Verbindung zwischen Carnuntum an der Donau und Aquileia in Italien wird römische Bernsteinstraße genannt und ist dem römischen Straßennetz zugehörig. Der Verlauf dieser römischen Bernsteinstraße ist in der Tabula Peutingeriana verzeichnet. Plinius der Ältere (23-79 n. Chr.) berichtet, dass auf dieser Straße Bernstein von der Ostseeküste nach Aquileia transportiert worden sei. Ihm verdankt sie ihren Namen.

Verlauf

Der bereits in vorrömischer Zeit bedeutsame Handelsweg folgte in Niederösterreich der March und überquerte bei Carnuntum rund 50 km östlich von Wien die Donau. Unter Umgehung der Alpenpässe verlief die Straße von Carnuntum, Scarabantia (Sopron/Ödenburg), Savaria (Szombathely/Steinamanger) und Poetovio (Ptuj/Pettau) über Emona (Laibach, Ljubljana) nach Aquileia. Zwischen Sopron und Szombathely führte die Bernsteinstraße durch das Mittelburgenland (Bezirk Oberpullendorf), ein für Rom bedeutsames keltisches Eisenerzgebiet. Hier steht ein erhaltener Abschnitt der Straße unter Denkmalschutz. Der Ortsname (Bernstein im Burgenland) erinnert noch heute an den Verlauf der Bernsteinstraße in diesem Teil Österreichs. Im 3./4. Jahrhundert n. Chr. verliert sie ihre Bedeutung als Verbindung zwischen Italien und Carnuntum. Soweit die römische Bernsteinstraße nicht durch Überbauung mit modernen Straßen verschwunden ist, ist sie noch auf Luftbildern durch Bewuchsmerkmale im Getreide oder als leichter Schotterwall in frisch gepflügten Äckern erkennbar.

Lagerstätten

Baltischer Bernstein entstand in einem ausgedehnten Waldgebiet, das im Eozän große Teile des heutigen Skandinaviens, des Baltikums und Russlands bedeckte. Vom Ort seiner Entstehung wurde er durch überwiegend fluviatile Einflüsse in ein damals ungefähr südlich dieses Waldgebietes gelegenes Meeresgebiet geschwemmt. Die hieraus entstandene Bernsteinlagerstätte, bestehend aus marinen Sanden, vermischt mit Glaukonit, ist die so genannte "Blaue Erde", die im Samland zu Tage tritt (und vor dem Einsetzen der quartären Eiszeit möglicherweise auch an anderen Orten existierte[1]) Diese Bernsteinlagerstätte war ohne Zweifel schon in der Antike bekannt, möglicherweise auch deutlich früher. Unzweifelhaft ist ebenfalls, dass die Bewohner der Küstenregion aus dem an den Küsten des Samlandes angespülten Bernstein Schmuck- und Kultgegenstände gefertigt und eventuell bereits Ende der Bronzezeit mit Bernstein Handel betrieben haben.

Im Zuge des Weichselglazials, das vor rund 12.000 Jahren zu Ende ging, wurden Schollen dieser Blauen Erde von zum Teil beachtlicher Größen losgerissen und mit dem Eis in das Binnenland verfrachtet. Aus diesem Grunde kann Bernstein bis zur Vereisungsgrenze des Weichselglazials und in den Ablagerungen der Schmelzwasserströme, die durch das Abtauen der Eismassen entstanden, vorkommen. Wo die Schollen der Blauen Erde einigermaßen zusammenhängend abgelagert wurden, können Bernsteinfunde im Binnenland lokal auch gehäuft auftreten, wenn auch der Umfang solcher Vorkommen mit dem der Blauen Erde im Samland nicht annähernd vergleichbar ist. Einige solche Fundgebiete sind weiter unten beschrieben.

Der gezielte Abbau solcher Vorkommen hat in geschichtlicher Zeit immer wieder stattgefunden, jedoch selten systematisch über einen längeren Zeitraum, da die Vorkommen selbst unter optimalen Bedingungen recht begrenzt sind und die in früherer Zeit zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten Grabungen in größerem Stil nicht zuließen. Ob, wann und gegebenenfalls in welchem Umfang diese binnenländischen Bernsteinvorkommen in frühgeschichtlicher Zeit genutzt wurden, ist daher umstritten. Eher ist anzunehmen, dass sich die Gewinnung von binnenländischem Bernstein zumeist auf das Auflesen oberflächlich zu Tage tretenden Bernsteins beschränkte. Gleichwohl schließen einige Archäologen einen systematischen Abbau durch Grabungen auch für die Zeit des Mittelalters und der Antike in Gestalt des so genannten Duckelbergbaus nicht völlig aus.

Vor diesem Hintergrund waren Handelsplätze für Bernstein im Binnenland möglicherweise nicht nur Umschlagplätze von Händlern, sondern auch Orte, an denen die Handelsware gefördert wurde.[2][3][4][5]

Beispiele für gehäuftes Bernsteinvorkommen im Binnenland:

  • In vielen märkischen Gebieten - z. B. in Talsandflächen des Thorn-Eberswalder-Urstromtales - wurden im Zuge von Regulierungs- und Dammbauarbeiten Bernstein-Lagerstätten entdeckt. Archäologen vermuten in dieser Region des heutigen Polen ein Handelszentrum.
  • Nicht weit entfernt, im westlichen Thorn-Eberswalder-Urstromtal, fand man beim Bau des Finowkanals reiche Bernsteinlager; außerdem 1800 beim Mergelabbau eine Scholle Glaukonit-Sand mit Bernstein.
  • In der Region Kurpie (in Nordostpolen), insbesondere im Einzugsgebiet des Flusses Narew, etwas östlich der "Bernsteinstraße". Bereits mit Beginn der Besiedlung dieser Region, Ende des 15., anfangs des 16. Jahrhunderts, wurden lokale Anhäufungen von Bernstein entdeckt, der anfangs mit einfachen Mitteln gefördert und mit dem wahrscheinlich auch Handel getrieben wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhundert arbeiteten in zahlreichen kleinen Tagebaugruben, die sich in Staatsbesitz befanden und verpachtet wurden, bis zu 2.000 Menschen. In der Umgebung von Ostrołęka wurden auf einer Fläche von etwa 1000 km² in zahlreichen Gruben im Jahre 1835 etwa zwei Tonnen Bernstein gefördert. Mit dem Aufkommen der industriellen Bernsteinförderung im Samland kamen an der Wende vom 19. zum 20. Jahhrhundert die zuvor schon nachlassenden Aktivitäten in diesem Gebiet weitgehend zum Erliegen, wenngleich hier auch heute noch von Privatpersonen Bernstein ergraben wird.[6]

Einer der in diesem Sachzusammenhang bedeutendsten archäologischen Entdeckungen ist der so genannte Bernsteinschatz von Wroclaw-Patrynice mit einem Gesamtgewicht von 2.750 kg. Dass es sich hierbei um Handelsware gehandelt hat daran erkennbar, dass die Stücke der Größe nach sortiert waren. Die Fundstücke stammen vermutlich aus dem 1. oder 2. Jahrhundert v. Chr.[7]

Weitere Handelsrouten

Die Bernsteinhändler der Antike wählten mit ihrer kostbaren Fracht die vermeintlich sichersten Routen. Dieser Weg änderte sich wegen Überfällen und Völkerwanderungen mehrmals. Bei gleichwertigen Alternativen wählte man Flussläufe, an denen im Laufe der Zeit eine steigende Zahl Karawansereien Übernachtungsmöglichkeiten bot.

Man unterscheidet vier Routen. Die drei Landrouten mit ihren Varianten orientieren sich an den großen Flussläufen:

  • Die Nordseeroute (von und über England)
  • Die östliche, älteste Landroute (Weichsel)
  • Die mitteldeutsche Landroute (Oder und Elbe)
  • Die westdeutsche Landroute (Rhein und Maas)

Die beiden letztgenannten, vermutlich seit der Bronzezeit bestehenden Routen liefen - von Massilia (heute Marseille) und Venedig kommend - in Treva (heute Hamburg) zusammen und führten von dort sehr wahrscheinlich an die Nordseeküste von Eiderstedt.[8] In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass vor mehr als 2.000 Jahren im antiken Griechenland die Nord- und Ostfriesischen Inseln aufgrund der von dort bekannten Bernsteinfunde als "Elektriden" (von "elektron" = griechisches Wort für Bernstein) bezeichnet wurden, wodurch die mutmaßliche Bedeutung dieser Handelsroute unterstrichen wird.

Details zur Nordseeroute

Das westlichste Bernsteinvorkommen wurde bei Cromer in der Grafschaft Norfolk an der englischen Ostküste entdeckt. Als Zeitraum für einen Tauschhandel wird 1600 - 600 vor Christus angegeben. [9].

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. D. Zawischa: Einschlüsse in Bernstein. In Arbeitskreis Paläontologie Hannover 21, Heft 1,2, Hannover 1993
  2. Kurt Hucke: Die Sedimentärgeschiebe des norddeutschen Flachlandes. Quelle & Meyer, Leipzig 1917.
  3. Kurt Hucke: Einführung in die Geschiebeforschung. Nederlandse geologische Verenigning, Oldenzaal 1967.
  4. Rainer Schulz: Vokommen von Bernstein in Nordbrandenburg. In Entdeckungen entlang der Märkischen Eiszeitstraße 5, Eberswalde 2001.
  5. Rolf Reinicke: Bernstein im vorpommerschen Küstengebiet. In: Bernstein - Tränen der Götter., Bochum 1996.ISBN 3921533570
  6. J. Jastrzebski: Gewinnung von Bernstein in Kurpie, Nordost-Polen. In: Metalla Sonderheft, Bochum 1997.
  7. H. Lüddecke: Bernstein. In Arbeitskreis Paläontologie Hannover 21, Heft 1,2; Hannover 1993.
  8. Karl Andrée: Der Bernstein. Das Bernsteinland und sein Leben. Stuttgart 1951.
  9. Karl Jülicher: Das Gold des Nordens. In der Zeitschrift Pan, April 1982

Literatur

  • H. Bender: Römische Straßen und Straßenstationen. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands 13, Hg. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern e.V., Stuttgart 1975.
  • Janos Gömöri- M. Buora: Die Bernsteinstraße in der Römerzeit und die Rolle von Aquileia. Ausstellungskatalog: Römische Bernsteinfunde aus Aquileia und Scarabantia von der Sammlungen der Museen in Udine und Sopron. Hg.: Scarbantia Társaság, Sopron o.J.
  • Irene Heiling: Die Römische Bernsteinstraße im Mittelburgenland. Bgld. Heimatbl. 51/3, 1989, 91ff.
  • Karl Kaus: Lagerstätte und Produktionszentrum des Ferrum Noricum. Leobener Grüne Hefte, N.F. 2, 74ff.
  • Sigrid Strohschneider-Laue: Die römische Bernsteinstraße. AÖ 4/1 (MUAG XLIII), 1993, 69–70.
  • G. Winkler: Die römischen Straßen und Meilensteine in Noricum - Österreich. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands, Hg. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern e.V., Stuttgart 1985.
  • F. Jedlicka: Ein Stück Bernsteinstraße im nordöstlichen Weinviertel. Hg. Österreichischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. [1]
  • Markus Zohner: Die Wiederentdeckung der Bernsteinstraße - zu Fuß von Venedig nach Sankt Petersburg. FIZZO Photo Book Film Verlag, ISBN 9788890456091