Integrationskurs

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Der Integrationskurs ist eine Maßnahme zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse für Ausländer in Deutschland. Die Durchführung bestimmt sich nach der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung – IntV)[1]. Die Integrationskurse wurden im Jahr 2005 im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes eingeführt. [2] Teilnehmer können nach § 44a Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes[3] zu diesem 645-stündigen Deutschkurs verpflichtet werden. Dies ist regelmäßig immer dann der Fall, wenn man nicht einer (un-)selbstständigen Arbeit nachgeht oder eine Bildungseinrichtung besucht und innerhalb von zwei Monaten nach dem Zuzug einen Sprachtest nicht besteht (meist Hausfrauen).

Der Kurs

Ein Integrationskurs besteht aus zwei Teilen: einem Sprachkurs und einem Orientierungskurs. Neben dem allgemeinen Integrationskurs gibt es spezielle Kursmodelle, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. Der Sprachkurs vermittelt in 600 Stunden Deutschkenntnisse bis zum Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Der Kurs schließt somit im Idealfall mit der Prüfung Deutsch-Test für Zuwanderer[4] ab. In 45 zusätzlichen Stunden werden den Kursteilnehmern Kenntnisse über Deutschland vermittelt (Geschichte, Gesellschaft, Kultur, usw.), um ihnen den Umgang mit Mitbürgern und Behörden zu erleichtern. Dieses abschließende siebte Modul wird als Orientierungskurs bezeichnet.

Spezielle Kursarten

  • Integrationskurs mit Alphabetisierung
  • Integrationskurs für Frauen
  • Integrationskurs für Eltern
  • Integrationskurs für junge Erwachsene
  • Förderkurs
  • Intensivkurs

Orientierungskurs

Der Orientierungskurs schließt sich an den jeweiligen Sprachkurs an und umfasst 45 Stunden. Das Curriculum für den Orientierungskurs wurde vom BAMF entwickelt.

Sprachkurs

Im Rahmen des allgemeinen Integrationskurses umfasst der Sprachkurs 600 Stunden. Ziel ist sprachliche Handlungsfähigkeit im Deutschen zu erreichen, wodurch die Integration von MigrantInnen im Sinne von gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit [5] gewährleistet wird.

"Über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache […] verfügt, wer sich im täglichen Leben in seiner Umgebung selbständig sprachlich zurechtfinden und entsprechend seinem Alter und Bildungsstand ein Gespräch führen und sich schriftlich ausdrücken kann (Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen)" [6].

Der Sprachkurs wird durch den Deutsch-Test für Zuwanderer (DTZ) abgeschlossen.

Rahmencurriculum für Integrationskurse/ Deutsch als Zweitsprache

Grundlegend definiert das Rahmencurriculum für Integrationskurse/Deutsch als Zweitsprache die Lernziele und –Inhalte des Sprachkurses. Es stellt den Rahmen für die Konzeption verschiedener Kursmodelle (Vgl. Spezielle Kursarten) und deren Ausgestaltung dar. Auch die Prüfungsziele des DTZ orientieren sich am Rahmencurriculum.

Entwicklung

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetztes am 1. Januar 2005 in Deutschland beauftrage das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Herbst 2006 das Goethe-Institut mit der Entwicklung eines Rahmencurriculums für die Integrationskurse. Seit der Veröffentlichung 2007 besteht diese curriculare Grundlage für Integrationskurse. Die Projektgruppe des Goethe Instituts zog zur Erstellung des Rahmencurriculums Befragungen von Kursteilnehmenden und –lehrenden, sowie bereits existierende Studien und Arbeiten anderer Institutionen (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Deutscher Volkshochschulverband) und des Goethe Instituts selbst („Curriculum zur Gestaltung eines sechsmonatigen Sprachlehrgangs für Aussiedler“, 1991) heran. Zudem beauftragte wiederum das Goethe Institut Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München mit der

"Recherche und Dokumentation hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmern an Integrationskurse durch Befragung von Institutionen, Kursträgern und Kursteilnehmern (InDaZ)"[5].

Auch flossen wissenschaftliche Erkenntnisse zum Erwerb des Deutschen als Zweitsprache, das Wissen um die unterschiedlichen Hintergründe (beispielsweise Aufenthaltsdauer, Bildungssozialisation und Weiteres), die Bedeutung der Migrationserfahrung und Lebensumstände der Teilnehmenden an Integrationskursen in Deutschland mit in die Formulierung des Rahmencurriculums ein.

Hinsichtlich der angestrebten Handlungsfähigkeit von MigrantInnen sollten somit grundsätzliche Themen und spezifische Bereiche, in welchen sie sprachlich handeln wollen beziehungsweise müssen, ermittelt werden.

Lernziele

Im Rahmencurriculum werden grundlegend zwei Arten von Lernzielen unterschieden: Zum einen die Kommunikation nach Handlungsfeldern und zum anderen die Handlungsfelder übergreifende Kommunikation. Die Formulierung erfolgt mittels Kann- Beschreibungen (Beispiel: „Kann mit ganz einfachen Mitteln über sich und seine/ihre Situation im Herkunftsland sprechen, z.B. über die Familie, den erlernten Beruf."[5]). Einzelne oder mehrere Lernziele werden unter sogenannten sprachlichen Handlungen wie Auskunft geben, nachfragen, berichten und Ähnlichem gruppiert sowie durch die entsprechende Fertigkeit (Schreiben, Lesen, Hören, Sprechen, Gespräch) und Niveaustufe (A1 bis B1) gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) näher bestimmt.

Handlungsfelder übergreifende Kommunikation

Die Handlungsfelder übergreifende Kommunikation umfasst grundlegende Kommunikationsbedürfnisse von Menschen im Allgemeinen:

und in die speziellen Bedürfnissen von MigrantInnen:

In die Beschreibung wird neben Sprachhandlung, der vorrangigen Aktivität (Fertigkeit) und dem Niveau zudem die Intention der Sprechenden (Beispiel: „Möchte sich über die Gründe und Ziele der Migration austauschen" [5]) aufgenommen.

Diese Kommunikationsbereiche sind weiter untergliedert. So besteht der Bereich „Umgang mit der Migrationssituation“ beispielsweise aus den Teilbereichen:

  • Über Migrationserfahrung berichten
  • Umgang mit der interkulturellen Begegnung
  • Eigene Kompetenzen darstellen
  • Umgang mit Wissensdivergenz und Kompetenzlücken
  • Umgang mit der individuellen Sprachigkeit [5].

Kommunikation in Handlungsfeldern

Es werden 12 Handlungsfelder unterschieden:

Die Handlungsfelder sind überwiegend in vier Unterbereiche gegliedert:

  • Sich einen Überblick verschaffen
  • Mit offiziellen Stellen/Einrichtungen kommunizieren
  • Mit Vorgesetzten/Mitarbeitern von Ämtern und Behörden kommunizieren
  • Mit Gleichgestellten, z.B. Kollegen, Mitreisenden oder Nachbarn, kommunizieren [5].

Die Präzisierung der Lernziele erfolgt durch die Nennung der vorrangigen Aktivität (Fertigkeit), des entsprechenden Niveaus, sowie der Markierung der Zielgruppe beziehungsweise -Gruppen (A, B und C), für die das Lernziel relevant ist. Es werden drei Arten von Zielgruppen unterschieden:

  • Gruppe A weist gute Lernvoraussetzungen und konkrete Bildungs- und Berufswünsche auf. Sie ist durchschnittlich jünger als die anderen Gruppen und kürzer in Deutschland wohnhaft.
  • Gruppe B fokussiert Familie und Kinder/ Schule. Sie verfügen über ein geringeres Bildungs- beziehungsweise Qualifikationsniveau als A.
  • Gruppe C weist ein niedrigeres Bildungs- beziehungsweise Qualifikationsniveau als Gruppe A auf. Sie ist die durchschnittlich älteste Gruppe mit der längsten Aufenthaltsdauer in Deutschland. Die Gruppe fokussiert die Arbeitswelt.

Gegebenenfalls wird zudem aufgeführt, dass spezifisches landeskundliches Wissen (Beispiel: „Weiß, dass Regelungen in Ämtern verbindlich sind, z.B. Öffnungszeiten."[5]) für die Umsetzung des Lernziels von Bedeutung ist.

Außersprachliche Lernziele

Um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, setzten die Autoren des Rahmencurriculum ein Zusammenspiel sprachlicher, interkultureller und strategischer Fähigkeiten voraus. Daher werden vor der Benennung der Lernziele auf sprachlicher Ebene auch Aspekte interkultureller Kompetenz (Beispiel: „Ist sensibilisiert für kulturell unterschiedliche Kommunikationsgepflogenheiten auf Ämtern und Behörden und kann das eigene Handeln danach ausrichten."[5]) und landeskundlichen Wissens im „Fokus Interkulturalität“ und im „Fokus Landeskunde“ aufgeführt.

Strategische Kompetenzen zeigen sich im Umgang mit Wissensdefiziten, Kompetenzlücken und / oder dem Einsatz von Lerntechniken. Diese werden teilweise in den übergreifenden Kommunikationsbereichen „Umgang mit der Migrationssituation“ (Beispiel: „Umgang mit Wissensdivergenz und Kompetenzlücken" [5]) und „Umgang mit dem eigenen Sprachenlernen“ (Beispiel: „Lesekompetenz auf- und ausbauen" [5]) angebracht.

Verhältnis zum Deutsch-Test für Zuwanderer (DTZ)

Da das Rahmencurriculum die Grundlage der Ausgestaltung der Sprachkurse der allgemeinen Integrationskurse ist, richtet sich auch die Konzeption der Abschlussprüfung der Sprachkurse danach. Somit werden im Deutsch-Test für Zuwanderer keine Kompetenzen geprüft, die die Beschreibungen im Rahmencurriculum übersteigen. Landeskundliche, interkulturelle und strategische Kompetenzen werden implizit überprüft.

Verwendung

Für eine möglichst effektive Nutzung gilt es seitens der Adressatengruppe (vorrangig Prüfungsentwickler, Lehrbuchautoren und Kursplaner) Folgendes zu beachten:

  • aus den genannten maximal möglichen Lernzielen müssen die Adressaten eine auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichtete Auswahl an spezifischen Lernzielen und –Inhalten treffen
  • Prüfungen dürfen keine die Beschreibungen übersteigenden Kompetenzen verlangen
  • lexikalische und morpho- syntaktische Lerninhalte lassen sich aus den Lernzielen ableiten, sollten jedoch nicht hauptsächlich die Progression der Sprachkurse bestimmen
  • die Progression im Sprachkurs sollte an Handlungsketten innerhalb der Handlungsfelder orientiert sein [5].

Lehrkräften in Integrationskursen dient das Rahmencurriculum zur Reflexion über das verwendete Unterrichtsmaterial und zur Nachvollziehbarkeit konkreter Kurspläne. Besonders die Formulierungen zu den außersprachlichen Lernzielen (Interkulturelle und strategische Kompetenz, landeskundliches Wissen) lassen eine Überprüfung des Vorhandenseins dieser Ziele im Kurs zu. Das Rahmencurriculum sollte jedoch nicht als Lehrplan begriffen werden.

Diskussion

(Inter)Kulturelle Aspekte im Rahmencurriculum für Integrationskurse

(Inter)Kulturelle Aspekte werden in den Kommunikationsbereichen „Umgang mit der Migrationssituation“ (besonders im Unterpunkt „Umgang mit der interkulturellen Begegnung“ [5]) und „Realisierung von Gefühlen, Haltungen und Meinungen“, sowie im „Fokus Interkulturalität“ beziehungsweise durch das Lernziel „Interkulturelle Kompetenz“ im Rahmencurriculum expliziert. Die Autoren des Rahmencurriculums für Standardintegrationskurse benennen die Relevanz kultureller beziehungsweise interkultureller Aspekte für die Lernenden. Allerdings wird diesen Überlegungen kein definierter Kulturbegriff zugrunde gelegt. In der Bedarfsanalyse (InDaZ)[7] werden unter dem Punkt „Aspekte der Interkulturalität“ Antworten von Befragten aufgeführt, die verdeutlichen, das interkulturelle Aspekte im Kurs und besonders in der Abschlussprüfung von Bedeutung sind. Es scheint ein relativ enger Begriff von Kultur angenommen zu werden. Im Kapitel „Herkunftssprache und -kultur “ finden sich hauptsächlich Daten zur Heterogenität hinsichtlich der Herkunftsländer der KursteilnehmerInnen. Auch in Hinblick auf den DTZ wird nicht beschrieben oder diskutiert, inwiefern sich Interkulturelle Kompetenz operationalisieren ließe.

Finanzierung

Getragen werden die Kosten der Kurse vor allem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Teilnehmer müssen jedoch pro Stunde 1 € bezahlen, sofern sie nicht von diesen Zahlungen befreit sind (Sozialhilfeempfänger u.a.). Die Teilnahme und Kosten werden für bestimmte Gruppen durch das Aufenthaltsgesetz unterschiedlich geregelt. Es wird unterschieden zwischen Ausländern mit Aufenthaltstitel vor oder ab 2005, Deutschen Staatsangehörigen, Eu- Bürgern und Spätaussiedlern [8]. Besondere Aufmerksamkeit bezüglich der Finanzierung verdient hierbei die Organisation der Kurse an sich: die sogenannten Kursträger, also Sprachschulen und andere Bildungseinrichtungen, die vom BAMF zugelassen werden müssen, sehen sich großer finanzieller Belastung ausgesetzt, um die Kurse anbieten zu können; um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen etwa 20 Teilnehmer eingeschrieben sein (Höchstteilnehmerzahl: 20). Dies führt oft zu geringen Honoraren für die Deutschlehrer[9].

Ergebnisse

Seit 1. Januar 2006 werden die Integrationskurse evaluiert, um festzustellen, ob die beabsichtigten Ergebnisse erreicht werden und ob die Organisation der Integrationskurse funktionstüchtig ist. Die Statistik des Bundesamtes für Migration weist bundesweit eine Erfolgsquote von ca. 42 Prozent aus: Von 100 angemeldeten Teilnehmern an Integrationskursen absolvieren 42 erfolgreich das Zertifikat Deutsch, das laut Goethe-Institut Grundkenntnisse in der deutschen Umgangssprache nachweist und als Mindestvoraussetzung für eine Berufstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist[10].

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesministerium der Justiz – juris: Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler. Eingesehen am 5. Oktober 2010
  2. http://www.aufenthaltstitel.de/stichwort/integrationskurs.html
  3. Bundesministerium der Justiz – juris: § 44a-Aufenthaltsgesetz. Eingesehen am 5. Oktober 2010
  4. Deutschtest für Zuwanderer beim Goethe-Institut
  5. a b c d e f g h i j k l m n [1], Rahmencurriculum für Integrationskurse: S.9, 11, 13 - 17, 24 - 25, zuletzt geprüft am 4. Februar 2012.
  6. [2], Integrationskursverordnung (IntV §3 Absatz 2), zuletzt geprüft am 4. Februar 2012.
  7. [3], Recherche und Dokumentation hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmern an Integrationskurse durch Befragung von Institutionen, Kursträgern und Kursteilnehmern (InDaZ), zuletzt geprüft am 4. Februar 2012.
  8. [4], Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, zuletzt geprüft am 4. Februar 2012.
  9. Aktion Butterbrot, Interessenvertretung der HonorardozentInnen für Deutsch als Fremdsprache: Ziel. Eingesehen am 5. Oktober 2010
  10. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das erste Quartal 2010 (PDF, 516 KB). Stand 2. Juli 2010. Eingesehen am 5. Oktober 2010

Literatur

  • Buhlmann, Rosemarie et aliae (2007): Rahmencurriculum für Integrationskurse. Deutsch als Zweitsprache. Hg. v. Goethe-Institut. Online verfügbar unter http://www.goethe.de/lhr/prj/daz/pro/Rahmencurriculum_online_final_Version5.pdf, zuletzt geprüft am 3. Februar 2012.
  • Bundesministerium der Justiz (Hg.) (2004): Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung - IntV). Online verfügbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/intv/gesamt.pdf, zuletzt geprüft am 3. Februar 2012.
  • Ehlich, Konrad (2007): Recherche und Dokumentation hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmenden an Integrationskursen DaZ. InDaZ. im Rahmen des Projektes des Goethe-Instituts zur Erstellung eines Rahmencurriculums für Integrationskurse. Unter Mitarbeit von Anna Hila und Elke Montanari. Hrsg. v. Goethe-Institut. Online verfügbar unter http://www.goethe.de/lhr/prj/daz/pro/InDaZ_Recherche.pdf, zuletzt geprüft am 4. Februar 2012.