Georg Graber

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Schloss Leonstain in Pörtschach am Wörther See
Gedenktafel am Geburtshaus Schloss Leonstain in Pörtschach am Wörther See

Georg Graber (* 15. April 1882[1] in Pörtschach am Wörther See; † 27. August 1957 in Klagenfurt am Wörthersee) war ein österreichischer Lehrer, Altphilologe, Erzählforscher und Volkskundler.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georg Graber studierte an den Universitäten Graz, Wien und Leipzig Germanistik und klassische Philologie. Bereits im Jahre 1905 promovierte er mit der Dissertation Das Sprunghafte im deutschen Volkslied. – Ein Beitrag zur Textkritik und Erklärung des Volksliedes.[2] zum Doktor der Philosophie.

Berufliches Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schuldienst ab 1905[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch im selben Jahr kehrte er nach Kärnten zurück und begann seine Lehrtätigkeit, zunächst an den Gymnasien in Klagenfurt und Villach und ab 1909 an der renommierten Lehrerbildungsanstalt in Klagenfurt.

Nachdem der Direktor dieser Bildungsstätte, Karl Schranzer, am 18. Juli 1919 überraschend verstorben war, wurde Graber einstweilen mit der Schulleitung betraut und überdies am 9. Mai 1921 zum Direktor des Instituts ernannt. In dieser Position wirkte Georg Graber bis zum Jahre 1926, als er der Berufung zum Landesschulinspektor für Pflichtschulen in Kärnten nachkam. Für seine erfolgreiche Tätigkeit im Schuldienst erhielt Graber 1932 durch Bundespräsident Wilhelm Miklas den Titel eines Hofrates verliehen.

Während der Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1940 bis 1945 leitete Grabner die Abteilung „Kultur und Gemeinschaftspflege“ in der Landeshauptmannschaft und Reichsstatthalterei Kärnten[3] und wirkte ab 1942 als Leiter der Stelle für Volkskunde am, als Teil des NS-Ahnenerbes in Klagenfurt neugegründeten, Institut für Kärntner Landesforschung der Universität Graz.[4][5] Hauptaufgabe dieser Forschungsstätte, die als Gegengewicht zur Universität Laibach/Ljubljana geschaffen und von Eberhard Kranzmayer geleitet wurde, war es, den deutschen Anspruch auf das okkupierte Gebiet Oberkrains historisch zu festigen. Zusätzlich unterrichtete Grabner von 1943 bis 1945 als Honorarprofessor für Kärntnerische Volkskunde an der philosophischen Fakultät der Universität Graz.[4]

Graber wurde 1941 in die NSDAP aufgenommen (Mitgliedsnummer 8.412.465).[6] Dem Nationalsozialistischen Lehrerbund war er am 1. Juni 1938 beigetreten. Graber war förderndes Mitglied der SS, außerdem engagierte er sich bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, dem Reichsluftschutzbund, dem Reichslehrerbund, dem Reichsbund der Deutschen Beamten und dem Kyffhäuserbund. In der Kärntner Wissenschaftsgeschichte wird Graber gerne als der eigentliche Begründer der kritischen, streng wissenschaftlichen volkskundlichen Forschung im Lande gesehen. Das Gegenteil ist nach dem Historiker Werner Koroschitz der Fall: Nur allzu willfährig stellte Graber seine volkskundlichen Forschungen in den Dienst nationalsozialistischer Herrschaftsphantasien. Seine Zusammenarbeit mit der rassisch-ideologisierten Volkskunde des Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe der SS ab 1938 und seine Publikationen im Rahmen seiner Tätigkeit am Institut für Kärntner Landeskunde geben ein beredtes Zeugnis vom Ineinandergreifen von Wissenschaft und Politik in Grabers Publikationen. Graber gehörte unter anderem zu den ausgewählten österreichischen Volkskundlern, die in dem Sonderheft der von der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe herausgegebenen Zeitschrift „Germanien“, mit dem Titel „Österreich – deutsches Land“, den „Anschluss“ bejubelten.[7]

Schulaufsicht und Rassismus nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er wieder in den Schulaufsichtsdienst zurück und arbeitete bis zu seiner beruflichen Pensionierung im administrativen Bereich. Auch während seines Ruhestandes widmete er sich weiterhin intensiv der Erforschung des Sagen- und Märchenguts seiner Kärntner Heimat. Ebenso gelang es ihm, in dieser Zeit noch einige seiner Arbeiten antiquierter Volkstumswissenschaften zu publizieren. Er verfocht in seinen volkskundlichen Darstellungen Kärntens auch nach 1945 weiterhin unbeirrt rassistische Ansätze und Wertungen. Im Jahre 1957 verstarb Georg Graber im Alter von 75 Jahren. Ein Teil seines akademischen Nachlasses befindet sich in der volkskundlichen Abteilung im Landesmuseum für Kärnten in der Landeshauptstadt Klagenfurt. Der Traditionsverband Kärntner Landsmannschaft verlieh seit 1981 für „besondere“ Verdienste im Bereich der Volkskultur und Volkskunde die Georg-Graber-Medaille.[8]

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Schlag mit der Lebensrute, eine uralte Form des Erdkultes, In: Carinthia I. Klagenfurt, 1910.
  • Die Vierberger. Beitrag zur Religions- und Kulturgeschichte Kärntens, In: Carinthia I. Klagenfurt, 1912.
  • (Hrsg.) Sagen aus Kärnten, Dieterich, Leipzig, 1914.
  • Der Einritt des Herzogs von Kärnten am Fürstenstein zu Karnburg, Hölder, Wien, 1919.
  • (Hrsg.) Kärntner Volksschauspiele, Das Weihnachtsspiel, Bd. 1, Österreichischer Schulbücherverlag, Wien, 1922.
  • (Hrsg.) Kärntner Volksschauspiele, Das Kärntner Paradeisspiel, Bd. 2, Österreichischer Schulbücherverlag, Wien, 1923.
  • (Hrsg.) Kärntner Volksschauspiele, Das Kärntner Spiel vom Leiden und Sterben Christi, Bd. 3, Österreichischer Schulbücherverlag, Wien, 1923.
  • (Hrsg.) Der Kärntner Totentanz, Österreichischer Schulbücherverlag, Wien, 1924.
  • (Hrsg.) Kärntner Sagen. Eine Auslese., Artur Kollitsch, Klagenfurt, 1925.
  • (Hrsg.) Das Gmünder Hirtenspiel aus dem siebzehnten Jahrhundert oder Die Geburt unseres Herrn Jesu Christi, Spittal an der Drau, Selbstverlag, 1930.
  • (Hrsg.) Passionsspiel aus Köstenberg: Das Leiden Christi. Ein Trauerspiel in 3 Aufzügen, Leykam, Graz, 1937.
  • Volksleben in Kärnten, Leykam, Graz, 1938. (daraus die Dokumentationen: Weihnachten in Kärnten. und Von Stephanstag bis Dreikönig in Kärnten. Auf sagen.at)
  • Volkskundliches, In: Oberkrain, Gaupresseamt der NSDAP Kärnten, Krainburg, 1942. (Gemeinsam mit Viktor Paschinger und Martin Wutte).
  • (Hrsg.) Ein Kärntner Spiel vom Doktor Faust, Nach einer Handschrift d. Klosters St. Georgen am Längsee, Leykam, Graz, 1943.
  • Briccius in Heiligenblut, Kleinmayr, Klagenfurt, 1950.
  • Hildegard von Stein und ihre Stiftung, Kleinmayr, Klagenfurt, 1952.
  • Holzstabkalender in Kärnten, In: Carinthia I. Klagenfurt, 1954.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Johannes Bolte: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, gesammelt und herausgegeben. Leipzig, Th. Weicher 1914. (Buchanzeige [Rezension]) In: Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 24. Jahrgang, Behrend, Berlin, 1914, S. 327–328. (Onlineversion auf openlibrary.org)
  • Hannjost Lixfeld (Hrsg.): The nazification of an Academic Discipline. Folklore in the Third Reich. Indiana Univ. Press, Indianapolis, 1994. ISBN 0-253-31821-1.
  • James R. Dow, Olaf Bockhorn: The Study of European Ethnology in Austria. Ashgate, Aldershot, 2004. ISBN 0-7546-1747-5.
  • Michael Wedekind: The Sword of Science. German Scholars and National Socialist Annexation Policy in Slovenia and Northern Italy. In Michael Fahlbusch (Hrsg.): German Scholars And Ethnic Cleansing 1920-1945. Berghahn Books, New York, 2006, S. 272–283. ISBN 1-57181-435-3.
  • Olaf Bockhorn: "Die Angelegenheit Dr. Wolfram, Wien" – Zur Besetzung der Professur für germanisch-deutsche Volkskunde an der Universität Wien. In: Mitchell G. Ash; Wolfram Nieß; Ramon Pils (Hrsg.): Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus. Das Beispiel der Universität Wien. V&R Unipress, Göttingen, 2010, S. 199–225. (englisch) ISBN 978-3-89971-568-2.
  • Werner Koroschitz: Bericht zu den (nationalsozialistisch) belasteten Straßennamen in Villach, Villach 2019, online.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Geburtsbuch IV - P08_004-1 | Poertschach am Woerther See | Kärnten: Rk. Diözese Gurk | Österreich | Matricula Online. Abgerufen am 14. Dezember 2021.
  2. Veröffentlicht, Klagenfurt, 1907, in: 57. Programm des Staats-Obergymnasiums zu Klagenfurt… 1906/1907.
  3. Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Handbuch eines literarischen Systems. Band 2: Kärnten (PDF-Datei; 2,1 MB) Böhlau Verlag, Wien, 2011, S. 27.
  4. a b Christian Fleck: "In seinem Felde alles Erreichbare zu leisten..." Zusammensetzung und Karrieren der Dozentenschaft der Karl-Franzens Reichsuniversität Graz.@1@2Vorlage:Toter Link/www.uni-graz.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF-Datei auf uni-graz.at) In Wolfgang Freidl (Hrsg.): NS-Wissenschaft als Vernichtungsinstrument. Facultas, Wien, 2004, S. 105.
  5. Vermerk der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ von der Besprechung über die Errichtung des Instituts für Kärntner Landesforschung. Dokument 207 (PDF-Datei; 78 kB) In: Quellen zur nationalsozialistischen Entnationalisierungspolitik in Slowenien 1941–1945 Nr. 207, Viri o raznarodovalni politiki v Sloveniji 1941–1945, zusammengestellt und erläutert von Tone Ferenc, Maribor 1980
  6. Uwe Baur und Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Band 2: Kärnten. Böhlau, Wien 2011, S. 127 (library.oapen.org [PDF]).
  7. Werner Koroschitz: Bericht zu den (nationalsozialistisch) belasteten Straßennamen in Villach, Villach 2019, S. 32.
  8. Werner Koroschitz: Bericht zu den (nationalsozialistisch) belasteten Straßennamen in Villach, Villach 2019, S. 34.
  9. Uwe Baur, Karin Gradwohl-Schlacher: Literatur in Österreich 1938–1945. Handbuch eines literarischen Systems. Band 2: Kärnten. S. 34