Christian Klar

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Christian Georg Alfred Klar (* 20. Mai 1952 in Freiburg im Breisgau) ist ein ehemaliges Mitglied der sogenannten „Zweiten Generation“ der linksterroristischen Rote Armee Fraktion (RAF), die zwischen dem Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre aktiv war. Er ist wegen gemeinschaftlich verübten, mehrfachen Mordes rechtskräftig verurteilt und seit 1982 in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal inhaftiert.

Am 24. November 2008 entschied das Oberlandesgericht Stuttgart, dass Christian Klar im Januar 2009 aus der Haft entlassen wird.[1] Begründet wird dies damit, dass er von zwei Gutachtern wie auch der Bundesanwaltschaft zwar als uneinsichtig, aber ungefährlich eingestuft wurde.[2] Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgelegt.

Leben

Klars Mutter war Gymnasiallehrerin in Karlsbad, sein Vater Vizepräsident des Oberschulamtes Karlsruhe. Christian Klar hat vier Geschwister. Er besuchte das Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach und das Eichendorff-Gymnasium in Ettlingen, an dem er 1972 sein Abitur ablegte. Im Anschluss studierte er Geschichte und Philosophie in Heidelberg. Er war für kurze Zeit Mitglied der FDP[3] sowie der Jungdemokraten.[4]

1973 zog er zusammen mit Adelheid Schulz und Günter Sonnenberg in eine Wohngemeinschaft nach Karlsruhe. Später zog auch Knut Folkerts dort ein. Am 30. Oktober 1974 beteiligte er sich an der Besetzung des Hamburger Büros von Amnesty International, um auf die Haftbedingungen von RAF-Terroristen nachdrücklich aufmerksam zu machen.[5] Er wurde 1976 Mitglied der RAF.

Bei den RAF-Morden im „Deutschen Herbst“ 1977 war Klar beteiligt. Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, welchem RAF-Terroristen die jeweiligen Todesschüsse zuzuschreiben sind.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs erließ 1979 Haftbefehl gegen ihn. Zu diesem Zeitpunkt war sein amtlich bekannter Wohnsitz in Karlsruhe. Am 16. November 1982 wurde er bei Friedrichsruh im Sachsenwald bei Hamburg verhaftet, wo sich ein Waffendepot („Daphne“) der RAF befand. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte ihn am 2. April 1985 im selben Prozess wie Brigitte Mohnhaupt wegen aller Taten der RAF seit 1977 - u. a. wegen gemeinschaftlichen Mordes an dem damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback, dem damaligen Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG, Jürgen Ponto und Hanns Martin Schleyer - zu sechsmal lebenslänglich und einer zeitigen Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Dabei wurde die „besondere Schwere der Schuld“ festgestellt, die eine vorzeitige Haftentlassung verhindert. 1992 wurde er in einem zusätzlichen Prozess wiederum lebenslang verurteilt.

Im Jahr 1997 entschied das Oberlandesgericht Stuttgart, dass die Mindestverbüßungsdauer 26 Jahre beträgt; ein vorzeitige Begnadigung wurde im Jahr 2007 von Bundespräsident Horst Köhler abgelehnt (siehe Abschnitt Kontroverse um die Haftentlassung). Am 24. November 2008 entschied das OLG Stuttgart, dass Klar nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer am 3. Januar 2009 aus der Haft auf Bewährung entlassen wird. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahre.[6]

Morde und Mordversuche

Christian Klar wurde 1985 vom Oberlandesgericht Stuttgart wegen neunfachen, gemeinschaftlich begangenen Mordes und elffachen Mordversuchs verurteilt. Im einzelnen waren dies[7]:

  • 5. Januar 1977 – Versuchter Mord an einem schweizerischen Grenzbeamten in Riehen und einem Autofahrer, dessen Fahrzeug er stehlen wollte
  • 7. April 1977 – Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinem Fahrer und seinem Leibwächter
  • 30. Juli 1977 – Mord an Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank
  • 25. August 1977 – Versuchter Raketenanschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft
  • 5. September 1977 – Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, Ermordung seines Fahrers und seiner drei Leibwächter
  • 18. Oktober 1977 – Ermordung Hanns Martin Schleyers
  • 19. November 1979 – Banküberfall in Zürich, Schüsse auf Polizisten und eine Passantin „in Tötungsabsicht“, erneut mit dem Ziel, ihr Fahrzeug zu stehlen
  • 15. September 1981 – Anschlag auf den Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte in Europa, Frederick J. Kroesen, seine Frau, seinen Fahrer und einen Begleiter

In einem von Widersprüchen nicht freien Interview mit dem Spiegel (Nr. 17 – 23. April 2007) gab Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock an, dass nach seinen Informationen Christian Klar als „unmittelbar Beteiligter“ an der Ermordung Siegfried Bubacks und seiner Begleiter ausscheide, und bestätigte die Aussage der ehemaligen RAF-Angehörigen Verena Becker gegenüber dem Verfassungsschutz, dass Stefan Wisniewski vom Soziussitz eines Motorrads die tödlichen Schüsse auf den Generalbundesanwalt abgegeben habe.[8]

Kurz nach den Buback-Morden wurde Verena Becker zusammen mit Sonnenberg im Mai 1977 festgenommen und bei ihr die Tatwaffe im Fall Buback sichergestellt. Michael Buback wies in der aktuellen Diskussion auf seiner Meinung nach unzureichend ausgewertete Zeugenaussagen hin, die auf eine Frau als Mörderin seines Vaters hingewiesen hätten.[9]

Kontroverse um die Haftentlassung

Günter Gaus hatte Christian Klar, nachdem er ihn am 22. November 2001[10] für das Fernsehen interviewt hatte, ermutigt, ein Gnadengesuch zu stellen. In dem Interview erklärte Klar, gefragt zum Thema „Schuldbewusstsein und Reuegefühle“:

„In dem politischen Raum, vor dem Hintergrund von unserem Kampf sind das keine Begriffe.“
„Aber es könnten persönlich doch Begriffe sein, die Bedeutung haben, wegen der Opfer? […]“
„Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere die Gefühle, aber ich mache sie mir nicht zu Eigen. Das sitzt zu tief drin, dass gerade hier in den reichen Ländern zu viele Menschenleben nichts zählen. Vor der Trauer müsste sich sehr viel ändern. Belgrad wird bombardiert. […] In vielen Ländern werden Verhältnisse hergestellt, wo ein Menschenleben nicht mal einen Namen hat.“

Interview von Günter Gaus mit Christian Klar; Spiegel 5/2007

Das Gnadengesuch von Christian Klar geht auch auf die Bemühungen von Rolf Becker, der von 2003 bis 2006 offiziell ehrenamtlicher Betreuer von Klar war, zurück. 2003 hatte Becker bei dem Intendanten Claus Peymann um einen Praktikumsplatz für Klar nachgefragt; dieser bot ihm 2005 einen Ausbildungsplatz zum Bühnentechniker am Berliner Ensemble an.[11][12] Die dafür notwendige Verlegung nach Berlin und der Status als Freigänger wurde ihm zunächst nicht bewilligt.

Ende Januar 2007 entwickelte sich über das Gnadengesuch Klars eine lebhafte Debatte, in der sich unter anderem der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und der Regisseur Volker Schlöndorff[13] für eine mögliche Haftentlassung Christian Klars aussprachen. Zu den Gegnern einer Entlassung zählen neben der Witwe Hanns Martin Schleyers, Waltrude Schleyer auch Guido Westerwelle, Günther Beckstein und CSU-Generalsekretär Markus Söder. In der öffentlichen Diskussion über eine vorzeitige Entlassung stand die Frage nach möglichen Gründen eines Gnadenaktes, wie ein öffentliches Reue- und Schuldbekenntnis oder klärende bzw. denunzierende Aussagen unaufgeklärter Morde im Vordergrund, da in dieser Hinsicht keine Vorzeichen sichtbar waren.

Eine von Klar verfasste, auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13. Januar 2007 verlesene kapitalismuskritische Grußbotschaft, die am 15. Januar 2007 in der Tageszeitung junge Welt[14][15] und nochmals am 31. Januar 2007 in der Beilage dieser Zeitung mit den Konferenzbeiträgen in voller Länge veröffentlicht wurde, wurde zunächst von der Öffentlichkeit nicht beachtet. Als am 26. Februar 2007 das ARD-Fernsehmagazin Report Mainz über diesen Text auszugsweise berichtete, wurde erneut über eine Begnadigung, aber auch um sein Recht der freien Meinungsäußerung diskutiert. Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) gab am 28. Februar 2007 bekannt, dass Klar vorerst keine Haftlockerungen erhalten wird und ein bereits vorher fertiggestelltes Gutachten durch ein Gegengutachten von Hans-Ludwig Kröber überprüft werden soll. Klar versucht gerichtlich gegen eine erneute Begutachtung vorzugehen. Dieses erste Gutachten hatte er sich gegen den Widerstand des Justizministeriums per Gerichtsbeschluss erstreiten müssen.[16]

In einem Brief Klars nach der Veröffentlichung seiner Grußbotschaft bezeichnet dieser einige Medien und Politiker als „Meinungsblockwarte“.[17]

Am 7. Mai 2007 lehnte Bundespräsident Horst Köhler ein Gnadengesuch Klars ab.[18] Köhler hatte vor seiner Entscheidung am 4. Mai 2007 Klar an einem geheim gehaltenen Ort in Süddeutschland zu einer persönlichen Anhörung getroffen.

Nach Ablehnung des Gnadengesuches geht es jetzt um eine gerichtliche Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57a StGB) nach Ablauf der vom Gericht festgesetzten Mindestverbüßungszeit von 26 Jahren. Voraussetzung für eine solche Entlassung ist normalerweise, dass der Gefangene „in Lockerungen erprobt“ wurde. Dies wurde Christian Klar bisher auf Intervention des Justizministers verweigert. Es ist umstritten, ob der Minister als Aufsichtsbehörde der zuständigen Anstaltsleitung derart spezifische Weisungen erteilen darf.[19] Am 24. April 2007 verkündete das Landgericht Karlsruhe, dass Christian Klar Hafterleichterung bekommt.[20] Christian Klar beabsichtigt weitere Hafterleichterungen einzuklagen, da der Vollzugsplan ursprünglich begleitete Ausgänge, Freigang, Sonderurlaub und offenen Vollzug vorsah.[16] Anfang 2008 ordnete der BGH Beugehaft für Klar an, um die näheren Einzelheiten des Bubackmordes zu erfahren. Im Zuge der Beugehaft wurden die Hafterleichterungen aufgehoben.

Einzelnachweise

  1. Fünf Jahre Bewährung: Klar kommt frei. 24. November 2008, abgerufen am 28. November 2008.
  2. Christian Klar: Uneinsichtig, aber ungefährlich. 24. November 2008, abgerufen am 28. November 2008.
  3. http://www.freitag.de/2001/52/01521002.php
  4. http://www.taz.de/pt/2005/03/22/a0038.1/text.ges,1
  5. Christian Klar wartet auf Begnadigung. Tagesanzeiger, 12.1.2007
  6. Die Welt: Ex-RAF-Terrorist Christian Klar kommt frei vom 24. November 2008.
  7. http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EA3C48126CE5C484DB2B86F6988176CCF~ATpl~Ecommon~Scontent.html
  8. Spiegel Online: Wisniewski soll Buback-Mörder sein
  9. http://www.stern.de/politik/deutschland/:RAF-Hat-Verena-Becker-Buback/588219.html
  10. Gaus-Interview mit Christian Klar: Doku-Drama hinter Gittern Der SPIEGEL, Heft 5/2007
  11. Köhler entscheidet im zweiten Halbjahr. Focus, 3. Februar 2007
  12. „Er bereitet sich auf ein anderes Leben vor“. Abendblatt, 11. Februar 2007
  13. „Begnadigt wird nicht die Tat, sondern der Mensch“ Der Spiegel, 31. Januar 2007
  14. „Das geht anders”. junge Welt, 15. Januar 2007
  15. junge Welt, Dokumentation der Grußbotschaft
  16. a b [1]
  17. Spiegel-Online: Klar greift Politiker an, Viett rechtfertigt Terror
  18. bundespraesident.de: Bundespräsident Horst Köhler hat über die Gnadengesuche von Herrn Christian Klar und von Frau Birgit Hogefeld entschieden.
  19. www.strafvollzugsarchiv.de
  20. Spiegel Online: Klar bekommt Hafterleichterung


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