Erhard Schmidt (Mathematiker)
Erhard Schmidt (* 1. Januarjul. / 13. Januar 1876greg.[1] in Dorpat (heutiges Tartu, Estland); † 6. Dezember 1959 in Berlin) war ein deutscher Mathematiker, der vor allem in der Funktionalanalysis arbeitete.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schmidt war der Sohn des Professors für Physiologie in Dorpat Alexander Schmidt, der bedeutende Arbeiten zur Erklärung der Blutgerinnung leistete. Er studierte nach dem Besuch der Gymnasien in Dorpat und Riga zunächst an der Kaiserlichen Universität Dorpat und dann in Berlin Mathematik bei Hermann Amandus Schwarz sowie in Göttingen unter David Hilbert, wo er 1905 mit einer Arbeit über Integralgleichungen promoviert (Entwickelung willkürlicher Functionen nach Systemen vorgeschriebener) wurde. Hilbert war gerade mitten in seinem Programm der Entwicklung der Grundlagen dessen, was heute Funktionalanalysis genannt wird, und Schmidt wurde darin einer seiner wichtigsten Mitstreiter. 1906 habilitierte er sich in Bonn bei Eduard Study und ging dann über Stationen als Professor in Zürich (1908), Erlangen und Breslau nach Berlin, wo er 1917 Nachfolger von Schwarz wurde. Mit den bald darauf berufenen Ludwig Bieberbach und Issai Schur sowie dem auf Betreiben Schmidts eingerichteten Lehrstuhl für angewandte Mathematik, der mit Richard von Mises besetzt wurde, bildete Berlin in den 1920er Jahren eines der Anziehungszentren für Mathematik in Deutschland. 1929–1930 war er Rektor der Universität Berlin. Er war aber nicht nur ein guter Organisator, sondern ein erfolgreicher und mitreißender Lehrer, wie Heinz Hopf bezeugt, der ihn 1917 in Breslau hörte und später in Berlin bei ihm studierte. 1950 emeritierte er, blieb aber bis 1958 Direktor des Forschungsinstituts für Mathematik der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Er gehörte zu den Gründern zweier wichtiger deutscher Journale: Mathematische Zeitschrift (1918) und Mathematische Nachrichten (1948).
In den Jahren 1927 und 1928 und erneut von 1935 bis 1936 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und 1936 Leiter der deutschen Delegation auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Oslo. Seit 1918 war er Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1942 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt. 1956 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Académie des sciences aufgenommen.[2]
Schmidt gilt als einer der Begründer der Funktionalanalysis, viele Konzepte in der Theorie der Hilberträume, die aus der Untersuchung von Integralgleichungen in der Hilbert-Schule entstand, stammen von ihm. Er vereinfacht die Darstellungen bei Hilbert und Ivar Fredholm wesentlich und behandelt auch nichtlineare Integralgleichungen. Bekannt ist das Gram-Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren[3] für die Entwicklung eines Orthonormalsystems von Eigenfunktionen. In den Rendicondi di Circolo Math. di Palermo von 1908 behandelt er die Auflösung unendlich dimensionaler Gleichungssysteme unter verschiedensten Gesichtspunkten. Mit der Umformulierung der Theorie in den Händen seines Schülers John von Neumann konnte sich Schmidt nie anfreunden.
Schmidt arbeitete auch in der analytischen Zahlentheorie, der Topologie (neuer einfacher Beweis des Jordanschen Kurvensatzes, Sitzungsberichte Preuss.Akad.Wiss. 1923) und zuletzt ab 1939 über die isoperimetrische Probleme in der Geometrie. In frühen Arbeiten beschäftigte er sich auch mit der Definition der Inhaltsbegriffe und der Kurvenlänge in der Analysis.
Er war seit 1909 mit Berta von Bergmann verheiratet, die 1916 bei Geburt des dritten Sohnes starb.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Annette Vogt: Schmidt, Erhard. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Erhard Schmidt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- John J. O’Connor, Edmund F. Robertson: Erhard Schmidt (Mathematiker). In: MacTutor History of Mathematics archive (englisch).
- Erhard Schmidt im Mathematics Genealogy Project (englisch)
- Erhard Schmidt in der Datenbank zbMATH
- Schmidt: Zur Theorie der linearen und nichtlinearen Integralgleichungen. Teil 1, Mathematische Annalen Band 63 1907, Teil 2 ist hier: gdz.sub.uni-goettingen.de, Teil 3 aus Mathem. Annalen Band 65, 1908, ist hier: gdz.sub.uni-goettingen.de
- Dinghas: Erhard Schmidt. Jahresbericht DMV 1970/1
- Hans Rohrbach: Erhard Schmidt zum Gedächtnis. Jahresbericht DMV 1967/8
- Publikationsverzeichnis von Schmidt
- Biographie von Karin Reich
- Reinhard Siegmund-Schultze: Erhard Schmidt, in: NDB-online.
Quellen und Fußnoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eintrag im Taufregister der Universitätsgemeinde zu Dorpat (estnisch: Tartu ülikooli kogudus)
- ↑ Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe S. Académie des sciences, abgerufen am 27. Februar 2020 (französisch).
- ↑ Mathematische Annalen Band 63, 1907. Benannt auch nach dem dänischen Mathematiker Jörgen Gram, aber auch schon Laplace bekannt.
Personendaten | |
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NAME | Schmidt, Erhard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Mathematiker und Mitbegründer der modernen abstrakten Funktionalanalysis |
GEBURTSDATUM | 13. Januar 1876 |
GEBURTSORT | Dorpat (heutiges Tartu), Estland |
STERBEDATUM | 6. Dezember 1959 |
STERBEORT | Berlin |
- Mathematischer Analytiker (20. Jahrhundert)
- Hochschullehrer (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Standort Erlangen)
- Rektor (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
- Korrespondierendes Mitglied der Académie des sciences
- Träger des Nationalpreises der DDR I. Klasse für Wissenschaft und Technik
- Deutscher
- Geboren 1876
- Gestorben 1959
- Mann
- Absolvent der Georg-August-Universität Göttingen